Urteil zu Hartz IV:Innenminister rüffelt Richter

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Innenminister de Maizière erkennt "problematische Tendenzen", die Unions-Arbeitnehmer verlangen eine Kürzung des Hartz-IV-Regelsatzes.

Nach anfänglicher Zustimmung hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur Berechnung der Hartz-IV-Sätze nun auch Kritik in der Politik ausgelöst. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) kritisierte die Karlsruher Entscheidung. "Das Urteil zeigt eine problematische Tendenz hin zu einer übertriebenen Einzelfallbetrachtung statt zu einer vernünftigen Pauschalierung", sagte de Maizière der Bild-Zeitung.

Innenminister Thomas de Maizière bezweifelt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine vernünftige Pauschalierung - er fürchtet vielmehr eine übertriebene Einzelfallbetrachtung. (Foto: Foto: ddp)

Die Karlsruher Richter hatten die bisherige Berechnungsmethode am Dienstag für verfassungswidrig erklärt und die Bundesregierung zur Neuregelung bis Ende des Jahres aufgefordert. Die Höhe der Regelsätze wurden nicht beanstandet. Jedoch sei die Kalkulation intransparent und orientiere sich zu wenig an der Realität, so die Richter.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen verteidigte die Hartz-Reform. Die Ziele seien im Grunde richtig gewesen, sagte sie im Deutschlandradio Kultur. Allerdings sei vieles "hastig, schlampig und im Detail nicht sehr fair und gerecht gemacht" worden. Das werde die Regierung nun korrigieren. "Der Zeitdruck ist exorbitant hoch", sagte die Ministerin mit Blick auf die von Karlsruhe gesetzte Frist bis zum Jahresende. Von der Leyen sprach sich erneut dafür aus, zur Deckung der Bildungsausgaben für Kinder aus Hartz-IV-Familien nicht nur über mehr Geld, sondern auch Sach- und Dienstleistungen nachzudenken.

In der Union wird nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes der Ruf nach einer Kürzung des Hartz-IV-Regelsatzes laut. "Das Bundesverfassungsgericht hat nicht gesagt, dass die Hartz-IV-Sätze zu niedrig sind", sagte der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe in der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Weiß (CDU), der Frankfurter Rundschau. "Eine Reform sollte aus meiner Sicht zu niedrigeren Regelsätzen führen."

Mit dem Urteil verlange das Verfassungsgericht, den konkreten Einzelfallbedarf etwa für Kühlschränke oder Wintermäntel wieder stärker zu berücksichtigen, so Weiß weiter. Dieser werde derzeit durch einen pauschalierten Aufschlag im Hartz-IV-Regelsatz berücksichtigt. Das müsse nun korrigiert werden. Unterm Strich dürften die Ausgaben für den Staat in etwa gleich bleiben.

Die FDP nutzte das Urteil, um ihre alte Forderung zu erneuern, alle staatlichen Leistungen in einem Bürgergeld zusammenzufassen. Das Karlsruher Hartz-IV-Urteil sei ein guter Anlass, "um über die Reform des Sozialtransfersystems als Ganzes zu sprechen", sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart der Passauer Neuen Presse. "Eilige Reparaturen helfen uns nicht weiter." Durch ein Bürgergeld würden "die vielen verschiedenen Sozialleistungen, die wir heute haben, viel unbürokratischer, transparenter und leistungsgerechter".

Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner warnte davor, die Hartz-IV-Regelsätze zu erhöhen. "Es ist völlig richtig, dass der Staat bei den Kindern ansetzt, aber bitte nicht in Form von Barzuwendungen für die Eltern", sagte er dem Fernsehsender n-tv. "Ich möchte nicht, dass wir über ein neues System Anreize schaffen, dass man übers Kinderkriegen Geld verdienen kann. Sonst gehen wir als Gesellschaft vor die Hunde."

Der Deutsche Gewerkschaftsbund will das Urteil als Startschuss für eine Neuausrichtung der Sozialpolitik nutzen und fordert eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze.

Es habe in den vergangenen Jahren "massive Fehlentwicklungen gegeben", sagte DGB-Chef Michael Sommer dem Bonner General-Anzeiger. "Ich sehe in unserer Gesellschaft eine bedenkliche Entwicklung in oben und unten, in Menschen mit sozialer Teilhabe und solche, die für sich und ihre Kinder keine Chancen sehen. Die soziale Balance in unserem Land ist in Gefahr und die Bundesregierung wäre gut beraten, die Kluft in unserem Land nicht größer werden zu lassen."

Sommer verlangte außerdem, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Ähnlich äußerte sich der designierte Vorsitzende der Linken, Klaus Ernst. Wenn die Menschenwürde Maßstab für die Höhe der Hartz-IV-Leistungen sei, dann müsse dasselbe auch für die Löhne von Arbeitnehmern gelten.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/juwe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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