Was machte Magdalena Neuner am Samstagabend bei der Siegerehrung im Ruhpoldinger Championspark? Sie lächelte. Wie sie es immer tut. Ob vor dem Start, im Ziel, bei Pressekonferenzen oder mit Fans: Es ist dieses Lächeln, das Sicherheit ausstrahlt. Ein Lächeln, das sagt: Ich weiß, was ich hier tue. Und mir kann nichts passieren.
Manche Menschen, die im Biathlon-Sport etwas zu sagen haben, hatten in den vergangenen Tagen leise Zweifel angemeldet. Etwa Wolfgang Pichler, der deutsche Coach der russischen Mannschaft. Nicht, weil Pichler Neuner etwas Böses wollten. Sondern weil er die Größe ihrer Aufgabe begriff: Sechs Medaillen in sechs Wettbewerben hatte Neuner vor der WM zum Karriereende versprochen. Nicht unvorsichtig in einem Interview, sondern immer wieder, mit Nachdruck. Eine Medaille bei jedem Start.
Kann ein Mensch das schaffen? Sich dem größtmöglichen Erfolgsdruck aussetzen - und bestehen? Vor allem bei einer Heim-WM, die Sportlern normalerweise psychisch noch mehr abverlangt als ein Wettkampf fern der Heimat?
Manch Sportgröße hatte es versucht und ist gescheitert, nur wenige haben es geschafft: Der junge Ole Einar Björndalen vielleicht, als er den Männer-Biathlon noch mit lässiger Arroganz dominierte, weil er mit Abstand der Beste war. Oder Muhammad Ali, der große Boxer, der Archie Moore einst ankündigte, ihn in der vierten Runde K.o. zu schlagen. Und es tatsächlich tat.
Die Art und Weise, wie Magdalena Neuner Gold im WM-Sprint gewann, passt in diese Reihe. Denn Neuner war in einer arg komplizierten Situation: Sie ging als letzte Favoritin ins Rennen - und muss unterwegs mitbekommen haben, wie ihre Konkurrentinnen gute Zwischenzeiten vorlegten. Und vor allem sehr gut schossen. Domratschewa, Ekholm, Brunet. Ein Schießfehler, eine Strafrunde und die Medaillenränge wären wohl futsch gewesen. Und damit auch ihre sehr selbstbewusste Ankündigung vor der WM.
Doch Neuner wackelte nicht. Kein bisschen. Sie schoss brillant, schnell und ohne Wackler, verausgabte sich in der Loipe, ohne Stolperer. Im Ziel küsste sie zur Schau ihren Bizeps und lachte, blickte in Richtung von Disziplintrainer Fritz Fischer. Der lachte zurück. Warum sollte sie nicht vier weitere Medaillen holen? Warum nicht?
Es sei ganz wichtig, sich auf sich selbst zu konzentrieren, sagte Neuner nach dem Rennen. Ihr eigenes Ding zu machen, dies sei das Geheimnis. Ein Teil von Neuners Erfolgskonzept.
Ein anderer Teil des Erfolgskonzepts: das Wissen, was man sich zumuten kann. Sich vorher zu überlegen, ob es die eigenen Nerven aushalten. Magdalena Neuner hat ein solches Gefühl für ihre Nerven. Vielleicht die stärksten im aktuellen Profisport.