Wahlkampf:Martin Schulz' vergebliche Suche nach dem zündenden Thema

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Wenn SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz das Wahlprogramm vorstellt, bleibt kein Thema hängen. (Foto: dpa)

Der Kanzlerkandidat der SPD berührt im Wahlkampf gute und wichtige Themen. Aber es sind zu viele, und keines davon macht ihn oder die Partei identifizierbar.

Kommentar von Heribert Prantl

Der Wahlkampf des Martin Schulz erinnert an den Refrain des Songs, mit dem einst Klaus Lage berühmt geworden ist: "Tausendmal berührt, tausendmal ist nix passiert." Der Unterschied zwischen diesem Song und dem SPD-Wahlkampf besteht darin, dass Klaus Lage erstaunt davon singen kann, dass es dann doch "Zoom gemacht" hat. Genau das will bei Schulz und dem SPD-Wahlkampf einfach nicht klappen. Schulz berührt tausend Themen, darunter gute und wichtige, aber es zündet nichts. Seinem Wahlkampf ergeht es wie dem Zündholz, das die richtige Reibefläche nicht findet.

Schulz, immer auf der Suche nach dem "Zoom", hat soeben, bei einer Wahlkundgebung in Trier, den Abzug der noch in Deutschland verbliebenen US-Atomwaffen gefordert; sie lagern auf dem deutschen Luftwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel. Vor 35 Jahren, zu Zeiten der Nachrüstungsdebatte, hätte bei einer solchen Forderung eines SPD-Chefs die Republik gebebt. Heute lockt das nur die Protestszene rund um den Fliegerhorst. Warum?

Zum einen wohl deshalb, weil das Atomarsenal in Büchel lange nicht mehr so groß ist wie früher, an die zwanzig Atombomben sollen es immer noch sein; und schon Guido Westerwelle hat einst den Abzug gefordert und (vergeblich) ins Koalitionsprogramm mit der Merkel-CDU schreiben lassen.

Zum anderen macht sich die Angst vor dem Atomaren heute an anderen Dingen fest: In der Städteregion Aachen samt umliegenden Landkreisen werden vom 1. September an in einer Großaktion Kaliumjodidtabletten verteilt - für den Fall eines Reaktorunfalls im belgischen Kernkraftwerk Tihange. So sollen im Ernstfall Strahlenschäden an der Schilddrüse verhindert werden. Der Wähler fragt sich da, ob deutsche Politiker, Schulz inklusive, einen an der Kappe haben, wenn ihnen zur Abwendung des atomaren Irrsinns nur Tabletten einfallen.

Selbst die Konkurrenz macht Pläne für Schulz

Schulzens Wahlkampf springt auf so vielen Feldern herum, dass man ihm prägnante Themen nicht zuordnen kann. Wenn Schulz den zweiten Teil seines Wahlprogramms vorstellt, weiß man nicht mehr, was im ersten Teil stand. Es gehört mittlerweile zu den politischen Gesellschaftsspielen bei Abendeinladungen, einen Schulz-Plan zu entwerfen, der den für Merkel schon entschiedenen Wahlkampf wieder offen macht. Bei einer solchen spielerischen Gelegenheit entwickelte ein kampferprobter CSU-Mann ein Drei-Punkte-Konzept für Schulz wie folgt: Erstens das Versprechen an die Wähler, dass künftig jeder Flüchtling und jeder Einwanderer arbeiten darf beziehungsweise muss. Zweitens das Versprechen, dass binnen kurzer Frist jeder deutsche Soldat aus dem Ausland abgezogen wird - nach dem Vorbild des Kanadiers Justin Trudeau. Drittens das Versprechen, zum ersten Advent den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, so dass der Bürger das ersparte Geld für Weihnachtsgeschenke verwenden kann.

Man kann derlei als blauäugig, albern oder gefährlich bezeichnen. Aber es legt den Finger auf die Wunde: Die SPD ist im Wahlkampf 2017 nicht identifizierbar.

© SZ vom 24.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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