Streit um Steuererhöhungen:Wagenknecht applaudiert von der Leyen

Zustimmung von ungewohnter Stelle für Ministerin von der Leyen: Linken-Politikerin Wagenknecht begrüßt, dass die CDU die Reichen stärker besteuern will. Doch das Arbeitsministerium dementiert: Bei der betroffenen Passage im Armutsbericht gehe es nicht um Steuern. Der entsprechende Vorwurf von FDP-Wirtschaftsminister Rösler sei "absolut konstruiert".

Oliver Das Gupta

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sorgt mit ihrem Entwurf für den neuen Armuts- und Reichtumsbericht für Ärger in der Koalition. Das Wirtschaftsministerium verweigert dem Papier die Zustimmung, weil es "nicht ressortabgestimmt" sei und daher "auch nicht der Meinung der Bundesregierung entspreche", wie es in einer internen Stellungnahme heißt. Das Ministerium bestätigte einen entsprechenden Handelsblatt-Bericht.

Activists Protest ESM And Fiscal Pact

Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht: "Schwarz-Gelb muss sich an Taten messen lassen."

(Foto: Getty Images)

Auf Widerstand bei Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) stößt vor allem eine Bemerkung zur Steuerpolitik: "Die Bundesregierung prüft, ob und wie über die Progression in der Einkommensteuer hinaus privater Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann", heißt es in dem Entwurf, der Süddeutsche.de vorliegt.

Rösler sieht anscheinend in diesem Punkt ein Problem. "Forderungen nach noch mehr Umverteilung sind für das Bundeswirtschaftsministerium nicht zustimmungsfähig", heißt es in der Stellungnahme. "Vor allem Forderungen nach höheren Steuern für die, die den Sozialstaat finanzieren, lehnt das Ministerium entschieden ab." Man wehre sich strikt dagegen, mit Daten über eine ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung Steuererhöhungen zu rechtfertigen.

Von der Leyen stellt klar: Es geht nur um Spenden

Die Reaktion des Arbeitsministeriums kam prompt: Es gebe in dem Bericht "keinerlei Hinweise auf neue Umverteilungen über das Steuersystem", heißt es in einer Pressemitteilung. "Die Prüfaussage in diesen Zusammenhang zu stellen, ist absolut konstruiert. Ableitungen dieser Art nimmt der Bericht an keiner Stelle vor."

Bei der von Rösler zitierten Aussage gehe es "ausschließlich und allein um das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung und des Engagements im Rahmen von freiwilligen Spenden- und Stiftertätigkeiten". Es könne "explizit nicht um Zwangsmaßnahmen" gehen, sondern um "das Nachdenken über Anreiz- und Unterstützungsstrukturen, damit privates Vermögen für das Gemeinwohl verstärkt zum Einsatz kommt".

Wirtschaftsministerium will Positives herausstellen

Röslers Ressort hatte darauf gedrungen, die positiven Trends der Sozialpolitik stärker in den Vordergrund zu stellen. So hätten seit 2005 mehr als zwei Millionen Menschen eine Beschäftigung gefunden. Überdies sei der Anteil der Niedriglohnbeschäftigung seit 2007 rückläufig und zudem die Langzeitarbeitslosigkeit um 40 Prozent gesunken. "Dadurch hat sich die Lebenssituation einkommensschwacher Haushalte verbessert", zitiert das Blatt aus der Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums.

Unterstützung erhält Rösler vom arbeitsmarktpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion, Johannes Vogel. "Die Bundesrepublik hat definitiv kein Einnahmeproblem, Forderungen nach Steuererhöhungen sind daher Unsinn", erklärt Vogel auf Anfrage von Süddeutsche.de. Rekorde bei den Steuereinnahmen dürften nicht dazu führen, dass der Staat wie in der Vergangenheit "neue Aufgaben" erfinden würde. "Die Staatsschulden bekommen wir daher nur in den Griff, wenn sich der Staat bei seinen Ausgaben weiter mäßigt."

Wagenknecht nennt Debatte "überfällig"

Sahra Wagenknecht, Vize-Fraktionschefin der Linken, begrüßt hingegen die Diskussion. "Die Debatte über eine höhere Besteuerung von Reichen ist überfällig. Ich wäre hocherfreut, wenn es die CDU nicht nur bei vereinzelten Aussagen belassen würde", sagte sie Süddeutsche.de. Bislang sei Schwarz-Gelb allerdings vor allem mit Steuergeschenken für Reiche in Erscheinung getreten. Wagenknechts Fazit: "Ich befürchte, dass solche Sätze wieder schnell verschwinden. Die Angst der Koalition vor der Realität ist zu groß, wie man an der unsäglichen Rentendebatte sieht."

Von der Leyen hatte ihren Bericht zu Wochenbeginn für die regierungsinterne Abstimmung an die anderen Ressorts verschickt. Der Entwurf war am Dienstag an die Öffentlichkeit geraten und hatte hohe Wellen geschlagen. Demnach hat sich die Schere zwischen Arm und Reich in den vergangenen Jahren weiter geöffnet. Die Bundesregierung veröffentlicht ihren Armuts- und Reichtumsbericht alle vier Jahre. Derzeit beraten die Ressorts darüber. Der aktuelle Bericht soll dem Kabinett im November vorliegen.

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