Regierungsbildung:"Tag der Entscheidung" in Berlin

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CDU-Chefin Angela Merkel und der SPD-Vorsitzende Martin Schulz. (Foto: dpa)
  • Am letzten Tag der Koalitionsverhandlungen suchen die Verhandlungspartner in zwei großen Bereichen nach Lösungen: Arbeitsmarkt und Gesundheitssystem.
  • Angela Merkel forderte von allen Beteiligten "schmerzhafte Kompromisse" ein.
  • In den meisten anderen Punkten wie Wohnungsbau, Pflege oder öffentliche Sicherheit wurden milliardenschwere Programme vereinbart.

Von Jens Schneider, Berlin

Union und SPD haben den ganzen Dienstag über die Neuauflage der großen Koalition verhandelt. Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz sprach vor Beginn der Gespräche in der Berliner CDU-Zentrale vom "Tag der Entscheidung". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte: "Jeder von uns wird schmerzhafte Kompromisse noch machen müssen." Bis tief in die Nacht hinein suchten die Spitzen der drei Parteien nach Lösungen in den letzten Streitpunkten.

Dabei ging es neben Detailfragen zur Außenpolitik vor allem um die von der SPD geforderte Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen und eine Kursänderung in der Gesundheitspolitik.

Die drei Parteien haben seit Beginn der Verhandlungen vor eineinhalb Wochen in den meisten Punkten Einigungen erzielt. Im Zentrum standen dabei Investitionen für den Wohnungsbau, die Pflege und im Bildungssektor. So will die Koalition erreichen, dass 1,5 Millionen neue Wohnungen bis 2021 gebaut werden. Dazu soll der soziale Wohnungsbau angekurbelt werden, über Sonderabschreibungen will die Regierung frei finanzierte Neubauten fördern. Familien sollen durch ein Baukindergeld unterstützt werden.

Milliarden für Sicherheit und Ganztagsbetreuung

In Pflegeheimen wollen die drei Parteien mit einem Sofortprogramm die Betreuungssituation verbessern. Sie versprechen, dort 8000 neue Stellen für Fachkräfte zu schaffen. Auch an Schulen und Hochschulen soll massiv investiert werden. Allein zwei Milliarden Euro will die Regierung in den Ausbau der Ganztagsbetreuung stecken. Familien sollen von 2025 an einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagesplatz an Grundschulen haben.

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Die Sicherheitsbehörden sollen verstärkt werden. So wollen die Parteien in der Justiz mehrere Tausend zusätzliche Stellen schaffen, die Polizei soll in den Ländern und im Bund jeweils 7500 neue Beamte einstellen. In der Steuerpolitik sehen die Vereinbarungen vor, dass der Solidaritätszuschlag von 2021 an für 90 Prozent der Steuerzahler abgeschafft wird. Das Kindergeld soll erhöht, das heutige Rentenniveau bis 2025 garantiert werden.

Die künftige Regierung will für den Haushalt der Europäischen Union künftig mehr Geld zur Verfügung stellen und die Programme für den Jugendaustausch aufstocken. Beim Klimaschutz räumen die drei Parteien ein, dass die Ziele zur Minderung der Emissionen bis 2020 wohl nicht erreicht werden können. Ein Aktionsprogramm soll helfen, die für 2030 gesteckten Ziele zu erreichen. Bei der digitalen Infrastruktur solle Deutschland an die Weltspitze, versprechen Union und SPD. Sie wollen den Zugang für alle Bürger zum schnellen Internet bis 2025 schaffen und das auch über einen Rechtsanspruch garantieren.

Vor einer Regierungsbildung soll die SPD-Basis abstimmen. Derzeit erlebt die SPD eine Eintrittswelle, seit Neujahr sind gut 24 000 Mitglieder der Partei beigetreten, so SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Dienstagabend. Damit dürfen rund 464 000 Sozialdemokraten über den möglichen Koalitionsvertrag abstimmen.

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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