Syrien-Krise:Wie die Russen die USA in Zugzwang bringen

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Russlands Außenminister Sergej Lawrow will einen amerikanischen Militärschlag in Syrien verhindern. (Foto: REUTERS)

Diplomatische Volte aus Moskau: US-Außenminister Kerry sagt, dass Syriens Machthaber Assad einem Militärschlag womöglich noch entgehen kann - später relativiert er seine Aussage. Doch Russlands Außenminister Lawrow nimmt seinen US-Kollegen beim Wort und überrascht mit einer neuen Friedensinitiative.

Von Julian Hans, Moskau

Der russische Außenminister wusste, dass er einen Punkt machen würde. Und er wollte ihn schnell machen und vor großem Publikum. Was er vor den eilig zusammengerufenen Journalisten am Montag zu sagen hatte, dauerte dann keine zwei Minuten: Wenn die USA die Sicherung der syrischen Chemiewaffen forderten, sei Russland dabei. "Wir wissen nicht, ob Syrien dem zustimmt. Aber wenn die internationale Kontrolle über die Chemiewaffen in diesem Land es ermöglicht, einen Militärschlag abzuwenden, dann werden wir uns unverzüglich mit Damaskus an die Arbeit machen."

Lawrow wollte seinen US-Kollegen John Kerry beim Wort nehmen, bevor dieser sein Wort wieder zurückziehen konnte. Kerry hatte wenige Stunden zuvor bei einem Treffen mit dem britischen Außenminister William Hague in London Verwirrung gestiftet: Erst sagte er, Assad könne einem Angriff entgehen, wenn er "sämtliche" Chemiewaffen "innerhalb einer Woche" der internationalen Gemeinschaft übergebe. Später relativierte er seine Aussage. Sie sei "rhetorisch" gemeint gewesen und weder als Ultimatum noch als Verhandlungsangebot zu verstehen.

Die Klarstellung hat man in Moskau offenbar absichtlich überhört. Dort hatte Lawrow zunächst bei einem Treffen mit dem syrischen Außenminister Walid al-Muallim erklärt, es gebe Hinweise darauf, dass der Giftgasangriff am 21. August von den Rebellen "inszeniert" worden sei. Erst nach seinem Gespräch mit dem Syrer habe er von Kerrys Vorschlag erfahren, sagte Lawrow später und ergänzte Kerrys Vorstoß gleich noch um zwei weitere Aspekte: Die Chemiewaffen in Syrien sollten nicht nur der Kontrolle der Weltgemeinschaft unterstellt werden, man rufe Damaskus außerdem zu ihrer Vernichtung auf und dazu, dem internationalen Abkommen zur Ächtung chemischer Waffen beizutreten. "Wir haben unseren Vorschlag bereits dem syrischen Außenminister übergeben und setzen auf eine schnelle, und wie ich hoffe, positive Antwort", sagte Lawrow.

Die Antwort kam prompt

Die kam noch am selben Abend aus dem President Hotel, in dem die russische Führung bevorzugt ihre Staatsgäste unterbringt. "Die Arabische Republik Syrien begrüßt die russische Initiative", sagte al-Muallim. "Wir sind überzeugt von der Weisheit der russischen Führung, die sich bemüht, die amerikanische Aggression gegen unser Volk abzuwenden."

Mit der überraschenden Initiative haben die Russen die Amerikaner ein zweites Mal innerhalb weniger Tage überrumpelt. Nachdem wochenlang nur Vorwürfe zwischen Moskau und Washington ausgetauscht wurden, hatte Präsident Wladimir Putin einen Tag vor Beginn des G-20-Gipfels in Sankt Petersburg erklärt, er könne sich vorstellen, einem Militärschlag gegen Syrien zuzustimmen - sofern bewiesen sei, dass Assad Giftgas eingesetzt hat. Westliche Diplomaten sahen in dem Angebot eine Finte, mit der Putin versuche, aus der Rolle des Blockierers herauszukommen.

Nun hat Lawrow die Amerikaner erneut in Erklärungsnot gebracht, die international und im eigenen Land um Unterstützung für eine Strafaktion werben. Auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle schloss sich der Initiative an, die Kerry offenbar unabsichtlich losgetreten hat: "Wenn sichergestellt würde, dass die Chemiewaffen des Assad-Regimes nicht mehr eingesetzt werden können, wäre das ein großer Schritt vorwärts."

© SZ vom 10.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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