Kanzlerin in der "Tagesschau":Merkel: Müssen offen über Fall Freiburg sprechen

Fall der getöteten Studentin

Der Tatort, an dem die Studentin überfallen worden war, liegt direkt hinter dem Fußballstadion des SC Freiburg.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)
  • Nach der Festnahme im Fall der getöteten Freiburger Studentin hat sich nun auch Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert und vor einer Verurteilung aller Flüchtlinge gewarnt.
  • Vor ihr äußerten sich bereits weitere Politiker von Union und SPD.
  • Dringend tatverdächtig in dem Fall ist ein 17-jähriger Flüchtling aus Afghanistan, er schweigt bisher zu den Vorwürfen.
  • Die AfD sieht sich in ihrer Kritik am Kurs von Kanzlerin Merkel bestätigt.

"Wenn es sich herausstellen sollte, dass es ein afghanischer Flüchtling war, dann ist das absolut zu verurteilen, genauso wie bei jedem anderen Mörder, aber auch ganz deutlich zu benennen", sagte Merkel in der Tagesschau der ARD. "Und dann sage ich, dass damit aber nicht die Ablehnung einer ganzen Gruppe verbunden sein kann, so wie wir auch sonst nicht von einem auf eine ganze Gruppe schließen können."

Der Fall bleibe ein tragisches Ereignis, das aufgeklärt werden und über das man ganz offen sprechen müsse, ergänzte die Kanzlerin in dem Interview. Zum Vorwurf aus Teilen der Gesellschaft, ihre Flüchtlingspolitik sei mitverantwortlich für die Tat, sagte Merkel: "Ich sage erst einmal, dass dieser Mord schrecklich ist und dass meine Gedanken bei den Eltern, bei den Angehörigen sind."

Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken ließen nicht lange auf sich warten, als im Fall der vergewaltigten und getöteten Freiburger Studentin klar wurde: Dringend tatverdächtig ist ein 17-jähriger unbegleiteter Flüchtling aus Afghanistan, der 2015 nach Deutschland gekommen war. Er schweigt bisher zu den Vorwürfen.

Viele User hetzten auf Facebook und Twitter gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Flüchtlinge sowie die Medien. Der Vorwurf, der in vielen dieser Beiträge mitschwingt: Taten wie diese seien keine Einzelfälle und stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit den Menschen, die vor allem aus muslimisch geprägten Regionen nach Deutschland kommen.

Politiker waren vor Generalverdacht

Führende Vertreter von SPD und CDU haben nun davor gewarnt, das Verbrechen zur Stimmungsmache gegen Flüchtlinge zu missbrauchen."So bitter es ist: Solche abscheulichen Morde gab es schon, bevor der erste Flüchtling aus Afghanistan oder Syrien zu uns gekommen ist", sagte Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) der Bild-Zeitung. "Wir werden nach solchen Gewaltverbrechen - egal, wer sie begeht - keine Volksverhetzung zulassen."

Sollte sich der Tatverdacht gegen den festgenommenen Flüchtling bestätigen, dann müsse dieser für die abscheuliche Tat bestraft werden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Aber wir dürfen nicht vergessen, wir reden dann von der möglichen Tat eines afghanischen Flüchtlings, nicht einer ganzen Gruppe von Menschen, die wie er Afghanen oder Flüchtlinge sind."

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner sagte der Bild: "Solche Grausamkeiten werden leider von In- wie Ausländern begangen, das ist leider kein neues Phänomen." Auch CSU-Innenexperte Stephan Mayer warnte davor, Migranten und Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen.

Kritik am Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt

AfD-Bundeschef Jörg Meuthen meinte hingegen: "Wir sind erschüttert über diese Tat und erleben gleichzeitig, dass unsere Warnungen vor der ungesteuerten Einreise Hunderttausender junger Männer aus patriarchalisch-islamischen Kulturkreisen als populistisch abgewertet wurden." Kritik bekam der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, der gesagt hatte: "Dieses und viele andere Opfer würde es nicht geben, wäre unser Land auf die Gefahren vorbereitet gewesen, die mit massenhafter Zuwanderung immer verbunden sind." Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner nannte die Äußerungen "politisch widerlich und dümmer als die Polizei erlaubt".

CSU-Chef Horst Seehofer vertagte nach der Festnahme einen Vorstandsbeschluss seiner Partei, der eine erneute Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge beinhalten sollte. Zur Begründung hieß es, man wolle das Papier nach den Vorfällen in Freiburg noch einmal ergänzen.

Auch Journalistenverband kritisiert ARD

Die ARD-"Tagesschau" erläuterte in einem Blogeintrag ihre Entscheidung, in der 20-Uhr-Ausgabe am Samstag nicht über die Festnahme in dem Fall zu berichten. Die Sendung berichte nur "sehr selten über einzelne Kriminalfälle", schrieb ARD-Aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke. Der Freiburger Fall hebe sich nach diesen Kriterien von anderen Mordfällen nicht ab.

Die AfD nutzte den Fall, um die Abschaffung des Rundfunkbeitrags zu fordern. Die Berichterstattung über die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht und über den Sexualmord in Freiburg seien zwei Beispiele dafür, "dass nicht umfassend berichtet wird", sagte Parteichefin Frauke Petry.

Kritik an der Entscheidung der ARD kam allerdings auch vom Deutschen Journalistenverband (DJV). Sich "vornehm zurückhalten" sei in diesem Fall die falsche Entscheidung gewesen, erklärte DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner. "Gerade die 'Tagesschau'-Redaktion muss doch in der Lage sein, ein von einem Flüchtling begangenes Verbrechen so zu schildern, dass der Bericht nicht Wasser auf die Mühlen der Fremdenfeinde ist."

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