Wintertourismus:Schnee war's

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Urlauber, die es auf die Piste zieht, sind für viele Alpenregionen wichtig. Andere Klientel ist noch kaum in Sicht. (Foto: Johannes Simon)

Die Skigebiete in den Alpen investieren immense Summen für immer weniger Skifahrer. Ein paar Orte denken deshalb um und setzen auf Neues.

Von Hans Gasser

Jetzt, wo der lang ersehnte Schnee endlich gefallen ist, sind sie nicht mehr zu halten. Wer am vergangenen Wochenende in einem Skigebiet war, etwa am Sudelfeld in Bayern, wo bisher trotz neuer, millionenteurer Beschneiungsanlage fast gar nichts ging, der sah: übervolle Parkplätze, Schlangen an den Kassen, buntes Gewusel von Kindern auf den Übungshängen und euphorische Skifahrer auf den Pisten.

Der Skizirkus kommt in Fahrt, die Faschingsferien stehen bevor, ein frühes Ostern. Das nährt die Hoffnung, dass die Skisaison doch erfolgreich wird. Das sollte sie, denn viele Skigebiete haben stark investiert. Am Sudelfeld waren es 13 Millionen Euro, drei Millionen davon als umstrittener staatlicher Zuschuss, weil das Skigebiet nur bis auf 1500 Meter reicht, in Zeiten des Klimawandels ist das ein Wagnis.

Egal, wie sich der Winter in den Alpen noch entwickelt, ein Verlierer scheint schon vorher festzustehen: die Schweiz. Nicht nur die Frankenaufwertung vor genau einem Jahr, sondern das allgemein hohe Preisniveau von Hotels und Bergbahnen setzen den Schweizer Wintersportgebieten arg zu. Laut einer aktuellen Studie der ETH Zürich, die Prognosen für den Schweizer Tourismus abgibt, hat die Zahl der Nutzer von Bergbahnen, sogenannte Ersteintritte, im Winter zwischen 2003 und 2015 um ein Viertel abgenommen. Das ist im alpenweiten Vergleich ein herber Verlust von Marktanteilen.

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Profitieren konnten davon vor allem österreichische und deutsche Skigebiete, allerdings nicht in vollem Umfang. Zwar liegt die Zahl der Ersteintritte in deutschen Skigebieten 2015 laut der ETH-Studie um etwa 20 Prozent höher als 2003, jedoch ausgehend von einem sehr geringen Niveau. Im selben Zeitraum blieb die Zahl der Skitouristen in den zwei wichtigsten Skisportländern Österreich und Frankreich - zusammen decken sie zwei Drittel des europäischen Marktes ab - nahezu gleich.

Die Zahl der Skifahrer wird also trotz hoher Investitionen und Skigebiets-Zusammenschlüssen nicht größer. Es geht offensichtlich nur darum, ein Stück des gleich großen Kuchens mit immer höherem Aufwand zu verteidigen. Allein in Österreich, wo der Wintertourismus politisch eine sehr hohe Priorität genießt, haben die Seilbahnen seit dem Jahr 2000 ganze acht Milliarden Euro investiert, in neue Lifte, Beschneiungsanlagen, Pisten. Die Umsätze konnte man dadurch aber nur unwesentlich steigern, seit 2008 sind sie im Wintertourismus rückläufig, wie aus einer Studie der Österreich-Werbung hervorgeht. "Da fragen wir uns schon, ob der hohe Aufwand noch gerechtfertigt ist, nicht nur finanziell, sondern auch umweltmäßig", sagt Katharina Conradin, Präsidentin der Alpenschutz-Organisation Cipra.

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Für die großen und hoch gelegenen Gebiete seien Investitionen sinnvoll, weil davon ganze Regionen lebten. Aber kleine und mittelgroße Skigebiete stünden vor großen Herausforderungen, sagt Conradin. "Die müssen den Sommer stärker gewichten, im Winter Gastronomie und Ausflüge in den Vordergrund stellen und nicht das reine Skifahren." Im Toggenburg und in St. Anthönien in der Schweiz sowie am Mieminger Plateau in Tirol funktioniere das bereits gut, sagt Conradin: "Es findet schon ein langsamer Wandel statt."

Das haben sogar die relativ erfolgsverwöhnten Österreicher erkannt. "Skifahrer sind für uns zwar immer noch die wichtigste Gruppe von Wintergästen", sagt Ulrike Rauch-Keschmann, Sprecherin der Österreich-Werbung, "aber Wachstumspotenzial hat vor allem der Wintererholungsgast." Und der Städtetourismus. Mit ihrem Kulturangebot und Adventsmärkten lockten die Städte so viele Gäste, dass zwei der drei Millionen zusätzlichen Übernachtungen in Österreich in den vergangenen fünf Wintern hier verbucht werden.

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Und Wintererholungsgäste sind eben jene, die im Bergdorf eher Schlittenfahrten, Wintermärkte, Wellness und gemütliche Ausflüge in die verschneite Natur unternehmen wollen, als Skifahren oder Langlaufen zu gehen. Für den sanften Urlaub interessieren sich laut einer repräsentativen Umfrage der Österreich-Werbung 8,7 Millionen Menschen in der deutschsprachigen Bevölkerung, also fast ebenso viele wie für den Wintersport (9,3 Mio.). "Die wollen wir gezielt ansprechen mit solchen Angeboten", sagt Rauch-Keschmann. "Und selbst die Wintersport-Touristen gehen nicht mehr sieben Tage pro Woche Skifahren."

Dass Skigebiets-Zusammenschlüsse nicht unbedingt mehr Übernachtungsgäste bringen, zeigt das Beispiel Alpbachtal-Wildschönau in Tirol. Dort wollte man den starken Gästeschwund mit einem Zusammenschluss der zwei Skigebiete bekämpfen. Seit 2012 gibt es dort den Verbund "Skijuwel" mit 109 Pistenkilometern und 47 Liften. Im ersten Winter hatte man sieben Prozent mehr Übernachtungen. In der vergangenen Wintersaison lagen sie allerdings wieder leicht unter dem Niveau von vor dem Zusammenschluss.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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