Fischer auf Mallorca:Guter Fang

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Was die Fischer rausholen, wird auf dem Markt von Palma verkauft, im Sommer zu Bestpreisen - wegen der vielen Touristen. (Foto: Brigitte Kramer)

Auf Mallorca können neuerdings Gäste Fischer zur Arbeit aufs Meer begleiten - gegen Bezahlung natürlich. Romantisch ist so ein Ausflug nicht, aber hochinteressant.

Von Brigitte Kramer

Lärm. Ununterbrochen. Stundenlang. Ein lautstarker Motor treibt das Schiff hinaus vor die Küste Mallorcas. Es ist fünf Uhr morgens. Zum Reden sind die drei Seeleute und der Kapitän noch zu müde. Es wäre sowieso zu laut. Nur in der Kombüse und auf der Kapitänsbrücke kann man sich einigermaßen unterhalten. Aber Fischeridylle darf eben auch nicht erwarten, wer auf einem 20 Meter langen Schleppnetz-Trawler aufs Meer hinausfährt.

Neuerdings nehmen Mallorcas Fischer Touristen mit, für Geld, klar. Das Versprechen heißt: Brise in den Haaren spüren, über das Wasser gleiten, die Fischer an ihrem Arbeitsplatz erleben. Hier, auf dem Trawler Nuevo Pep Domingo, teilen sie die Kombüse mit den Touristen, braten ihnen frisch gefangenen Fisch, zeigen ihnen, wie man die Netze auslässt und einholt, wie man den Fang sortiert, welche Fische vor der Küste leben. Und der Gast lernt, warum Fisch eigentlich viel teurer sein müsste, als er ist. Die Arbeit auf einem Trawler, das sind lange, harte Schichten. "Wir wissen, wann wir anfangen, aber wir wissen nicht, wann wir aufhören", sagt der Seemann Mohamed. "Wir fahren so lange, bis die Kühltruhe voll ist."

"Man weiß, wann die Arbeit beginnt, aber nicht, wann sie endet." Das Fischen im Mittelmeer ist Knochenarbeit. (Foto: Brigitte Kramer)

"Raus mit dem Netz!", befiehlt denn auch der Maschinist Juan Ramón Mercant, als der Schleppnetz-Trawler vier Meilen zurückgelegt hat. Hinter ihm leuchtet die Lichterkette des Hafens. Sechzehn Fischerboote gibt es in Cala Rajada, dem Hafen, von dem aus die Nuevo Pep Domingo gestartet ist. Vier davon sind Schlepper, der Rest arbeitet mit Langleinen und Reusen. Neben dem Hafen liegt eine dunkle Hügelkette, auf der anderen Seite blinkt das weiße Licht des Leuchtturms. Mallorca schläft noch.

An Bord herrscht Aufregung. Es geht los. Mohamed und Juan, zwei junge, muskulöse Burschen, stehen am Fangdeck, links und rechts neben der großen Netzwinde. Dahinter arbeitet Juan Ramón Mercant, er lässt den Motor der Winde an. Langsam rollt das Netz herunter, die Fischer ziehen es in Richtung Heck. Alle sind konzentriert und angestrengt. Es ist der wichtigste Moment des Tages. Nervöses Rufen. "Nicht so weit raus!" "Halt fest!" "Lass locker!" "Vorsicht!" Das Schleppnetz ist an dicken Ketten und Seilen befestigt und läuft über zwei Ladebäume, bevor es sanft ins Wasser gleitet und dann wie unter einer dunklen Decke verschwindet.

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Das Netz ist 2000 Meter lang. Wollen die Fischer Garnelen fangen, die weit draußen leben, wo das Meer tief hinabreicht, lassen sie viel Netz von der Winde. Heute aber wird im flachen Wasser gefischt: Kraken, Tintenfische, Streifenbarben, Steinbutt, Drachenkopf, Seeteufel, Brassen und Rochen sollen ins Netz gehen. Verhakt oder verdreht sich das Netz, gehen die Fischer leer aus. Kein Fang, kein Geld. Ein Viertel der Tageseinnahmen steht ihnen zu. Ist der Ertrag zu gering, hat Kapitän Juan Mercant, der ähnlich heißt wie sein Cousin, der Maschinist, ein Problem. Der Treibstoff für einen Tag kostet bis zu tausend Euro. Fischer zu sein, ist seit jeher ein Knochenjob. Und je weniger Fische es im Mittelmeer gibt, umso schwieriger wird es für die verbliebenen Fischer.

Die spanischen und die balearischen Behörden schreiben den Fischern der Balearen vor, wohin und wann sie ausfahren können und was sie fangen dürfen. Derzeit sind auf den Balearen rund 600 Fischer registriert, gut ein Viertel weniger als vor zehn Jahren. Schleppnetzfischerei ist stark umstritten, vor allem wegen des vielen Beifangs. Die 42 Schleppnetz-Trawler der Flotte fahren neuerdings nicht mehr jeden Tag raus, um die Bestände zu schonen. Gefangen wird folglich weniger, weshalb die Preise steigen.

SZ-Karte (Foto: SZ-Karte)

Juan Mercant gibt Gas. Das Netz wird jetzt durchs Wasser gezogen. Zwei, drei Stunden lang gibt es nichts zu tun. Mohamed, der Marokkaner, legt sich in der Kajüte aufs Ohr. Juan, der Mallorquiner, setzt sich aufs Vorderdeck und raucht eine Zigarette. Die Fahrt führt nach Nordosten, Richtung Menorca. Kein Lüftchen regt sich. Vor Juans Augen spannt sich der Horizont. Er ist zartrosa, eine feine Linie zwischen Himmel und Meer. Möwen und Sturmtaucher kommen angeflogen. Sie kennen das: Bald gibt es Futter.

Juan Ramón Mercant hantiert in der Kombüse. Er stellt Plastiktassen und eine Kilopackung Zucker auf einen kleinen Resopaltisch, der am Boden festgeschraubt ist. Dann holt er eingeschweißte Croissants und Magdalenas. Auf dem Gasherd zischt der Espressokocher. Es ist halb sieben. Die Sonne geht auf.

Etwas später kommt der Trawler vorbei an der Reserva Marina de Llevant, einem der sechs Meeresschutzgebiete Mallorcas. Es wurde 2007 eingerichtet und im vergangenen Jahr erweitert, auf Initiative der Fischer. "Vorsicht, da dürfen wir nicht ran", sagt Kapitän Mercant und blickt weiter auf die Bildschirme. Zweitausend Hektar, in denen überhaupt nicht gefischt werden darf. Sechstausend Hektar, die mit Einschränkungen genutzt werden. "Ohne diese Schutzgebiete gäbe es hier nichts mehr", sagt er, "dort wächst alles nach." Er zeigt auf die Abrechnung der Fischhalle von Palma. Dort hat er am Vortag Fisch für 3114,27 Euro verkauft. "Das ist richtig gut", sagt Mercant. "Im Sommer sind die Preise hoch, wegen der Touristen." Gekauft haben Supermärkte, kleine Hotels, Fischhändler. Der Steinbutt ging für 30 Euro das Kilo weg.

Dann muss der Kapitän manövrieren. "A la mar! Aufs Meer!", ruft er in den Bord-Lautsprecher. Mohamed springt aus der Kajüte, mit verquollenen Augen. Juan kommt aus der Kombüse. Er hat auf einer Bank ein Nickerchen gehalten. Die Männer schlüpfen in gelbe, wasserdichte Latzhosen und grüne Gummistiefel. Es ist halb neun. Das Netz muss eingeholt werden. Juan Ramón Mercant aktiviert die Winde. Tropfend kommen zuerst Ketten und Seile aus dem Wasser, es folgt das Netz, und darin, am Ende, der Fang: rosa Fische zwischen grünen Algen, rote Seesterne, lila Schwämme, helle, sich kringelnde Tintenfischarme.

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Von Brigitte Kramer

Das Netz, das nun prall über dem Deck hängt, öffnet sich langsam, der Fang quillt heraus. Jetzt muss alles schnell gehen. Der Beifang wird aussortiert und ins Meer geworfen. Anordnung aus Brüssel. Eine halbe Stunde, so die Faustregel, halten lebende Meerestiere an Bord durch. Möwen und Sturmtaucher sind zurückgekehrt. Sie kennen die Anordnung wohl auch. Die Männer knien sich auf den Boden, niemand spricht. Sie ziehen zwischen den Algen Kraken, Seeteufel und Rochen heraus, viele kleine Streifenbrassen, werfen sie treffsicher in blaue Wannen, sortiert nach Art und Größe. Alles, was nicht essbar, zu klein oder schon tot ist, kommt in den Resteeimer. Der steht direkt an der Reling und wird immer wieder über Bord gekippt.

Das ist der Moment der Möwen und Sturmtaucher. Sie schnappen im Flug zu, machen dabei einen Höllenlärm. Die Sturmtaucher holen sich ihre Beute auch noch unter Wasser. Auch ein paar Delfine sind zu sehen. Ihre hellgrauen Rücken glänzen in der Sonne. Sie fressen das, was Möwen und Sturmtaucher nicht erwischt haben.

Alles, was nicht essbar, zu klein oder schon tot ist, kommt in den Resteeimer und wird immer wieder über Bord gekippt. Das ist der Moment der Möwen und Sturmtaucher. (Foto: Brigitte Kramer)

Und dann ist es auch schon vorbei. Die Männer haben alles aussortiert und das Deck gesäubert. Die vollen Wannen liegen in einer großen, mit Eis gefüllten Truhe. Das Netz wird zum zweiten Mal ins Meer gelassen. Wieder zwei, drei Stunden warten. Langsam wird es warm. Juan und Mohamed ziehen ihre T-Shirts aus und blicken aufs Meer. Auf Juans tätowierte, muskulöse Schultern brennt die Sonne. Mohamed verschwindet wenig später wieder in der Kajüte. Der Motor scheint leiser zu brummen. Ruhe kehrt ein. Noch immer kein Lüftchen. Juan Ramón Mercant steht am Gasherd.

Es riecht nach angebratenen Zwiebeln. Er hat vom Fang ein paar Tintenfische und Streifenbrassen abgezwackt und bereitet sie zum Mittagessen zu. "Wir essen hier immer das Gleiche. Fisch im Reistopf oder in der Nudelpfanne. Nur am Freitag mach' ich Fleisch", sagt er und schneidet eine Knoblauchzehe klein. Wenn das Wetter gut ist, dann gibt's auch mal Pommes. "Aber bei Sturm ist das schwierig", sagt er lachend, "dann springt hier alles aus der Pfanne." Er bereitet alles vor, dreht dann aber das Gas ab. Er will noch auf den zweiten Fang warten. "Vielleicht geht ein Krebs ins Netz, den tun wir dann dazu."

Der Krebs überlebt. Das Essen schmeckt trotzdem allen. Insgesamt dreimal lassen die Männer an diesem Tag das Netz ins Meer, dann ist die Kühltruhe voll. Um fünf Uhr nachmittags läuft die Nuevo Pep Domingo in den Hafen ein. Eis schleckende Touristen schlendern über die Mole, schauen neugierig beim Ausladen zu. Sie haben etwas verpasst.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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