Streit um Armuts- und Reichtumsbericht:Wenn sich zwei Minister öffentlich bekämpfen ...

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... freuen sich die Medien: Der CDU-Wirtschaftsflügel und FDP-Minister Rösler poltern öffentlich gegen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, weil die angeblich Reiche stärker besteuern will. Will sie das? Die entsprechende Passage ist missverständlich. Doch der Streit zeigt vor allem, wie wenig in der Bundesregierung miteinander geredet wird.

Thomas Öchsner, Berlin

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ist in der schwarz-gelben Koalition für ihre Alleingänge berühmt-berüchtigt. Ob Frauenquote oder die Zuschussrente für Geringverdiener - wenn der CDU-Politikerin ein Thema wichtig ist, setzt sie sich dafür mit großem Nachdruck ein, selbst wenn sie dafür keine Mehrheiten in der Regierung findet.

Zu selten im Zwiegespräch? Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen kommunizieren per Interview und Pressemitteilung. (Foto: dapd)

In Union und FDP traut man von der Leyen deshalb ziemlich viel zu - sogar den Ruf nach Steuererhöhungen, obwohl im Koalitionsvertrag das Gegenteil steht ( PDF). Das offenbart jetzt ein öffentlich ausgetragener Streit um einen missverständlichen Satz im Entwurf für den Armuts- und Reichtumsbericht. Er zeigt vor allem eines: In der Bundesregierung wird zu wenig miteinander geredet.

Der Satz steht auf Seite XLII in der Einleitung des mehr als 500 Seiten starken Berichts und lautet: "Die Bundesregierung prüft, ob und wie über die Progression in der Einkommensteuer hinaus privater Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann." Beim ersten Lesen könnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, die Bundesarbeitsministerin will Reiche stärker zur Kasse bitten.

Kaum war der Satz in der Öffentlichkeit, kam das, was zu erwarten war: Der CDU-Wirtschaftsflügel protestiert in der Bild-Zeitung gegen mögliche Steuererhöhungen. Und Rösler ließ im Lieblingsorgan seines Ressorts, dem Handelsblatt, eine Stellungnahme verbreiten, in der er seiner Duzfreundin Ursula mal klar die Meinung sagte: Der vom Arbeitsministerium vorgelegte Entwurf des Armuts- und Reichtumsberichts sei nicht die "Meinung der Bundesregierung". Bei den Steuern mehr umzuverteilen, sei für das Wirtschaftsministerium nicht zustimmungsfähig. "Vor allem Forderungen nach höheren Steuern für die, die den Sozialstaat finanzieren", seien abzulehnen.

Nur: Hätte man vorher mal eben miteinander telefoniert, hätte sich die Bundesregierung diese Debatte sparen können. Denn am Donnerstagmorgen erklärte das Arbeitsministerium, wie der ominöse Satz eigentlich gemeint war. Es gehe bei der Prüfaussage im Bericht "ausschließlich und allein um das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung und des Engagements im Rahmen von freiwilligen Spenden- und Stiftertätigkeiten".

Dabei gehe es "explizit nicht um Zwangsmaßnahmen, sondern um das Nachdenken über Anreiz- und Unterstützungsstrukturen, damit privates Vermögen für das Gemeinwohl verstärkt zum Einsatz kommt". Es gebe in dem Bericht auch "keinerlei Hinweise auf neue Umverteilungen über das Steuersystem". Die Prüfaussage in diesen Zusammenhang zu stellen, sei "absolut konstruiert".

Wer in den Armuts- und Reichtumsbericht hineinschaut, sieht dies auch sofort: Der inkriminierte Satz findet sich in einem Abschnitt zum Thema Stiftungen.

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