Regierungsbildung:FDP und Grüne eröffnen das Geschacher

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"Manche verklären nun Jamaika zu einem romantischen Politikprojekt", sagt FDP-Chef Christian Lindner. (Foto: REUTERS)
  • Vor Beginn der Sondierungsgespräche zwischen CSU/CDU, FDP und Grünen geben sich die kleineren Parteien nun skeptisch und nennen erste Bedingungen.
  • FDP-Chef Lindner sagt in einem Interview, die Jamaika-Koalition sei für ihn nicht alternativlos. Er könne sich auch eine Rolle in der Opposition vorstellen.
  • Die Grünen legen sich vor allem in der Flüchtlingspolitik fest: Auf eine Obergrenze werde man sich keinesfalls einlassen.

Im Ringen um die Regierungsbildung wird es ernst. Nachdem die SPD kategorisch ausgeschlossen hat, die große Koalition auch in der kommenden Legislaturperiode fortzuführen, deuten alle Zeichen auf Schwarz-Gelb-Grün. Dass es für die beteiligten Parteien CDU/CSU, FDP und Grüne nicht einfach werden wird, sich auf einen Koalitionsvertrag zu einigen, dürfte allen Beteiligten klar sein, so unterschiedlich sind ihre Positionen. Aber eine wirkliche Alternative ist nicht in Sicht. Dennoch, oder gerade deshalb, geben sich gerade die Juniorpartner FDP und Grüne nun skeptisch, auch die CSU hadert nach wie vor mit dem großen Bruder CDU. Alle bemühen sich, nun eindeutige rote Linien zu formulieren. Ein Versuch der Königsmacher, den Preis früh in die Höhe zu treiben und die CDU zu Kompromissen zu bewegen?

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner machte seinen Vorstoß in der Tageszeitung Die Welt, in der er sich an einer Regierungsbeteiligung gar nicht mehr so interessiert zeigte : "Manche verklären nun Jamaika zu einem romantischen Politikprojekt." Ungeachtet der rechnerischen Mehrheit hätten aber alle Parteien jeweils eigene Wähleraufträge. "Ob diese widerspruchsfrei und im Interesse des Landes verbunden werden können, steht in den Sternen", so Linder. Politik sei keine Mathematik.

Seine Partei sei "jederzeit gesprächsfähig", beteuerte Lindner. Sie werde aber nur in eine Koalition eintreten, "wenn es Trendwenden in der deutschen Politik" gebe. Die FDP hatte auf ihrem außerordentlichen Parteitag vor gut einer Woche ein Papier mit "Zehn Trendwenden für Deutschland" beschlossen. Die Forderungen betreffen unter anderem die Bereiche Bildung, Digitalisierung, Einwanderungspolitik, Steuerentlastungen und die Euro-Zone.

Die FDP will zum Beispiel ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild auf den Weg bringen. Auch eine "vernünftige Energiepolitik" sei für ihn unverhandelbar, sagte Lindner, dahingegen seien "automatische Finanztransfers in Europa" mit der FDP nicht zu machen. Sollten sich die Koalitionspartner darauf nicht einlassen, ziehe die Partei es vor, ihre Argumente aus der Opposition hervorzubringen.

Schwierig dürfte es für Union und Grüne werden, sich in der Flüchtlingspolitik zu einigen

Als besonders brenzlig gelten die Gespräche um die Flüchtlingspolitik. Vor allem für Grüne und CDU/CSU dürfte es schwierig werden, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen. Grünen-Chefin Simone Peter sagte der Rheinischen Post, sie sehe in der von der CSU geforderten Obergrenze für Flüchtlinge eine rote Linie: "In einer Koalition mit uns wird es ebenso wie bei CDU und FDP keine Obergrenze für Flüchtlinge geben. Darauf muss sich die CSU einstellen, wenn sie ernsthaft Jamaika sondieren möchte."

Eine Obergrenze ist schon zwischen CDU und CSU heftig umstritten, die Grünen sind seit langem dagegen und setzen sich für einen erleichterten Familiennachzug ein. "Unser politischer Kompass sind der Flüchtlingsschutz und die Menschenrechte, deshalb sollen anerkannte Flüchtlinge ihre Familien nachholen dürfen. Eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs über den zweijährigen Stopp zum März 2018 hinaus lehnen wir ab", sagte Peter der Zeitung.

Die CSU signalisierte im unionsinternen Streit um die Obergrenze am Dienstag erstmalig ein Entgegenkommen. "Es geht nicht nur um die Obergrenze, es geht bei Zuwanderung überhaupt um ein Regelwerk einschließlich der Fachkräfte-Zuwanderung, aber auch der Begrenzungen für die nächsten Jahre", sagte Parteichef Horst Seehofer. Der Hinweis auf ein Gesamtkonzept gilt in der Union als möglicher Weg eines Kompromisses mit der CDU.

Für die Grünen im Verhandlungsteam sitzen soll auch der Parteilinke und Ex-Fraktionschef Jürgen Trittin, an dem 2013 ein schwarz-grünes Bündnis gescheitert war. Eine Blitzumfrage für die ARD ergab, dass mittlerweile eine Mehrheit der Deutschen ein Regierungsbündnis aus Union, FDP und Grünen begrüßen würde. Seehofer warnte die Grünen dennoch vor überzogenen Forderungen. "Wir werden keine schrägen Kompromisse machen." Er rechne mit "außerordentlich schwierigen" Gesprächen zur Koalitionsbildung.

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Bisher galt es in Deutschland als Selbstverständlichkeit, dass die Regierung eine verlässliche Mehrheit hat und vier Jahre im Amt bleibt. Seit Sonntag ist diese Selbstverständlichkeit verschwunden.

Kommentar von Nikolaus Piper

So sehr die Koalitionsparteien auch taktieren mögen - bis tatsächlich eine neue Regierung steht, könnte noch einige Zeit vergehen. Der bayerische Ministerpräsident Seehofer sagte Berichten zufolge am Dienstag, dass CDU und CSU ihre Positionen in der ersten Oktober-Hälfte festlegen wollten. Damit wird es unwahrscheinlich, dass bereits vor der Niedersachsen-Wahl am 15. Oktober tiefergehende Koalitionsgespräche stattfinden.

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