US-Wahl:Trumps Hetze zeigt Wirkung

Republican National Convention: Day Four

Aggressive Rhetorik: New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio macht Trump zumindest indirekt für die steigende Zahl der Übergriffe mitverantwortlich.

(Foto: AFP)
  • Eine neue Statistik des FBI zeigt: Die Zahl von Hassverbrechen gegenüber Muslimen steigt schon seit zwei Jahren. Im Vorwahlkampfjahr 2015 war der Anstieg besonders dramatisch.
  • Die Zahlen des FBI untermauern die These, dass Trumps aggressive Rhetorik in der Gesellschaft konkrete Folgen hat.
  • Nach der Veröffentlichung der Statistik machen Politiker und Menschenrechtler den zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump für die steigende Zahl von Hassverbrechen in den Vereinigten Staaten verantwortlich.

Von Moritz Matzner und Benjamin Moscovici

"Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich beschütze meine Stadt, und ich weiß, dass meine Stadt auch mich beschützt." Aml El Sokary sitzt in einer Pressekonferenz zwischen Bill de Blasio, dem Bürgermeister von New York, und James P. O'Neill, Polizeichef der Stadt.

El Sokary und ihr 16-jähriger Sohn wurden Opfer eines rassistischen Übergriffes. Ein Unbekannter hatte sie auf offener Straße beleidigt und gedroht, seinen Hund auf sie zu hetzen, bezeichnete sie als Terroristen und schrie, sie sollten das Land verlassen. El Sokarys Heimat ist New York, hier hat sie Familie. Und hier arbeitet sie seit Jahren als Polizistin.

Doch das zählt in dem Moment nicht. An dem Abend ist sie nur eines für ihren Gegenüber: Fremde, Ausländerin, Terroristin - aber auf jeden Fall keine Amerikanerin. Denn El Sokari ist auch Muslima und trägt einen Hidschab.

Ein paar Straßen weiter sitzt Andrew Cuomo, der Gouverneur von New York. Auch er hält eine Pressekonferenz. Diesmal, weil eine muslimische Schaffnerin angegriffen wurde. Ein Unbekannter beleidigte sie und schubste sie dann eine Treppe hinunter. Die junge Frau musste im Krankenhaus behandelt werden. Wenige Tage zuvor waren Waggons mit Hakenkreuzen beschmiert worden, woanders wurden an einer U-Bahn-Station Flyer und Visitenkarten des Ku-Klux-Klans verteilt.

Zahl der Übergriffe nimmt zu

Es sind keine Einzelfälle. Immer häufiger werden Muslime Opfer von Übergriffen. Frauen berichten davon, dass ihnen der Hidschab vom Kopf gerissen wird, anderen wird vorgeworfen, die Terrormiliz "Islamischer Staat" zu unterstützen. Zahlreiche Muslime fühlen sich zunehmend ausgegrenzt. Dass das nicht nur ein subjektives Gefühl ist, bestätigt jetzt das FBI: Angriffe auf Muslime sind 2015 um 67 Prozent gestiegen. Dabei gilt zu beachten: Das umstrittene Einreiseverbot für Muslime forderte Trump erst im Dezember 2015 - danach verschlechterte sich das Klima erheblich. Hinter den Zahlen verbergen sich Einschüchterungen, Vandalismus, Drohungen und brutale Übergriffe.

Und es zeichnet sich ab, dass sich dieser Trend auch 2016 weiter fortgesetzt hat. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichten die Vorkommnisse nach dem 8. November, als Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Seitdem hat etwa die New Yorker Polizei mehr als doppelt so viele sogenannte Hate Crimes verzeichnet wie im Vorjahreszeitraum.

Trumps Verantwortung

Für Ibrahim Hooper vom Council on American-Islamic Relations ist klar, dass Trump die gegenwärtige Welle von Angriffen auf Muslimen mit seiner aggressiven Rhetorik losgetreten hat. Die Nichtregierungsorganisation setzt sich gegen Diskriminierung von Muslimen in den USA ein. "Trump war zwar nicht der einzige Faktor - aber der wichtigste", sagte Hooper der SZ. Denn der Multimillionär erreiche ein riesiges Publikum und viele Menschen fühlten sich durch ihn in ihrer Meinung bestätigt.

'Love Trumps Hate' Rally Held In New York's Washington Square Park

Demonstranten protestieren gegen Trumps Hass-Rhetorik.

(Foto: AFP)

In vielen Fällen beziehen sich die Täter auch direkt auf den nächsten Präsidenten der USA. Die New Yorker Polizei etwa sucht nach Männern, die einer 18-Jährigen in der U-Bahn den Hidschab vom Kopf reißen wollten und dabei Trumps Namen riefen.

Auf dem Gehweg in Mineola bei New York hat jemand - in Anspielung auf Trumps Slogan "Make America Great Again" in großen Buchstaben gesprüht: "Make America White Again", eingerahmt von roten Hakenkreuzen. Ähnliche Fälle werden auch aus anderen Bundesstaaten berichtet. In Gainesville, Florida, ist der Spruch auf einem Garagentor zu lesen. In der Mitte ebenfalls ein Hakenkreuz.

Auch als ein Mann eine afroamerikanische Studentin aufforderte, den Gehsteig zu verlassen, bezog er sich auf Trumps Wahlkampfmotto, Make America Great Again: Er habe nur versucht, diesem Folge zu leisten.

Und erst Mittwoch wurde der Fall des NFL-Stars Nikita Whitlock bekannt. Unbekannte brachen in das Haus des Afroamerikaners ein und beschmierten die Wände. Neben dem Satz "Geh zurück nach Afrika" waren auch das Schlagwort "Trump" neben dem Kürzel für den Ku-Klux-Klan und einem Hakenkreuz zu erkennen.

"Er hat schreckliche Dinge über Muslime gesagt"

Dass ihre Zeit jetzt gekommen ist, finden auch die Männer der Alt-Right, einer neonazistischen Bewegung. Ein Handyvideo von einer ihrer Versammlungen machte weltweit Schlagzeilen. Darauf zu sehen: Richard Spencer, einer der Gründer der Bewegung, der seine Rede mit den Worten beginnt: "Heil Trump, Heil unserem Volk, Heil unserem Sieg!" Die Zuhörer brechen in Jubel aus, im ganzen Saal schießen Arme zum Hitlergruß in die Höhe.

Angesichts all dieser Vorfälle und der neuen FBI-Daten schließen sich immer mehr Politiker der Trump-Kritik von Menschenrechtsverbänden an. Auf der Pressekonferenz mit der muslimischen Polizistin machte Bürgermeister Bill de Blasio Trump zumindest indirekt für die steigende Zahl der Übergriffe mitverantwortlich. Der designierte Präsident habe "schreckliche Dinge über Muslime gesagt" - und mit seinen Auftritten zu einer Atmosphäre des Hasses beigetragen.

Auch Gouverneur Andrew Cuomo macht Trump für die Angriffe verantwortlich: Die Ressentiments, die Trumps Äußerungen geschürt und verstärkt haben, hätten die USA in eine "soziale Krise" gestürzt.

Die New Yorker Polizei hat inzwischen eine eigene Einheit zur Bekämpfung von Hassverbrechen eingerichtet. Und Donald Trump? In einer Fernsehsendung äußerte er sich zu den Vorfällen: "Ich werde es sagen. Und ich werde es direkt in die Kameras sagen: Hört auf damit!" Nur drei Tage später benannte er den früheren General Michael Flynn als Nationalen Sicherheitsberater, der zuvor Verständnis für Muslimenfeindlichkeit signalisiert hat: Im Februar dieses Jahres hatte er getweeted, dass "Angst vor Muslimen logisch" sei.

Trump hatte nach der Wahl angekündigt, Präsident "aller Amerikaner" sein zu wollen. Bis jetzt scheinen seine eigenen Anhänger etwas dagegen zu haben.

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