Gesundheitsreform in den USA:Abweichler gefährden Trumpcare

Lesezeit: 3 min

Mitch McConnell (Mitte), Mehrheitsführer der Republikaner im Senat. (Foto: AP)
  • Der republikanische Senatsführer Mitch McConnell hat Änderungen am Gesetz zur Abschaffung von "Obamacare" vorgestellt.
  • Weil sich bereits zwei Abweichler gemeldet haben, müssen alle verbliebenen 50 konservativen Senatoren nun für das Vorhaben stimmen.
  • Präsident Trump macht auf Twitter Druck auf die Senatoren.

Von Johannes Kuhn

Das Wort unmöglich ist nicht angebracht, doch Mitch McConnell steht vor einer schwierigen Aufgabe: In der Fraktion des republikanischen Senatsführers darf kein einziger Abweichler mehr auftauchen - andernfalls ist die umstrittene Gesundheitsreform der Konservativen gescheitert.

52 Republikaner sitzen im US-Senat, wenn 50 für eine Abschaffung von "Obamacare" stimmen, kann Vizepräsident Mike Pence mit einer Sonderstimme die Mehrheit sichern. Bereits vor wenigen Wochen hatte McConnell jedoch einen ersten Entwurf zurückziehen müssen, weil sich unter seinen 51 Senatskollegen zu viele Skeptiker zu Wort gemeldet hatten.

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Am Donnerstag stellte der Machttaktiker aus Kentucky nun eine überarbeitete Version vor. Einen Durchbruch markierte dies aber nicht. Bereits wenige Stunden später meldeten sich zwei Republikaner mit einem deutlichen "Nein" zu Wort: Die moderate Senatorin Susan Collins (Maine) und der libertäre Rand Paul (Kentucky). Sie wollen sogar dagegen stimmen, dass der Senat den Gesetzentwurf kommende Woche überhaupt berät.

Collins und Paul symbolisieren die beiden Lager, deren Wünsche so schwer zusammenzubringen sind: Die Moderaten stören vor allem die starken Kürzungen an Medicaid, der Gesundheitsversorgung für Ältere, Behinderte und Arme. Im Medicaid-Budget sollen in den kommenden zwei Jahrzehnten mehr als zwei Billionen US-Dollar eingespart werden.

Auf der anderen Seite stehen jene republikanischen Hardliner, denen es ums Prinzip geht: Sie wollen weniger staatliche Eingriffe und eine Versicherung, in der Solidarität niedrigeren Prämien nicht im Weg steht.

Mehr Freiheit - für Versicherungen

Eine wichtige Ergänzung im neuen Entwurf stammt aus der Feder des Freimarkt-Verfechters Ted Cruz. Versicherer können künftig einen Minimum-Schutz anbieten, der beispielsweise keine Vorsorge-Untersuchungen abdeckt und nur für Notfälle gilt. Unter den Gesundheitsgesetzen der Obama-Regierungen waren noch Mindestleistungen verankert.

Gesundheitsexperten rechnen damit, dass vor allem gesunde jüngere Menschen auf diese günstigeren Krankenversicherungen zurückgreifen würden und die bisher gültigen Verträge kündigen. Diese höheren Beiträge würden dann allerdings für die Refinanzierung der umfassenderen "Obamacare"-Policen fehlen - die könnten dadurch zu einer Art Versicherung für Risiko-Patienten mit entsprechend hohen Prämien werden. Um diese Entwicklung abzufedern, sollen die Zuschüsse an die Versicherungen aufgestockt werden. Noch ist allerdings unsicher, ob die Cruz-Ergänzung ihren Weg ins endgültige Gesetz findet.

Der moderate Flügel soll im neuen Entwurf mit höheren Zuschüssen überzeugt werden, vor allem für Programme wie Opioid-Therapien und Suchtkliniken. Diese Therapien finanzierten viele Staaten, die von der Schmerzmittelsucht-Epidemie geplagt sind, bislang durch eine Ausweitung der Medicaid-Programme. Allerdings warnen Krankenhäuser, dass die bereitgestellten Mittel nur einen Bruchteil der notwendigen Versorgung abdecken.

Symbolisch relevant ist auch die Steuer für Wohlhabende, die den Ausbau der Leistungen unter "Obamacare" finanzierte. Sie soll nun, anders als vorgesehen, doch nicht gestrichen werden, um den Anschein einer Umverteilung von unten nach oben zu vermeiden.

In den kommenden Tagen könnten zudem noch Mittel für die Bundesstaaten zögernder Senatoren bereitgestellt werden - für Alaska wurden entsprechende Zuschüsse ("Polar-Auszahlung") bereits verankert. Die viel kritisierten Medicaid-Kürzungen allerdings bleiben unangetastet.

Nach dem angekündigten "Nein" von Collins und Paul stehen nun sieben weitere Senatoren im Blickpunkt, die als Skeptiker und mögliche Abtrünnige gelten, sich am Donnerstag aber noch nicht festlegen wollten. Ein Großteil von ihnen wird eher dem moderaten Lager zugerechnet.

Unklar ist, ob und wie stark sich US-Präsident Donald Trump an der Mehrheitsbeschaffung beteiligen wird - auf Twitter erhöht er am Freitag aber den Druck. Nach Jahren des Leidens wegen Obamacare müssten die Republikaner nun abstimmen wie versprochen, fordert er.

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Eine größere Rolle wird in den kommenden Tagen auch eine unabhängige Einschätzung über die Folgen für Bundeshaushalt und Versicherte spielen.

McConnells erster Entwurf war auch deshalb gescheitert, weil durch ihn Berechnungen des überparteilichen Kongress-Budgetbüros zufolge bis zum Jahr 2026 etwa 23 Millionen US-Bürger ihre Krankenversicherung verlieren würden. Das waren nur eine Million weniger Bürger als in dem vom US-Präsidenten zunächst gefeierten, dann als "fies" bezeichneten Entwurf, den das Repräsentantenhaus verabschiedet hatte.

Beratungen sollen kommende Woche beginnen

Ob das Budgetbüro die neue Version überhaupt berechnet, ist allerdings unklar. Medienberichten zufolge wollen die Republikaner die Prüfung in die Hände des Gesundheitsministeriums geben. Das ist aber nicht unabhängig, hat das Weiße Haus doch ein starkes Interesse am Erfolg des Gesetzes. Das Ministerium kam in seiner Berechnung des ersten Senatsentwurfs "nur" auf 13 Millionen weniger Krankenversicherte.

Die ersten Beratungen des Gesetzes sind für Dienstag vorgesehen, sollten die notwendigen Stimmen dafür zusammenkommen. Für Mitch McConnell steht der Ruf als gewiefter Taktiker und Stimmenbeschaffer auf dem Spiel; für die Republikaner geht es um ein Kernthema der vergangenen Jahre. Für die US-Bürger geht es um die persönliche Gesundheitsversorgung.

71 Prozent der Amerikaner wünschen sich einer Umfrage zufolge, dass Demokraten und Republikaner gemeinsam das Gesundheitssystem verbessern. McConnell hat seine konservativen Senatskollegen genau vor einer solchen Zusammenarbeit gewarnt, sollte der Entwurf scheitern. Diese "Drohung" gilt jedoch angesichts der Differenzen beider Parteien als unrealistisch.

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