Champions League: Finale:Chamäleons gegen Pass-Terroristen

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Beim Champions-League-Finale in London treffen zwei unterschiedliche Fußball-Philosophien aufeinander: Barcelonas Spielkultur gegen die Wucht von Manchester United; Pass-Zeremonien gegen geradlinige Vorstöße; Künstler gegen Dynamiker, der Zauberer Messi gegen den Büffel Rooney.

Moritz Kielbassa

Der Fußball des FC Barcelona gilt als der beste auf Erden. Schönheit und Dominanz des Spiels der Katalanen sind ungebrochen, obwohl es tausende Gegner erforscht haben.

Der Zauberer: Lionel Messi vom FC Barcelona. (Foto: dpa)

Für Samstag sucht nun wieder Sir Alex Ferguson, der Senior und flexibelste Stratege unter Europas Top-Trainern, ein Gegenrezept. Viele erklären das Champions-League-Finale ja über Kontraste: Barcelonas Spielkultur gegen die Wucht von Manchester United; ästhetische Pass-Zeremonien gegen geradlinige, schnelle Vorstöße; kleine Künstler gegen Kraftpakete, der Zauberer Messi gegen den Büffel Rooney.

Doch viele Dinge überlagern sich, speziell im Spiel von United. Und so geht es im Duell der besten Teams Europas auch um eine alte Grundsatzfrage: Ist es lohnender, wie Barça, eine Spielweise in Perfektion zu beherrschen - oder, wie Manchester, verschiedene Methoden sehr gut?

Barças raumfüllender Ballbesitzfußball verzückt auch Laien: mit technisch raffinierten Spielern, sogar in der Abwehr, die zu jeder Sekunde jede Position besetzen und in ihrem platzbreiten Netz Endlosserien von Kurzpässen abspulen, jeder davon präzise adressiert, trotzdem schnell, direkt und - auch unter Druck - unangestrengt. Sie beherrschen ihr rundes Spielzeug, wie es andere Sportler nur mit Händen können. Ihr fast fehlerfreies Kombinieren terrorisiert die Gegner, die Kilometer um Kilometer rennen müssen.

Barcelona ist keines jener zynisch-kühlen Konterteams, die auf Ballverluste der anderen lauern und auf die Chance zum Überfall. Barça lässt Tore entstehen, häufig über die Mitte, wo die wendigen Taktgeber Xavi und Iniesta mit Genie Messi davor im Dreieck Spaß haben.

Jeder Trainer kennt die 1000 Qualitäten von Barça. Wie aber sich wehren? Ferguson, der alte Schotte, ließ Manchester im Finale 2009 (0:2) forsch anfangen, doch in die Überrumpelungstaktik hinein fiel früh das 0:1 - danach zog Barça locker sein Ding durch, das will Ferguson diesmal vermeiden. Jose Mourinho, der kluge Trainer-Fiesling, bekämpfte Barça schon mit wechselnden Taktiken, Klubs (Chelsea, Inter Mailand, Real Madrid) und Ergebnissen - einen Königsweg fand er nicht.

Die naheliegende Idee, mit einer dichten Abwehrwand die Wege zum Tor zu sperren und Barcelona im Niemandsland passen zu lassen, bis ihr Gekreisel sie selbst einlullt statt den Gegner, hatte manchmal durchaus Erfolg. Auch Manchester nahm 2008 ein 0:0 aus Camp Nou mit, daran erinnerte sich Ferguson jetzt. Der FC Arsenal hingegen ging zuletzt in Barcelona unter, als er, seinem Stil untreu, ein Abwehrbollwerk imitierte.

Selten passiert es Barça, dass der Ballbesitz zur sinnlosen Beschäftigungstherapie wird, weil der Gegner hinten rein gar nichts zulässt. Aus dem Modus der Passketten wird blitzartig umgeschaltet zur Steilattacke in die Lücke, und in diesem Moment entfalten die Angreifer freien Spieltrieb. So werden Plan und Anarchie zur Mischkultur. Positionswechsel machen Barça unberechenbar, dazu kommt die allürenfreie Hingabe aller noch so berühmten Angreifer, im Moment des Ballverlustes in Sekunden wieder die Ordnung zu finden und die Kugel zurückzuerobern.

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Diese defensive Disziplin zermürbt Gegner fast ebenso wie das Offensivspektakel, das Pressing ist die Konterbremse Barças und die Basis, um mit der eigenen Abwehr mutig aufzurücken.

Der Büffel: Wayne Rooney von Manchester United. (Foto: Getty Images)

Manchester hofft auf seine Überraschungseffekte. Ferguson, im 25. Dienstjahr, verherrlicht nicht eine Spielidee oder ein System, wie Barça seinen heiligen 4-3-3-Code. Er coacht eine wandlungsfähige Ergebnismaschine, Uniteds Konstante ist Erfolg.

Das Team hat eine Vorliebe für Zweikämpfe, auch offensiv, es kann den Ball temporeich nach vorn befördern oder technisch noch reifer als früher kombinieren, wie im Halbfinale gegen Schalke. Es kann kontern oder gestalten, eine Abwehrmauer sein oder eine offensive Lawine. Sehenswerte Seitenwechsel, in hohem Bogen punktgenau beim Kollegen landend, sind ein markantes Merkmal, um einen Angriff zu eröffnen. Und trotz des überragenden Solisten Wayne Rooney können viele der rochierenden Angreifer ein Spiel entscheiden.

Bei den vorderen Außen gäbe es hinter Valencia und Park luxuriöse Zweitbesetzungen (Anderson, Nani). Im Sturm spielt der Bulgare Berbatow seine beste Saison, doch Ferguson findet den Mexikaner Chicharito noch besser. Auch der unermüdliche Ryan Giggs, 37, ist ein Faktor, im zentralen Mittelfeld oder links.

Ferguson kann am Samstag wählen: das zuletzt exzellent umgesetzte 4-4-1-1 beibehalten - oder einen dritten Sechser (Fletcher) als Barrikade einbauen? Eisern verteidigen oder furchtlos attackieren? Der Vorteil der Anpassungsfähigkeit hat jedoch den Nachteil, darüber zu grübeln, welche Taktik die beste ist. Das muss Barcelona nicht.

© SZ vom 28.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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