Ermittlungen gegen Uli Hoeneß:Vorbild a. D.

Uli Hoeneß

Uli Hoeneß beim Training des FC Bayern München im Jahr 2009. 

(Foto: dpa)

Gegen Uli Hoeneß wird wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung ermittelt. Nach SZ-Informationen soll der Bayern-Präsident mit einem Millionen-Darlehen des früheren Adidas-Chefs Dreyfus an der Börse spekuliert haben. Erweist sich Hoeneß' Selbstanzeige als korrekt, wird das Verfahren allerdings eingestellt. Doch es gibt da einen merkwürdigen Zufall - und zwar ausgerechnet in der Woche, da die Selbstanzeige gestellt wurde.

Von Andreas Burkert, Hans Leyendecker und Klaus Ott

Die Kanzlerin schätzt seinen Rat, Horst Seehofer eigentlich auch. Einen "Homo politicus" nennt Edmund Stoiber ihn, und wirklich große Wirtschaftsgrößen halten Uli Hoeneß für einen der ihren. "Taugt er als Vorbild für ein ganzes Land?" hat der Spiegel vor ein paar Wochen heftig nickend gefragt. Und Bild wollte mal wissen: "Brauchen wir mehr Hoeneß in der Politik?"

Das war, nachdem der Bayern-Präsident und Unternehmer in einer Jauch-Sendung im September vorigen Jahres zu so unterschiedlichen Themen wie Reichensteuer, Wohlstand, Ausgaben der Bundesländer, Schlaglöcher auf den Straßen und Bundestagswahlen Klartext geredet hatte.

Eigentlich war Uli Hoeneß ein Phänomen. Ein reicher, erfolgreicher Mann, von dem selbst seine Feinde sagen, er sei der sozialste Typ, den sie kennen. Ein ehemaliger Fußballer machte Politik ohne Amt.

Das wird ihm vorläufig nicht mehr möglich sein. Ohnehin war das Bild, das sich die meisten von Hoeneß machten, immer schon seltsam widersprüchlich - und jetzt gibt es noch den ganz anderen Hoeneß: den Steuerbetrüger, der Integrität gepredigt und den Staat jahrelang betrogen hat.

"Ich darf im Moment nichts sagen"

Am Wochenende meldete der Focus, die Staatsanwaltschaft München II ermittele gegen den 61-Jährigen wegen Verdachts der Steuerhinterziehung. Er habe im Januar Selbstanzeige erstattet. Hoeneß hatte diese Grundinformationen dem Blatt bestätigt und danach alle Auskünfte verweigert. Der Süddeutschen Zeitung sagte er am Sonntag: "Ich darf im Moment nichts sagen, denn ich befinde mich in einem schwebenden Verfahren. Sie können sich vorstellen, dass mir vieles auf der Zunge liegt, aber ich muss erst mit den Behörden meine Hausaufgaben machen."

Wie aus Justizkreisen zu erfahren ist, ähnelt das Grundmuster vielen anderen Fällen von Steuerhinterziehung, und dennoch soll die Handlung etwas kompliziert sein, denn Medien spielen wie so oft im Leben des Mannes irgendwie eine Rolle.

Um das Jahr 2000 soll Hoeneß von seinem Freund Robert Louis-Dreyfus, dem ehemaligen Adidas-Chef, ein Darlehen in der Größenordnung von 10 bis 15 Millionen Euro bekommen haben. Mit dieser Summe soll er an der Börse spekuliert haben. Vor mehr als zehn Jahren soll Hoeneß, der eine Neigung zum Zocken hat, bei der in Zürich ansässigen Bank Vontobel AG ein Konto eingerichtet haben, auf dem er Millionen Euro lagerte. Es handelte sich nicht um Schwarzgeld, sondern um versteuertes Geld. Aber er zahlte dem deutschen Fiskus offenbar nicht die Kapitalertragsteuer.

Ebenso wie viele andere Hinterzieher ließ er Amnestien verstreichen, verpasste mehrere Gelegenheiten und pokerte bis zuletzt. Im Vorjahr hat Hoeneß, der bei Jauch davor warnte, dass die Reichen im Fall einer Reichensteuer nach Österreich oder in die Schweiz ziehen könnten, wohl auf das deutsch-schweizerische Steuerabkommen gesetzt. Ende vorigen Jahres aber war klar: Dieses würde nicht zustande kommen. Es scheiterte am Widerstand von Rot-Grün, und dabei ging es der Opposition neben Politik um jene Gerechtigkeit, die Hoeneß auch gerne einfordert.

"Das geheime Fußballkonto"

Mitte Januar 2013 soll er dann bei seinem Finanzamt Miesbach eine von seinen Steuerberatern gefertigte Selbstanzeige eingereicht haben, die den Anforderungen des Paragrafen 371 der Abgabenordnung entsprach: Die Selbstanzeige befreit den Steuerhinterzieher von Strafe, aber nur, wenn er sich dem Finanzamt offenbart hat, bevor die Tat entdeckt ist. Und die Anzeige muss auch vollständig sein. Der Täter setzt dabei also immer auf eine kleine Amnestie. Angeblich hat Hoeneß dann, wie aus politischen Kreisen verlautet, dem Fiskus drei Millionen Euro Steuern und Zinsen nachgezahlt. Diese Summe ist offiziell nicht bestätigt; sie lässt auf einen Gewinn in Höhe von sechs Millionen Euro schließen. Demnach müsste sich das diesen Erträgen zugrunde liegende Vermögen - bei einer durchschnittlichen Rendite von drei Prozent (was hoch gegriffen ist) - auf etwa 18 bis 20 Millionen Euro belaufen. Das ist derzeit nur eine Annahme, nicht mehr. Die Beteiligten schweigen.

Die Staatsanwaltschaft München II leitete im Januar dann ein Ermittlungsverfahren gegen Hoeneß ein. Allerdings: Erweist sich die Selbstanzeige als korrekt, wird das Verfahren wieder still eingestellt. Im Fall Hoeneß aber gab es einen merkwürdigen Zufall, und zwar ausgerechnet in der Woche, da die Selbstanzeige gestellt wurde.

Am 17. Januar erschien im Stern ein Artikel mit dem Titel "Das geheime Fußballkonto". Die Logik der Handlung war nicht ganz einfach nachzuvollziehen, aber klar wurde, dass angeblich "ein Spitzenvertreter der Bundesliga zeitweise eine halbe Milliarde Euro bei einer Schweizer Bank gebunkert" habe. Bei dem Geldinstitut handele es sich um die "Privatbankgruppe Vontobel". Der Name des Bankkunden wurde in dem Stück nicht genannt; nur dass es sich um eine "Top-Personalie aus der Ersten Fußballbundesliga" handele.

Die Selbstanzeige mit dem Vontobel-Konto von Hoeneß und die Verdachtsberichterstattung über einen angeblichen Vontobel-Fall elektrisierte die Staatsanwaltschaft München II. Die Strafverfolger hatten, wie aus Justizkreisen verlautet, offenbar den Verdacht, dass Hoeneß durch die Recherchen gewarnt war und deshalb die Selbstanzeige erstattete. Wohl deshalb durchsuchten sie sein Haus vor Wochen.

Hoeneß-Anwälte werden für eine Einstellung des Verfahrens kämpfen

Einen Beleg für ihren Verdacht sollen sie nicht gefunden haben. Der Fall aus dem Stern und die echten Abläufe im Fall Hoeneß scheinen gar nichts miteinander zu tun haben. Aber die Geschichte mit den 600 bis 800 Millionen Franken, die angeblich auf dem Konto und in einem Depot lagerten, trat am Wochenende das Gerücht los, im Fall Hoeneß gehe es um einen Betrag in hoher dreistelliger Millionenhöhe.

Wie es weitergehen wird, lässt sich ahnen: Die Hoeneß-Anwälte werden für eine Einstellung des Verfahrens kämpfen. Wenn es keine neuen Verdachtsmomente gibt, sind ihre Chancen nicht schlecht. Das Verfahren würde eingestellt werden, die Selbstanzeige würde den Steuerhinterzieher vor Strafe bewahren.

Bis dahin wird wohl noch Zeit vergehen. In der Umgebung des FC Bayern wird kolportiert, die Staatsanwälte seien im Fall ihres Präsidenten so hart, weil er Strafverfolger und Justiz nach der Verurteilung des ehemaligen Bayern-Spielers Breno wegen Brandstiftung heftig kritisiert hatte. Hoeneß kann sehr moralisch tun, aber vermutlich meint er das meist auch sehr ernst.

Der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel, der sich gern moralisch und bescheiden gegeben hatte, fiel 2008 als Steuerhinterzieher auf. Er wurde zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt und zahlte einschließlich Zinsen vier Millionen Euro Steuern nach. Im Beruf habe er sich so verhalten, wie er es von seinem Vater gelernt habe, sagte Zumwinkel später in einem Interview: als ehrbarer Kaufmann. Nur bei seinen privaten Finanzangelegenheiten sei es anders gewesen. Lediglich "ein- oder zweimal im Jahr" habe er sich mit solchen Dingen beschäftigt. Er habe die Selbstanzeige gescheut, weil auch die öffentlich geworden wäre. Bei Behörden bleibe "nichts geheim". Eigentlich stimmt das nicht. Es ist ganz selten, dass eine Selbstanzeige publik wird. Das Haus von Hoeneß war am Samstag ähnlich umstellt wie einst das Haus von Zumwinkel.

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