Nach Brexit:Der Brexit - Vorbote für das, was Amerika bei der Präsidentschaftswahl droht

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US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump nach der Brexit-Volksabstimmung in Schottland. (Foto: AP)

Angst vor Migranten, ein diffuser Wunsch nach Kontrolle: In den USA setzt der Präsidentschaftsbewerber die gleichen Kräfte in Gang, die zum Brexit geführt haben.

Kommentar von Nicolas Richter

Ihren Brexit haben die Amerikaner schon seit 1776 hinter sich: Aus Abscheu vor der Bevormundung aus London haben sie das Vereinigte Königreich vor 240 Jahren verlassen. Seitdem sind sie ein unabhängiges Land geblieben, aber auch ein global stark vernetztes Land geworden: ein Einwanderungsland, das sich militärisch weltweit einmischen kann und aggressiv für freien Handel wirbt.

Präsident Barack Obama, ein Internationalist im besten Sinne, will sein Land noch mehr öffnen. Er reicht alten Feinden die Hand, kämpft für Freihandel über Pazifik und Atlantik hinweg, setzt militärisch auf breite Koalitionen. Amerikas illegalen Einwanderern will er ein Bleiberecht gewähren. Obama warnt gern davor, aus Angst vor der Globalisierung die Zugbrücke hochzuziehen. Er warnt vor dem Trugschluss, man könne die Welt auf Abstand halten.

Wie 1776, nur umgekehrt: Der Unmut ist der gleiche

Doch jetzt muss er zwei Niederlagen hinnehmen. Sein mitfühlendes Ausländerrecht ist am Obersten Gericht zerschellt, und entgegen seinem Rat verlassen die Briten die EU. Es ist wie 1776, nur umgekehrt. Diesmal tun die Briten in Gestalt ihrer Brexit-Prediger so, als würden sie von der Kolonialmacht Brüssel beherrscht, die sie fernsteuert, mit kleinlichen Vorschriften schikaniert und ihnen ihr Geld wegnimmt.

US-Präsidentschaftskandidat
:Donald Trump: Briten "besser dran" ohne die EU

Großbritannien sollte seiner Meinung nach die Europäische Union verlassen, sagt der Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Die Brexit-Empfehlung begründet er mit der Flüchtlingskrise.

Der Brexit geht Amerika durchaus nah. Die Kräfte, die das Vereinigte Königreich aus Europa drängen, entsprechen jenen, die auch in den USA nach Rückzug und Abschottung verlangen. Es mischt sich der Unmut über stagnierende Löhne, Angst vor der Zukunft, Ressentiments gegen Ausländer, Abscheu vor der Elite. In Amerika dachte das Volk schon immer isolationistischer als die Regierung. Aber jetzt ist der Unmut so groß wie lange nicht, und in Donald Trump hat er einen selten rücksichtslosen Aufrührer gefunden.

Der Brexit ist Vorbote dessen, was Amerika im Herbst erwartet

So gesehen, ist der Brexit ein Vorbote dessen, was Amerika bei der Präsidentschaftswahl im Herbst droht. Anders als Obama, will Trump die Zugbrücken hochziehen, eine Grenzmauer bauen, elf Millionen Illegale rauswerfen, Muslime fernhalten, in einen Handelskrieg mit China ziehen, die Nato infrage stellen. Trump hat die Wahl zu einem Referendum darüber erklärt, ob die USA die Zugbrücken hochziehen, mehr noch: Er tut so, als müssten die Amerikaner zum zweiten Mal nach 1776 ihre Unabhängigkeit erklären von ausländischen Mächten.

Natürlich lässt sich das Brexit-Ergebnis nicht unmittelbar auf die USA übertragen. Im Herbst stehen Personen zur Wahl, nicht nur eine Idee, es wird auch auf Charakter und Temperament jener ankommen, die ins Weiße Haus streben. Außerdem fehlt den Amerikanern ein solch klar umrissenes Feindbild, wie es "Brüssel" für die Briten war. Vor allem aber entscheidet in den USA das Volk nicht unmittelbar. Es sind Wahlleute, die das Staatsoberhaupt wählen, und dieses System hilft seit Längerem eher den Demokraten, also Obamas Wunschnachfolgerin Hillary Clinton.

USA und Großbritannien ignorierten die Sorgen ihrer Bürger

Trotzdem sollten die Demokraten den Brexit als eindringliche Warnung begreifen, denn es bleiben etliche Gemeinsamkeiten zwischen Brexit-Abstimmung und der US-Wahl. Beide sind ganz überwiegend Referenden über Ausländer, Zuwanderung, Weltoffenheit. An beiden Abstimmungen nehmen Millionen Menschen mit sehr berechtigten Sorgen teil, vor Terrorismus, Arbeitsplatzverlust, stagnierenden Einkommen; und diese Sorgen wurden von Regierenden in beiden Ländern zu lange ignoriert. Vor allem aber stimmen jeweils Millionen Menschen ab, die den Status quo und das alte politische Personal nicht mehr ausstehen können und die einen Umbruch um beinahe jeden Preis herbeisehnen. Der Brexit und Donald Trump verkörpern diesen Umbruch: Sie verheißen Unabhängigkeit, vom Ausland, aber vor allem auch von der Politik in ihrer bisherigen Gestalt.

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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