Ukraine-Krieg:Treffen der Visegrád-Gruppe abgesagt

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"Visegrád 4": Im vergangenen Jahr trafen sich Viktor Orbán und Vertreter aus der Slowakei, Tschechien und Polen im polnischen Katowice. (Foto: Beata Zawrzel/Imago)

Polen und Tschechen reisen nicht nach Budapest, weil Ungarns Ministerpräsident Orbán ihrer Meinung nach zu wenig auf Distanz zu Russland geht.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Das für Mitte dieser Woche in Budapest geplante Treffen der Visegrád-Gruppe, in der sich die Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn vor drei Jahrzehnten zur gemeinsamen Interessenvertretung zusammengefunden hatten, wurde von der ungarischen Regierung abgesagt. Notgedrungen - denn die Vertreter aus Polen und Tschechien, zwei der Partner, die als Visegrád 4 in der EU einmal einen Block gebildet hatten, mochten nicht nach Ungarn reisen.

Der Grund: Ungarns Haltung im russischen Krieg gegen die Ukraine, die vor allem in Prag und Warschau als zu Putin-freundlich betrachtet wird. Ungarn trägt zwar die Sanktionen der EU mit, hat sich aber mit Verweis auf seine Energieabhängigkeit von Moskau und nationale Sicherheitsinteressen gegen Waffenlieferungen und ein Energieembargo verwahrt.

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Einer nach dem anderen sagte daher ab: Zuerst die tschechische Verteidigungsministerin Jana Černochová, die sich mit dem bitteren Kommentar abmeldete, sie bedaure es, "dass das billige russische Öl jetzt für ungarische Politiker wichtiger ist als ukrainisches Blut." Am kommenden Sonntag werde in Ungarn gewählt, so die Ministerin, und sie wolle sich nicht für die Kampagne von Ministerpräsident Viktor Orbán einspannen lassen. Der Ungar macht derzeit aggressiven Wahlkampf mit dem Krieg in der Ukraine: Die nationale Opposition wolle das Land darin verwickeln, während seine Regierung ausschließlich Ungarns Interessen vertrete.

Es folgte am Montag die Absage des polnischen Verteidigungsministers Mariusz Błaszczak, der die Rhetorik Ungarns gegenüber Moskau "enttäuschend" fand. Der polnische Premierminister Andrzej Duda merkte in polnischen Medien an, es sei schwer, Orbáns Haltung gegenüber der Ukraine zu verstehen, und Vize-Außenminister Marcin Przydacz erklärte, dass Orbán mit der Ukraine einen Fehler mache und Russland zu sehr hofiere. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hatte Orbán bei einer Rede auf dem letzten EU-Gipfel öffentlich und direkt für seine zögerliche Haltung scharf kritisiert: "Wissen Sie, Viktor, was in Mariupol passiert?", sagte Selenskij. "Ich möchte ein für alle Mal offen sein, Sie sollten selbst entscheiden, für wen Sie sind."

Die ungarische Regierung bestätigte am Dienstag, dass das Treffen der Visegrád 4 nicht wie geplant stattfinden werde; man habe es auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Ob eine weitere Kooperation wahrscheinlich ist, ist eine grundsätzliche Frage: Die Brüche zwischen den vier Ländern, die sich über viele Jahre als kollektive Interessenvertretung in der EU präsentiert hatten, waren in den vergangenen Jahren immer weniger zu übersehen.

Das lag zum einen am Verhältnis zu Russland, das im Falle Polens bekanntermaßen sehr angespannt ist, während Orbán seine guten Beziehungen zu Wladimir Putin demonstrativ pflegte. Konfliktreich waren aber auch die Beziehungen zur EU. Während Warschau und Budapest offen auf Konfrontationskurs zu Brüssel gingen, suchten Prag und Bratislava den offenen Streit zu vermeiden. Orbáns Hoffnung nach dem Hinauswurf aus der Europäischen Volkspartei, über die Visegrád 4 seinen schwindenden Einfluss in Europa zu wahren, dürften nun vollends gescheitert sein.

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