DFB-Team gegen Brasilien:Löw entscheidet - und sonst keiner

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Konzentriert an der Seitenlinie: Bundestrainer Joachim Löw. (Foto: AP)

Der Bundestrainer bekommt viele Ratschläge zurzeit, aber keiner dieser Ratgeber wird vom DFB zum Dank einen Obstkorb geschickt bekommen. Gegen Brasilien würde Löw gerne im Zentrum wie gegen Frankreich agieren - doch er muss diverse Unwägbarkeiten beachten.

Von Christof Kneer, Santo André

Ob Thomas Berthold wohl ein zweites Mal Weltmeister würde, wenn das am nächsten Sonntag gut gehen sollte mit der deutschen Mannschaft? Darf auch Olaf Thon dann einen weiteren Titel auf sein Visitenkärtchen schreiben, das er zurzeit - da auf Jobsuche - vermutlich häufiger vorzeigt? Ist Armin Veh nächsten Sonntag nicht nur ein Meister-, sondern vielleicht ein Weltmeistertrainer? Und was ist mit Brehme, Magath und all den anderen?

Joachim Löw bekommt viele Ratschläge zurzeit, aber keiner dieser Ratgeber sollte darauf vertrauen, dass er vom Deutschen Fußball-Bund zum Dank einen Obstkorb geschickt bekommt. Der vom DFB mit dem Trainermandat ausgestattete Joachim Löw hat um keinen einzigen dieser Ratschläge gebeten, genauer gesagt: Es interessiert ihn nicht, welcher Experte nun Philipp Lahm hinten rechts aufstellen würde und welcher hinten links, und am wenigsten interessiert ihn, dass Thomas Berthold nicht nur Philipp Lahm hinten rechts aufstellen würde, sondern auch Erik Durm hinten links. Löw weiß: Würde er Durm hinten links aufstellen, bekäme er es wohl gleich mit dem Kolumnisten Thomas Berthold zu tun. Wie heißt der? Drum? Soll erst mal Stammspieler in der Bundesliga werden! Hat viel zu wenig Erfahrung!

Diffuse Stimmungslage

Im Gehalt eines Bundestrainers ist inbegriffen, dass er die sog. Gurus aushalten muss. Gurus, das sind Menschen mit Vergangenheit, aber meist ohne Job, und jeden einzelnen Guru-Beitrag könnte Löw locker weglächeln. Bei fünf Guru-Beiträgen wird das schwieriger, und ab einer gewissen Anzahl summieren sich die Beiträge zu einer diffusen Stimmungslage, die in die Medien hinein- und von dort wieder hinausgetragen wird und nicht mehr zu kontrollieren ist. Diese Stimmungslage kann dazu führen, dass selbst der gelassene Assistent Hansi Flick mal genervt klingt: "Es wird doch keiner glauben, dass hier jemand anderes entscheidet als wir", sagt er.

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Die deutsche Elf steht im WM-Halbfinale, und die begleitende Debatte geht so: Wieso hat der Bundestrainer seine Elf im Viertelfinale so umgebaut? Und ist ihm das selber eingefallen - oder hat er sich von der Öffentlichkeit (Gurus, Medien, Menschen) leiten lassen, von Kollegen im Trainerstab oder gar: von den Spielern?

Die Mannschaft sei "vorbereitet auf das, was ich plane", hat Löw nach dem 1:0 gegen Frankreich gesagt, und "natürlich" führe er da "auch Gespräche". Löw kennt diese Debatte, auch sie ist so etwas wie ein roter Faden durch seine Bundestrainer-Karriere. Bei der EM 2008 wurde von interessierter Seite gestreut, die Idee mit der Doppelsechs Hitzlsperger/Rolfes und einem offensiveren Michael Ballack stamme von Michael Ballack persönlich; "informiert" habe er Ballack, hat Löw damals indigniert gesagt und zur Sicherheit noch mal die Silben in die Länge gezogen: "in-for-miert".

Deutschland weiß ja längst: Löw ist kein Trainer, der harte und unmissverständliche Entscheidungen liebt. Das hat dazu geführt, dass viele Personalien auf ihre Einflüsterer hin untersucht werden, und der Torwarttrainer Andy Köpke hat diesen Untersuchungen kürzlich unfreiwillig Vorschub geleistet, als er in einer Pressekonferenz sagte, Lahms Position werde "auch bei uns kontrovers diskutiert".

Daraus einen Konflikt im Trainerstab abzuleiten, das wird im Trainerstab geradezu empört dementiert - ebenso die Unterstellung, die Aufstellung werde neuerdings von der Mannschaft gemacht. Ein Austausch mit maßgeblichen Spielern war und ist aber ausdrücklich vorgesehen; und man kann sich gut vorstellen, dass Spieler wie Khedira, Schweinsteiger oder Müller den Kapitän lieber hinten rechts sehen würden; die ersten beiden, weil sie dann selbst im Team sind; Letzterer, weil er dann einen spielstarken Kumpel im Rücken hätte.

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Natürlich sind sie auch im Stab nicht immer derselben Meinung (etwa, was den grundsätzlichen Stellenwert von Lukas Podolski oder aktuelle Einschätzungen über Mario Götze anbelangt), aber die Startelf fürs Frankreich-Spiel taugt nicht zur Bildung von Legenden. Eine Mischkalkulation aus taktischen, gesundheitlichen und teaminternen Erwägungen hat die Trainer dazu bewogen, Lahm nach rechts zu stellen, im Zentrum Schweinsteiger und Khedira zu vertrauen und den Sturm mit dem guten, alten Miro Klose zu besetzen.

"Bei der Analyse von Frankreich haben wir gesehen, dass sie im Zentrum wahnsinnig gut stehen. Deshalb war es eine Über- legung, Philipp nach rechts zu stellen, weil wir wussten, dass wir mehr über die Außen kommen müssen", sagt Löw. Das ist die taktische Seite - dazu kommt aber, dass Löw die Zeit für reif befand, zum Wunschduo Schweinsteiger/Khedira zurückzukehren.

Beide haben sich in Brasilien offenbar einem Fitnesszustand angenähert, der einen gemeinsamen Einsatz zumindest zum kalkulierbaren Risiko gemacht hat - zumal Löw im Training die Überzeugung gewonnen hat, dass die Qualitäten des laufstarken Gladbachers Christoph Kramer ausreichen, um ihn im Zweifel einzuwechseln. Löws Beharren auf Lahms zentraler Rolle war offenkundig stets an die Fitness seines Wunschduos gekoppelt; "es war halt so, dass Sami und Basti den Rhythmus nicht hatten", sagt Assistent Flick, und Lahm sei im Zentrum "extrem wertvoll gewesen".

Die Vergangenheitsform zeigt: Im Idealfall würden die Trainer gegen Brasilien ihr Zentrum wieder so aufstellen wie gegen Frankreich, mit Schweinsteiger und Khedira. Schweinsteiger hat sich am Sonntag für einsatzfähig erklärt, aber Khedira hat das Hitze-Spiel in Rio zugesetzt. Vielleicht werden diesmal weder die Trainer noch die Spieler noch die Gurus noch die Journalisten über die Startelf entscheiden - sondern die Masseure, die Physiotherapeuten und vielleicht sogar die Eistonnen.

© SZ vom 07.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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