Seehofers "Masterplan":Nicht alles schlecht - aber furchtbar schlecht unters Volk gebracht

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Horst Seehofer will nicht nur Flüchtlinge abwehren. Er will auch Herkunftsländern helfen, Recht und Gesetz stärken und unwillige Migranten zu mehr Integration bewegen. Die richtigen Teile seines Plans aber sind vom Streit um Zurückweisungen erdrückt worden.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Diese Wirkung hat sich Horst Seehofer selbst zuzuschreiben. Da wollte der Bundesinnenminister die Welt, jedenfalls in seinem Sinne, ein bisschen besser machen - und dann starrt die ganze Welt nur noch auf einen einzigen von 63 Vorschlägen. Selten hat ein Minister das eigene Großvorhaben schon vor dem Start derart beschädigt wie Horst Seehofer seinen Plan zur Neuordnung des deutschen Asylrechts.

Alle redeten über die Zurückweisung an den Grenzen - und das überlagerte alsbald jedes Interesse, die anderen Ideen in Ruhe zu prüfen. Und so steht seine in Teilen sinnvolle Präzisierung des deutschen Asylrechts schon schräg im Land, bevor die Umsetzung auch nur beginnen kann. Wer aus Sachfragen unbedingt Machtfragen machen will, muss eben einen Preis zahlen. Auch wenn es der Preis ist, den der Innenminister am allermeisten vermeiden wollte: dass der Plan beim Volk gar nicht mehr richtig ankommt.

Leserdiskussion
:Ihre Meinung zu Seehofers Masterplan

Seehofers "Masterplan Migration" sieht ein neues "Grenzregime" an der deutsch-österreichischen Grenze vor, das Transitzentren einschließt. Die von der SPD geforderten Änderungen finden sich in dem vorgestellten Papier nicht.

Bei der Präsentation am Dienstag behauptete er tatsächlich, das Wichtigste seien für ihn die Bemühungen, die wirtschaftliche Lage in den Herkunftsländern zu verbessern. Nichts daran ist falsch, aber man fragt sich natürlich: Warum hat er zugelassen, dass diese angeblich oberste Priorität wochenlang zu einer Randbemerkung verkam?

Horst Seehofer hat an der Stelle gleichwohl recht: Wenn Europa weltoffen, liberal und demokratisch bleiben möchte, dann muss es die Kraft aufbringen, den Herkunftsstaaten viel mehr zu helfen als bisher. Es heißt, sie mit europäischer Hilfe stark zu machen und dann als Partner zu akzeptieren. Mit Ausbildungsprogrammen, mit Startkrediten, mit Marktöffnungen. Mehr teilen und gemeinsam machen, das ist die Botschaft, die bei diesen Ländern ankommen muss. Das auszusprechen wäre also wichtig - hat aber in Seehofers Plan keinen Eingang gefunden.

Ähnlich liegen die Dinge bei Seehofers Anspruch, dort härter vorzugehen, wo Flüchtlinge bewusst unter falschen Bedingungen einreisen, wo sie trotz eines laufenden Asylverfahrens schwer straffällig werden oder die geforderten Integrationskurse nachprüfbar verweigern. All diese Fälle haben sich bei vielen Menschen als Beleg für eine vermeintlich gescheiterte Flüchtlingspolitik ins Bewusstsein eingeprägt. Es ist also richtig, sie zu bekämpfen, auch durch Sanktionen. Nur so kann den pauschalen Urteilen über den vermeintlich allzu schwachen Rechtsstaat glaubwürdig begegnet werden.

Hoch problematisch ist dagegen der Duktus, in dem Seehofers Plan an den allermeisten Stellen verfasst ist. Offenkundig haben ihm bei diesem Plan die Sicherheitsexperten seines Hauses die Hand geführt - und nicht jene, die sich im Innenministerium seit Jahren auch um Integration kümmern und um einen integrativen Ton bemühen. Das ist problematisch, für das Ministerium und für die Gesellschaft gleichermaßen.

Das Innenministerium nämlich war nie nur eine Behörde der Sicherheit, sondern auch des Zusammenhalts. Sie kümmert sich nicht nur um die Polizei, sondern auch um die Ausländerbehörden, die Integration, die Zuwanderer. Und wenn jetzt nur noch von Abwehr, Begrenzung, strengen Regeln gesprochen wird, verändert das radikal das Klima für Millionen Menschen, die über die vergangenen Jahrzehnte Teil dieses Landes geworden sind.

Mag sein, dass Horst Seehofer das möchte. Mag sein, dass er darin die einzige Chance sieht, die AfD zu bekämpfen und die Hoffnungen seiner CSU auf die Macht in Bayern zu erhalten. Für den Zusammenhalt im Land aber ist das bedrohlich. Seehofer wäre sehr wohl in der Lage gewesen, bei all den angekündigten Verschärfungen lobende Worte für die Zuwanderer zu finden, die seit Jahren zu diesem Land gehören. Er sollte noch einmal darüber nachdenken, ob er lieber ein Ausgrenzungsminister sein will - oder am Ende doch ein Gemeinsamkeitsminister.

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