Nun, da der Krieg in der Ukraine, vor dem auch Claus Leggewie und Ireneusz Paweł Karolewski in ihrem Buch "Die Visegrád-Connection" warnen, tatsächlich begonnen hat, scheinen diese vier Länder Tschechien, Polen, Ungarn und Slowakei mit dem Rest Europas einig zu sein, endlich. Ausgerechnet Polen, im ständigen Konflikt mit der EU wegen seiner Rechtsstaatlichkeit, wird nun zu einem der größten Fürsprecher eines schnell EU-Beitritts der Ukraine und nimmt noch dazu die meisten Flüchtlinge auf.
Tschechien und die Slowakei mit ihren noch jungen Regierungen legen eine Kehrtwende hin: während frühere Regierungen deutlich russlandfreundlicher agierten, schwenken beide Länder nun auf einen klaren EU- und Nato-Kurs. Dann wäre da noch Ungarn, wo Anfang April gewählt wird - was einen extremen Kurswechsel bringen kann.
Die Visegrád-Länder, drei von ihnen direkte Nachbarn der Ukraine, rücken auf einmal auf ganz neue Art in den Fokus - als erste Anlaufstelle von Millionen von Flüchtlingen und möglicherweise gar Vermittler zwischen der Ukraine und dem Westen, wie neulich die spontane Reise der Ministerpräsidenten Tschechiens und Polens sowie Sloweniens in die Ukraine zeigte.
Sind nun alle Sorgen beigelegt? Leggewie und Karolewski sehen die Visegrád-Staaten vor allem als "Eine Herausforderung für Europa" - so lautet der Untertitel des Buchs. Auf 150 Seiten gibt es einen vertieften Einblick in die Entwicklung der Länder seit 1990 und in ihr Selbstverständnis.
Idee vom lockeren Staatenbund
Die Herausforderung liegt demnach nicht nur im offensichtlichen Demokratieabbau in Polen und Ungarn, sondern auch in einem grundsätzlich anderen Verständnis der EU. Während Deutschland und Frankreich mit ihren aktuellen Regierungschefs auf mehr Integration der EU-Länder drängen, ist in den Visegrád-Ländern die Idee einer EU als nur lockerem Staatenbund deutlich beliebter - in allen politischen Lagern. Haben also diese Länder das Potenzial, die EU von innen heraus zu zerstören? Sind am Ende die EU-Gründungsmitglieder wieder allein zu Hause?
Es gibt Hoffnung. Die Autoren klären nicht nur über die verschiedenen Mechanismen der Macht auf - Staatsvereinnahmung durch Parteien wie in Polen oder durch Oligarchen wie in Tschechien -, sie beschreiben auch, wie eine lebendige Zivilgesellschaft diese Strukturen bekämpft. In der Slowakei 2020, dann in Tschechien 2021 führten auch lautstarke Demonstrationen letztendlich zu Machtwechseln. Die Autoren fordern zudem mehr Widerstand der EU-Partner gegen den Demokratie-Abbau. Die Visegrád-Länder haben die politische Transformation seit 1989 noch nicht abgeschlossen - es ist eine Aufgabe für die gesamte EU.