Deutschland schlägt die Niederlande:Fußball total

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Es ist der erste deutsche Sieg gegen die Niederlande seit 15 Jahren. Dank eines herausragendes Mittelfeldes spielt Joachim Löws Elf einen Fußball, für den lange die Holländer gefürchtet waren - und gewinnt auch ohne Mario Gomez klar mit 3:0. Einer der Matchwinner ist Alleinstümer Miroslav Klose, der einem großen Rekord immer näher kommt.

Es war ein ungemütlicher Abend, aber nur klimatisch - und für die Fans des niederländischen Fußballs. Dass das Thermometer in Hamburg drei Grad zeigte (die sich kälter anfühlten), dürfte den deutschen Anhängern bald entgangen sein, so sehr erwärmte der Auftritt der DFB-Auswahl ihre Herzen. Mit dem 3:0 (2:0), dem ersten deutschen Erfolg gegen Holland seit dem April 1996 (1:0 in Rotterdam, durch ein Elfmetertor von Jürgen Klinsmann), waren die Gäste noch gut bedient.

Zeitweise sah die deutsche Darbietung so gekonnt, so dominant aus wie jener "Fußball total", für den jahrelang die Niederländer gerühmt wurden. Kein Wunder, dass auch Joachim Löw vor lauter Zufriedenheit lächeln musste. "Wir haben mit viel Spielfreude und Leichtigkeit gespielt und kombiniert", bilanzierte er und fügte fast erstaunt hinzu: "Damit waren die Holländer offenbar überfordert." Kollege Bert van Marwijk lobte: "Dieses Spiel sagt eine Menge über die Stärken der deutschen Mannschaft - und weniger über die Stärken unseres Teams, dem wichtige Spieler wie van Persie und Robben fehlten."

Die Experimente im deutschen Team blieben diesmal zu Beginn aus - wenn es in diesen Tagen nicht schon als Experiment anzusehen ist, wenn eine erste DFB-Elf ohne die Marios Götze und Gomez aufläuft. Das Mittelfeld sah Khedira und Kroos auf den defensiveren Positionen, sie sollten absichern hinter dem offensiven Trio Müller/Özil/Podolski.

Es wurde also nichts aus der Doppelspitze, denn ganz vorne durfte sich der Ex-Münchner Miroslav Klose statt Gomez versuchen. In der Abwehr kehrte Löw nach dem wilden Ritt zu dritt in der Ukraine (3:3) zu einer klassischen Viererkette zurück. Denn es war zwar das, was man früher ein Freundschaftsspiel nannte, aber wann hat es das zwischen Deutschland und den Niederlanden zuletzt gegeben?

Nur wenige deutsche Rivalitäten haben einen Klang und einen Ruf wie jene gegen die Holländer. Die Historie der Teams ist angefüllt mit unvergesslichen Spielen, mit allein sechs EM- oder WM-Partien zwischen 1974 und 1992. Jedes Match dieser Teams zählt doppelt, da vergisst man leicht, dass das letzte Duell, das nach 1992 bei einem Großereignis für etwas Aufregung sorgte, im Juni 2004 in Portugal stattfand. Dass sich nur so wenige Menschen an diese Partie erinnern (außer Fabian Ernst, der damals das späte 1:1 durch Ruud van Nistelrooy verschuldete), mag vor allem daran liegen, dass deutsche Fans jene EM - das bislang letzte Rumpel-Festival einer DFB-Auswahl - verdrängt haben, so gut es geht.

Das Spiel in Hamburg kam schnell auf Touren. Schon nach 58 Sekunden durfte Klose, gut in Szene gesetzt von Thomas Müller und nur schüchtern gestört von Heitinga, einen ersten halbgefährlichen Torschuss abgeben. Auf der Gegenseite kam Huntelaar - nach einem Aussetzer von Mertesacker - nach nur 180 Sekunden im Strafraum an den Ball, doch für den Schalker Stürmer, der sein doppelt gebrochenes Nasenbein durch eine Gesichtsmaske schützte, wurde der Winkel zu spitz, so dass sein ehemaliger Teamkollege Manuel Neuer beim Schuss nicht eingreifen musste.

Nationalelf in der Einzelkritik
:Loopings und dreifache Rittberger

Mesut Özil erweist sich als ein Meister der feinen Kleinigkeiten, Miroslav Klose lernt, was es bedeutet, Capitano zu sein - und Lukas Podolski ist zu drei bis fünf Prozent an einem Treffer beteiligt. Die deutschen Spieler in der Einzelkritik.

Christof Kneer und Philipp Selldorf, Hamburg

Während Holland fortan eher durch Fouls der rüderen Art auffiel (zweimal Sneijder, einmal Heitinga), spielte sich Deutschland frei. Nur Podolski kam in seinem 95. Länderspiel nicht so recht zur Geltung - und war dennoch am 1:0 in der 15. Minute beteiligt. Nach seinem Ballverlust kam Kroos an den Ball, der das Spiel mit einem 40-Meter-Pass nach rechts in den Strafraum verlagerte. Dort legte Klose quer ab auf den in Mittelstürmerposition geeilten Thomas Müller, der per Direktabnahme ins kurze Eck - gegen die Laufrichtung von Torwart Stekelenburg - vollendete.

Sieger unter sich: Mesut Özil (re.) feiert mit den Teamkollegen Müller und Klose sein Tor zum 3:0. (Foto: dpa)

Nachdem Kuyt auf der anderen Seite einen Stellungsfehler von Badstuber nicht bestraft hatte (26.), dribbelte im Gegenzug der entfesselte Müller durch das Mittelfeld, zog drei Holländer auf sich, legte kurz vor dem Strafraum geschickt nach außen auf Özil, dessen unterschnittene Flanke Klose dreizehn Meter vor dem Tor fand - eine Position, mit der nur wenige Spieler mit dem Kopf etwas Gefährliches anstellen können. Anders der erfahrene Stürmer von Lazio Rom: In seinem 113. Länderspiel drückte er den Ball Richtung kurzes Eck - wieder gegen Stekelenburgs Bewegung -, wo der Ball knapp neben dem Pfosten einschlug.

Klose nähert sich Gerd Müller

Offensive Akzente setzten in dieser hinreißenden ersten Halbzeit im Grunde nur die Deutschen, dank eines eklatanten spielerischen Übergewichts im Mittelfeld, in dem Müller und Özil, Kroos und Khedira die Gäste lahm aussehen ließen. Gute Chancen gab es nach scharfen Zuspielen von Müller (36.) und Özil (40.), doch beide Male konnte Klose die Vorlagen nicht nutzen, um seinen Rückstand auf Gerd Müller in der ewigen DFB-Torschützenrangliste weiter zu verkürzen. (Noch fehlen ihm fünf Treffer.)

In der zweiten Halbzeit bewiesen die Trainer, dass dies mehr als ein gewöhnliches Testspiel war: Es gab zunächst nur einen Wechsel, Hummels kam für Badstuber. (Die üblichen Wechselspielchen begannen erst in der 64. Minute.) Die Gäste hängten sich nun etwas mehr rein, die Deutschen ließen kurz jenen Tick nach, der ihnen vor der Pause das klare Übergewicht ermöglicht hatte. Doch mehr als Fernschüsse von Sneijder (54.) und Babel (59.) sprangen dabei für die spielerisch wenig inspirierten Gäste nicht heraus. Es kombinierten weiter nur die Deutschen. Nach einer Zeitraffer-artigen Kurzpass-Stafette über Klose, Müller, Özil und Klose durfte Özil aus fünf Metern zum 3:0 einschieben (67.). Wieder sahen die Holländer träge aus - oder waren die Deutschen einfach zu gut und zu schnell?

Den Spielern war der Unterschied egal. "Die Niederländer hatten keine Chance", urteilte Mesut Özil. "Wir haben gezeigt, dass diese junge Mannschaft viel Potenzial hat und um den EM-Titel mitspielen kann." Dieser souveräne Sieg gegen den Weltranglistenzweiten dürfte der DFB-Auswahl noch mehr Selbstvertrauen geben, aber die Geschichte dieser Kontrahenten lehrt, dass die Sieger nicht übermütig werden sollten. Bei der EM 1992 zum Beispiel wurde Deutschland in der Gruppenphase von den Niederländern hergespielt (1:3), aber das Endspiel erreichte damals . . . Deutschland.

© SZ vom 16.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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