Reisebuch:Muster einer Insel

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Dem Fotografen Michael Poliza konnte es bislang nicht entlegen und wild genug sein. Jetzt aber hat er Mallorca mit der Kamera porträtiert.

Von Stefan Fischer

Eine Woche Mallorca: Für viele Menschen bedeutet das, sich ein paar Tage zu entspannen. Meistens am Strand, seltener auf einer Finca. Ein, zwei kleine Ausflüge vielleicht. Ansonsten aber nur: nichts tun zwischen Frühstücks- und Abendbuffet, wahlweise am Pool oder im Meer. Eine Woche Mallorca kann aber auch anstrengend sein, wenn man zum Radfahren kommt, zum Segeln, zum Feiern. Oder, wie Michael Poliza, zum Arbeiten.

Eine Woche lang ist der Hamburger Fotograf im vergangenen Sommer jeweils von 4 Uhr morgens bis nach Sonnenuntergang über die Insel gehetzt, oft mit dem Auto, manchmal mit dem Fahrrad, hin und wieder mit einem Helikopter. Häufig hat er eine Drohne aufsteigen lassen, die überall dorthin geflogen ist, wo er selbst nicht hingelangen konnte. In diesem Frühjahr war er noch einmal für drei Tage auf der Insel, während der Mandelblüte, die aber nicht so üppig ausgefallen ist, wie er gehofft hatte.

In zehn Tagen also hat Michael Poliza die fotografische Ausbeute für seinen Bildband "Mallorca" beisammen gehabt. Wenn man weiß oder wenigstens ahnt, bei welchem Licht man wo zu sein hat, dann lässt sich eine fotografische Recherche auf Mallorca offenbar im Akkord erledigen. Der Band "Mallorca" ist in zweierlei Hinsicht überraschend. Zum einen hat sich Michael Poliza seinen guten Namen bislang als Fotograf der Wildnis gemacht - Bücher über Afrika und die arktischen Regionen haben ihn berühmt gemacht. Nun wendet er sich zum ersten Mal einer Kulturlandschaft zu, deren Infrastruktur überdies maßgeblich von der Tourismusindustrie geprägt ist. Zum ersten Mal auch - und das ist die zweite Überraschung - fußt ein Buch Polizas auf einer Auftragsarbeit. Der Stern hatte ihn nach Mallorca entsandt für eine Bilderserie, die der Fotograf dann ausgebaut hat zu diesem Bildband.

Ästhetisch sind die Aufnahmen wiedererkennbar als Poliza-Bilder, trotz der im Vergleich zur Savanne Afrikas und den polaren Eiswüsten gänzlich anderen Landschaft der Balearen-Insel. Viele der Fotografien sind aus der Luft aufgenommen, Michael Poliza hat ein Auge für die geometrischen und grafischen Muster. Motorboote in einem Hafen, Sonnenschirme am Strand, Menschen im Wasser - sie erscheinen bei ihm als eine Struktur, als ein organisches Ganzes, beinahe wie eine stark vergrößerte chemische Verbindung.

Dazwischen finden sich aber immer wieder auch Naturmotive: das Tramuntana-Gebirge, die verschiedenen Kaps und Buchten. Man staunt immer wieder, wie ursprünglich Mallorca teilweise immer noch ist, trotz der bis zu 180 000 Touristen, die zu Spitzenzeiten an einem einzigen Tag einfliegen. Diese Abgründe hat Michael Poliza gemieden. Alles Widerwärtige des Massen- und vor allem des Sauftourismus auf der Insel findet in seinem Buch nicht statt. Eine Beschönigung? Nicht unbedingt. Wer in wenigen Tagen so viel Anmut entdeckt, kann allzu selektiv nicht vorgegangen sein.

Michael Poliza : Mallorca. Verlag teNeues, Kempen 2017. 224 Seiten, 39,90 Euro.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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