Champions League:96 sinnlose Spiele

FC Barcelona v Celtic FC - UEFA Champions League; Barcelona

Ist das noch Fußball oder schon Zirkus? Im Wettbewerb der besten europäischen Mannschaften demontiert Barcelona Celtic mit 7:0.

(Foto: Getty Images)

Die Gruppenphase der Champions League endet ohne eine einzige echte Überraschung. Diese Spiele sind kein richtiger Wettbewerb mehr - in Zukunft könnte es noch schlimmer werden.

Kommentar von Martin Schneider

Vielleicht erinnert sich noch jemand an die "Königliche Athletik-Assoziation", kurz KAA Gent aus Belgien. Der Klub ist nicht besonders prominent, obwohl er ein sehr schönes Vereinswappen mit dem stilisierten Konterfei eines Sioux-Häuptlings besitzt. Dabei sollte der Indianer-Klub durchaus bekannter sein, denn er hatte im vergangenen Jahr Erstaunliches geleistet. Gent hatte die Gruppenphase der Champions League überstanden.

Dreimal gewann Gent, gegen Valencia, Lyon und Sankt Petersburg, das reichte für ein Achtelfinale gegen den VfL Wolfsburg. Dort schied der Klub dann recht unspektakulär aus. Aber die Leistung, es überhaupt dorthin zu schaffen, war ziemlich spektakulär, denn sie war: Eine echte Überraschung.

Überraschungen sind selten geworden in der Champions League, Tierschützer würden sagen, sie stehen kurz vor dem Aussterben. Die akute Gefährdung kann man sogar objektiv messen. Gent hatte es als sogenanntes "Topf-4-Team" ins Achtelfinale geschafft. Das sind die Teams, die anhand ihres Uefa-Koeffizienten vor dem Wettbewerb in der niedrigsten Kategorie eingestuft werden. In den vergangenen vier Jahren schafften es bei insgesamt 32 Versuchen nur viermal Topf-4-Teams ins Achtelfinale. Neben Gent zweimal der AS Monaco und einmal Wolfsburg, die beide aufgrund ihrer Finanzkraft aber nicht der natürliche Außenseiter sind. Leipzig würde bei einer Qualifikation im kommenden Jahr auch im Topf 4 landen und niemand würde sie auf einem Level mit Gent sehen.

Echter Wettbewerb ist das nicht mehr

In diesem Jahr wird es aus Topf 4 wieder Monaco schaffen, eine Gruppe mit Leverkusen, Moskau und Tottenham zu gewinnen. Diese Gruppe ist die einzige aktuelle Gruppe, wo man mit extrem viel Wohlwollen von so etwas wie einer Überraschung sprechen kann. Tottenham, in der vergangenen Saison Tabellendritter in England, schafft es nicht ins Achtelfinale, sondern nur in die Europa League. Ist ja ein Ding!

Das ist die größte Sensation, die die Champions League bisher zu bieten hat. Ansonsten wurden in dieser Gruppenphase 96 Spiele gespielt, um ein Ergebnis zu produzieren, das alle vorher schon erwartet haben. Echter Wettbewerb ist das nicht mehr.

Eine Gruppe, in der Arsenal, Paris, Rasgrad und Basel gelost werden, muss man eigentlich nicht ausspielen, ebenso wenig Dortmund, Madrid, Sporting und Warschau. Von Barcelona, Manchester City, Gladbach und Glasgow oder Bayern, Atlético, Eindhoven und Rostow mal zu schweigen. Die einzige Frage ist: Welcher der beiden Großkopferten gewinnt die Gruppe und welcher wird Zweiter. Das ist aber nahezu egal, denn den einzigen Vorteil, den man durch einen Gruppensieg hat, ist ein Spiel im Achtelfinale gegen den Gruppenzweiten und das ist in der aktuellen Situation eigentlich kein Vorteil mehr.

Für Real Madrid war es sogar sinnvoll, Zweiter hinter Dortmund zu werden, da die Wahrscheinlichkeit eines vermeintlich leichteren Gegners nun größer ist (Leicester oder Monaco statt Manchester City oder Paris). Selbst wenn mal das Undenkbare passiert und ein Klub wie Rostow Bayern schlägt, hat das faktisch keine Auswirkungen auf den Wettbewerb.

Ferrari gegen Fiat Panda

Die sportliche Sinnlosigkeit der Gruppenphase verdeutlicht, woran der europäische Fußball krankt. Die Uefa hat sogar versucht, ein bisschen einzugreifen, in dem sie verordnete: Die Landesmeister stehen als Gruppenkopf fest, wodurch das Klassen-System ein bisschen aufbricht. Das wirkte aber so, als hätte man ein Kinderpflaster über eine Fleischwunde geklebt.

Die wahren Gründe dieser Krankheit liegen woanders: Der finanzielle Unterschied zwischen den Top-Klubs und dem Rest ist zu groß, als dass man noch von fairen Duellen sprechen kann. Stichwort: Ferrari gegen Fiat Panda. Der Wettbewerb wird zwar ab der Saison 2018/19 reformiert, aber in dieser Reform steht hauptsächlich, dass das viele neue Geld die kriegen, die eh schon viel haben. Dass von 32 Startplätzen dann 16 sicher an die vier europäischen Top-Ligen Spanien, England, Deutschland und Italien gehen, könnte die Gruppenphase auf Kosten der kleinen Verbände vielleicht einen Tick interessanter machen. Jedenfalls wenn man davon ausgehen mag, dass der Vierte der italienischen Serie A stärker ist als zum Beispiel der FC Basel.

Weniger Gent, weniger Spannung

Richtige Lösungen sind das keine. Aber an einer wirklich spannenden Gruppenphase sind die Madrids und Manchesters dieser Welt nicht interessiert, denn das würde bedeuten, Einnahmen zu riskieren. Als das Los Bayern München im vergangenen Jahr im Achtelfinale (also noch eine Stufe weiter) Juventus Turin bescherte, tobte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge schon, es sei zu viel "Schicksal" und forderte auch im Achtelfinale eine Setzliste.

Solange das Zuschauerinteresse trotzdem noch da ist und die Einnahmen steigen, sehen die Befürworter dieses System die Argumente auf ihrer Seite. Die Tendenz des europäischen Fußballs ist jedenfalls klar: Mehr Bayern, mehr Real, mehr Barcelona, mehr Chelsea - weniger Gent, weniger Spannung.

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