TV-Debatte der Demokraten:Clinton kann "Polit-Revolutionär" Sanders nicht entzaubern

Democratic U.S. presidential candidate and former Secretary of State Hillary Clinton and rival candidate U.S. Senator Bernie Sanders speak simultaneously at the Democratic presidential candidates debate in Charleston

Ex-Außenministerin gegen Senator: Hillary Clinton und Bernie Sanders während der TV-Debatte.

(Foto: REUTERS)
  • Hillary Clinton setzt kurz vor der wichtigen Vorwahl in Iowa auf ihre Erfahrung, während Herausforderer Bernie Sanders leidenschaftlich um Stimmen wirbt.
  • In der TV-Debatte, in der es vor allem um Waffengesetze, soziale Ungleichheit und die Reaktion auf die IS-Miliz geht, lobt Clinton ausdrücklich die Bilanz von US-Präsident Obama.
  • Die ehemalige Außenministerin gilt als angeschlagen: Die große Favoritin könnte wie 2008 von einem Außenseiter besiegt werden.

Von Matthias Kolb, Washington

Zwei Wochen vor der ersten Vorwahl haben sich Hillary Clinton und ihr Rivale, Senator Bernie Sanders aus Vermont, in der TV-Debatte heftig attackiert. Sanders warf der großen Favoritin vor, "Unsinn" über ihn zu verbreiten, während Clinton sich bemühte, ihre Nähe zu US-Präsident Barack Obama zu betonen. Der scharfe Ton erklärt sich durch die Zahlen 2 und 14. Auf zwei Prozentpunkte ist Clintons Vorsprung in Iowa zusammengeschmolzen und der 74-jährige Sanders führt in New Hampshire mit 14 Zählern.

Also ist es die Ex-Außenministerin, die unter Druck steht. Sie muss die Basis überzeugen, dass der "demokratische Sozialist" Sanders zwar mitreißend reden kann, aber für das Weiße Haus nicht geeignet ist. Das ist nicht leicht, denn auch unter Demokraten ist der Frust mit dem Partei-Establishment enorm.

Seit Tagen reden US-Medien darüber, ob die 68-Jährige nach 2008 wieder von einem Außenseiter besiegt wird. Sanders ist kein zweiter Obama, doch anders als Clinton kann er mit seinen Wutreden gegen die wachsende soziale Ungleichheit junge Wähler begeistern - und viele Spendendollar einsammeln.

Der dritte Kandidat, Marylands Ex-Gouverneur Martin O'Malley, liegt in Umfragen so weit zurück, dass er weder in der öffentlichen Diskussion noch in diesem Artikel eine Rolle spielt. Dies sind die fünf wichtigsten Themenfelder - und wie sich Sanders und Clinton an diesem Abend profilieren konnten.

Strengere Waffengesetze

Clinton redet gerne über gun control, weil sie nur hier progressiver als Sanders ist. In der TV-Debatte wirft sie ihm vor, mehrfach im US-Kongress "mit der NRA gestimmt" zu haben. Der 74-Jährige nennt das "unaufrichtig" und betont, dass ihn die Waffen-Lobbyisten mit einer "4-" bewertet haben.

Von wegen waffenfreundlich also? Sanders kann nicht leugnen, dass er in den Neunzigern gegen eine stärkere Kontrolle von Waffenkäufern stimmte. In der TV-Debatte sagt er, seine Meinung geändert zu haben und die jüngsten Vorschläge von Präsident Obama zu unterstützen.

Dies werden die Menschen in Charleston, wo im Juni der Extremist Dylann Roof neun Schwarze in einer Kirche ermordet hat, gern hören: Roof kam an seine Waffe, weil das FBI seine Vorstrafe übersah. Clinton unterlässt es, den Konkurrenten erneut zu attackieren - sie lobt, dass er seine Meinung geändert habe. Debatten-Fazit: Sanders hat sich gut geschlagen.

Unterstützung für Schwarze und Latinos

Am Vorabend des Feiertags zu Ehren von Martin Luther King beschwören beide das Erbe des Bürgerrechtlers. Ein höherer Mindestlohn - Sanders will 15 Dollar pro Stunde - werde auch Latinos und Schwarzen helfen. Clinton will der Polizei das racial profiling verbieten und das Strafrecht reformieren: "Wir dürfen nicht länger ignorieren, dass einer von drei schwarzen Männern im Laufe seines Lebens im Gefängnis landet."

Sanders weiß, dass mindestens jeder zweite Demokrat in South Carolina schwarz ist. Also legt er nach: "Es ist skandalös, dass man für Marihuana-Besitz eine Vorstrafe kriegt, aber die Wall-Street-Banker, die die Weltwirtschaft ruiniert haben, nicht angeklagt werden." Dass US-Justizministerium soll künftig jeden Todesfall in Polizeigewahrsam überprüfen.

Allen Umfragen zufolge ist Clinton unter Latinos und Schwarzen um ein Vielfaches populärer, weshalb sich Sanders besonders um nichtweiße Wähler bemüht. Dazu sagt Sanders selbstbewusst: "Wenn die Wähler mehr über mein Programm erfahren, dann werden sich diese Werte auch ändern." Debatten-Fazit: Sanders hat mit seiner Leidenschaft wohl einige Leute neugierig auf sich gemacht.

Wie Sanders und Clinton den IS besiegen wollen

Natürlich stellen die NBC-Moderatoren auch Fragen zu Außenpolitik und den Kampf gegen die IS-Miliz. Hier ist Clinton in ihrem Element: Sie lehnt den Einsatz von US-Bodentruppen im Kampf gegen den Islamischen Staat ab. Allerdings will die Ex-Außenministerin mehr Elitesoldaten einsetzen als Obama, um die Verbündeten zu unterstützen.

Sanders betont wie in jeder Rede, dass er 2003 gegen die Irak-Invasion gestimmt habe - ohne dieses Mal zu erwähnen, dass Clinton damals mit "Ja" stimmte. Um den IS zu besiegen ("oberste Priorität"), würde er auch mit Iran und Russland kooperieren. Der Einsatz von Tausenden US-Soldaten kommt auch für ihn nicht in Frage.

Clinton ist jedoch die Erste, die die rassistischen Statements von Donald Trump und anderen Republikaner verurteilt: "Der beste Schutz vor Attacken wie in San Bernardino ist das Vertrauen der amerikanischen Muslime." Debatten-Fazit: Keine Überraschung, Clinton kennt sich hier viel besser aus.

Kampf gegen soziale Ungleichheit

Bernie Sanders verspricht seinen Fans eine "politische Revolution" und will Wall-Street-Banken am liebsten zerschlagen. In einem aktuellen Spot unterstellt er Clinton, die Macht der Finanzindustrie nicht einzuschränken, weil sie von Banken Spenden und auch hohe Redehonorare (knapp drei Millionen zwischen 2013 und 2015) erhalten habe.

Clinton kontert: "Ich kann mit dieser Attacke leben, aber der Senator kritisiert damit auch den Präsidenten." Ihr Argument: Auch der unter Demokraten sehr populäre Obama hat viel Geld von Wall-Street-Banken angenommen - und trotzdem die Regeln für die Finanzindustrie verschärft. Sanders verspricht hingegen, dass sein Finanzminister "sicher nicht von der Investmentbank Goldman Sachs kommen" werde. Debatten-Fazit: Die Ex-Ministerin war vorbereitet, doch nur mit diesem Spruch wird sie Skeptiker nicht überzeugen können.

Gesundheitspolitik

Dass über dieses Thema gesprochen wird, liegt an Chelsea Clinton: Hillarys Tochter hatte behauptet, Sanders wolle die Obamacare-Krankenversicherung sowie das Medicare-Programm für Rentner und Behinderte abschaffen. "Falsch und unaufrichtig" sei diese Behauptung, poltert Sanders.

Clinton verteidigt sich damit, dass Sanders erst zwei Stunden vor der Debatte Details vorgelegt habe. Auch hier lobt sie den Präsidenten "Wir dürfen nicht gefährden, was Obama erreicht hat." Der kleine Schlagabtausch ist bezeichnend: Die 68-Jährige betont ihre Erfahrung und wirbt für langsame Änderungen. Sanders setzt auf Leidenschaft: "Gesundheitsversorgung ist ein Recht, das jedem Bürger zusteht." Debatten-Fazit: Die Attacke auf Sanders war völlig überzogen und hilft Clinton nicht.

Wieso Clinton eher verloren hat - und Sanders sich als Sieger fühlen darf

Die TV-Debatte war die letzte vor der ersten Vorwahl, die in genau zwei Wochen in Iowa stattfindet. Trotz des rauen Tons ist klar, dass alle demokratischen Kandidaten ähnliche Ziele haben - und die Rolle des Staates, die alle Republikaner minimieren wollen, lieber stärken.

Entzaubern konnte Clinton ihren Herausforderer Sanders nicht: Was der Senator über die Gerechtigkeit im Land zu sagen hat, wollen progressive Amerikaner hören. Fraglich ist nur, ob sie dem 74-Jährigen auch zutrauen, im November den Kandidaten der Republikaner zu besiegen.

Das Gerede, ob es die ehemalige First Lady ein zweites Mal nicht schafft, ins Weiße Haus einzuziehen, wird also weitergehen. Insofern kann Hillary Clinton eher verlieren - und Bernie Sanders kann sich als Sieger fühlen.

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