Champions League:Draxler liefert Haute Couture

Lesezeit: 3 min

  • Julian Draxler liefert beim 4:0 von Paris Saint-Germain gegen den FC Barcelona eine außergewöhnliche Leistung ab - nicht nur, weil er das 2:0 schießt.
  • Die Katalanen sind erschreckend chancenlos. Aus der Mini-Krise ist nun eine Schieflage geworden.
  • Hier gibt es alle Ergebnisse der Champions League und hier den Liveticker zum Nachlesen.

Von Martin Schneider

Julian Draxler nimmt den Ball mit einer Lässigkeit mit wie ein Kellner einen Kaffee auf den Champs-Élysées. Von rechts kommt der scharfe Pass von Mitspieler Ángel Di María, mit der Außenseite seines rechten Fußes lässt Draxler die Kugel in seinen Lauf fließen. Dann erscheint Barcelonas Sergi Roberto vor ihm, Draxler geht mit dem rechten Fuß über den Ball, Übersteiger eins, er geht wieder mit dem rechten Fuß über den Ball, Übersteiger zwei. Dann wackelt er nach links, Roberto ist zu langsam, er schießt und Marc-André ter Stegen reißt im Tor des FC Barcelona noch den rechten Arm hoch. Kein Tor. Das schießt Draxler dann einfach sechs Minuten später.

4:0 stand es am Ende auf der Anzeigetafel im Prinzenparkstadion. 4:0 bezwingt Paris Saint-Germain den FC Barcelona in Achtelfinale der Champions League, und dieses zuvor unwahrscheinliche Ergebnis hat viel mit der Leistung von Julian Draxler zu tun. Aktionen wie in der 34. Spielminute, als er Sergi Roberto austanzte wie ein Salsa-Meister einen hüftsteifen Senior, gab es zuhauf in diesen bemerkenswerten 90 Minuten.

Pressestimmen
:Barça ist "ein Team ohne Seele, ohne Stolz oder Herz"

Der FC Barcelona ist in der Champions League wie "eine Marionette in den Händen von PSG". Die Pressestimmen zum 0:4 der Katalanen in Paris.

Seitdem Julian Draxler im Winter aus Wolfsburg weg durfte, spielt er wie verwandelt. Mehr Seine als Mittellandkanal, mehr Eiffelturm als Fabrikschornstein und an diesem Abend endgültig Haute Couture statt Designer Outlet am Hauptbahnhof. Draxler und Paris zerlegten die Erfinder des schönen Spiels mit schönem Spiel. 16 zu sieben Torschüsse für Paris standen am Ende auf dem Statistikblatt. Was dort nicht stand, war die fast schon erschreckende Chancenlosigkeit des FC Barcelona. Symbolisch war es Lionel Messi, der vor dem 2:0 den Ball im Mittelfeld verlor und nach seinem Fehler zurück schlurfte, um sich aus sicherer Distanz anzuschauen, wie Draxler die Kugel an ter Stegen vorbeischob.

"Es war eine unglaubliche Nacht für uns", sagte Draxler später. "Ich fühle mich sehr wohl in der Stadt und im Verein. Die Motivation war uns allen ins Gesicht geschrieben."

"Wir konnten uns keinen besseren Abend vorstellen", sagte auch Di Maria später in die Fernsehmikrofone. Er schoss das 1:0 per Freistoß, den er so flach über die Mauer zwirbelte, dass ter Stegen nur gucken konnte. Er traf außerdem zum 3:0 mit einem Schlenzer nach einer Kombination, die bei PSG-Torwart Kevin Trapp startete und bei der jeder Spieler von Paris jeden Spieler von Barcelona schlecht aussehen ließ.

In der Umkleide warten Kuchen auf zwei PSG-Spieler

Di Maria feierte später in der Kabine mit einem Kuchen, auch Edinson Cavani hatte einen zur Feier des Tages bekommen. Beide hatten Geburtstag, und der Stürmer aus Uruguay schoss auch noch das 4:0. Dabei prügelte er den Ball mit einer Wucht ins Tor, bei der man vergessen konnte, dass ein gewisser Zlatan Ibrahimovic Paris erst diesen Sommer gen Manchester verlassen hatte und es hieß, die großen Zeiten des aus Katar alimentierten Klubs seien eigentlich vorbei.

Doch da haben viele Experten offenbar den Faktor Unai Emery vergessen. Der Baske ist ja unter anderem deswegen Trainer beim französischen Hauptstadtklub geworden, weil er mit dem FC Sevilla dreimal in Serie die Europa League gewann und man ihm darum eine gewisse Kompetenz in K.o.-Spielen zubilligte. Paris dominierte über Jahre die Liga, scheiterte aber auf europäischer Bühne stets konsequent. Nun ist Paris in der Liga nicht mehr Erster, aber dafür liefert Emery das internationale Ergebnis, dass sich Nasser Al-Khelaïfi, der katarische Präsident des Klubs, gewünscht hat.

"Ich bin sehr zufrieden. Wir haben ein großes Match gespielt", sagte Emery. Ob das Trio Cavani-Draxler-Di Maria Barcelona überrascht habe, wurde er noch gefragt. "Cavani und Di Maria sind schon gestandene Spieler, Draxler wird sich bei uns entwickeln. Aber sie harmonieren sehr gut zusammen", antwortete Emery.

Der FC Barcelona versuchte erst gar nicht, das Debakel schön zu reden. "Sie waren besser als wir", sagte Barcelonas Stratege Sergio Busquets nach dem Spiel. "Es gibt eine einfache Erklärung", meinte Barca-Trainer Luis Enrique. "Unser Gegner war uns überlegen, sie haben die meisten Zweikämpfe gewonnen und waren sehr effektiv."

Durch das 0:4 ist aus der Mini-Krise des FC Barcelona nun eine ausgewachsene Schieflage geworden. Seit Wochen überzeugt das Team mit dem mutmaßlich besten Sturm der Welt (Messi-Suarez-Neymar) nicht so richtig. In der Liga stehen die Katalanen hinter Real Madrid, obwohl der große Rivale zwei Partien weniger gespielt hat. Im Pokal kamen sie soeben gegen Atlético Madrid ins Finale, beendeten das Spiel aber nur zu neunt.

Im Rückspiel gegen Paris am 8. März muss Barcelona nun mindestens selbst vier Tore erzielen. Das ist ihnen natürlich schon in manchen Champions-League-Spielen gelungen. Aber als die Katalanen zuletzt mit so einer Hypothek in ein Rückspiel gingen, setzte es nochmal ein 0:3. Das war vor vier Jahren gegen den FC Bayern München. Doch Julian Draxler wiegelte ab: "4:0 ist ein super Ergebnis. Aber wir sind natürlich gewarnt, im Camp Nou sind schon ganz andere Dinge passiert. Von daher sind wir sicherlich noch nicht durch. Jetzt gilt es, die Nacht zu genießen, so ein Spiel erlebt man nicht alle Tage."

© SZ.de/schm - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Paris Saint-Germain
:Julian Draxler - befreit vom bösen Zauber

In Wolfsburg wurde der Nationalspieler als "Söldner" fortgejagt. Bei Paris Saint-Germain tritt Draxler wie verwandelt auf. Fans und Mitspieler schwärmen.

Von Carsten Scheele

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: