Erdoğan-Demo in Köln:Wer warum auf die Straße geht

Erdogan-Anhängerin bei Demonstration in Berlin

Erdoğan-Fanschal auf einer Demonstration in Berlin. Köln erwartet 30 000 Anhänger des türkischen Präsidenten.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Köln erwartet 30 000 Pro-Erdoğan-Demonstranten. Wer sind die Demonstranten und ihre Gegner - und was sind ihre Motive?

Von Hannah Beitzer

"Ja zur Demokratie - Nein zum Staatsstreich": Unter diesem Motto ruft unter anderem die Union Deutsch-Türkischer Demokraten (UETD) für den 31. Juli zu einer Demonstration in Köln auf. Etwa ein Drittel der türkischstämmigen Menschen in Deutschland lebt in Nordrhein-Westfalen, weswegen hier immer wieder Demonstrationen und Kundgebungen türkischer Politiker und Interessenvertretungen stattfinden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ließ sich hier 2014 von 20 000 Anhängern feiern.

Die Demonstration richtet sich offiziell gegen den Putschversuch einiger Militärangehöriger in der Türkei vor zwei Wochen. Die Kölner Polizei geht jedoch davon aus, dass sich dort hauptsächlich Anhänger des türkischen Präsidenten Erdoğan versammeln werden. Die UETD gilt als Auslandsvertretung der türkischen Regierungspartei AKP. Eine Videoschalte nach Ankara verbot das Oberverwaltungsgericht, am Samstagabend bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Verbot in letzter Instanz. Eine Rede Erdoğans darf nun nicht live nach Köln übertragen werden.

In den vergangenen Tagen war immer wieder die Rede davon gewesen, dass Regierungsmitglieder nach Köln kommen werden - bis hin zu Erdoğan persönlich. Die Polizei hat von den Veranstaltern keine offizielle Rednerliste bekommen.

Die Polizei erwartet mindestens 30 000 Teilnehmer, die teilweise "hochemotionalisiert" seien, sagt der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies. 2700 Beamte sind im Einsatz, darunter auch türkischsprachige. Die Sicherheitslage werde insbesondere dann als bedenklich eingestuft, wenn Mitglieder der türkischen Regierung an der Demonstration teilnähmen, sagt Mathies. Dann könnte die gesamte Demo verboten werden.

Vertreter der türkischen Regierung werfen den deutschen Behörden wiederum vor, die Demonstration mit Tricks verhindern zu wollen. "Weil ein Verbot kaum Aussicht auf Erfolg hätte, versucht man die Demo mit anderweitigen Repressalien zu verhindern. Plötzlich springen Lieferanten ab, Dienstleister stornieren fest gebuchte Verträge. Das wirft kein gutes Licht auf das derzeitige Demokratieverständnis in Deutschland", sagt zum Beispiel Mustafa Yeneroğlu, Menschenrechtsbeauftragter der türkischen Nationalversammlung.

Präsident Erdoğan beschuldigt Deutschland, die Meinungsäußerungen türkischer Staatsbürger und Deutscher mit türkischen Wurzeln zu unterdrücken. Diese würden an Demonstrationen gehindert und dürften mancherorts nicht einmal die türkische Fahne an ihren Häusern hissen. Immerhin, die Großdemonstration am Sonntag haben die Behörden genehmigt.

Wer gegen die Erdoğan-Anhänger demonstriert

Die Erdoğan-Anhänger werden allerdings nicht die einzigen sein, die dann auf die Straße gehen. "Erdowahn stoppen" heißt die größte Gegendemonstration, die die Jugendorganisationen von SPD, Grünen, Linken und FDP für den Sonntag angemeldet haben. Im Vergleich zur Pro-Erdoğan-Demonstration ist die Teilnehmerzahl bescheiden. 1500 Menschen werden erwartet. Die Gegendemonstranten wollen sich damit nicht auf die Seite der türkischen Putschisten stellen - sondern gegen Einschüchterungen, Verhaftungen und Gewalt gegen Erdoğan-Gegner in der Türkei und Deutschland demonstrieren. Nach dem gescheiterten Putsch wurden in der Türkei massenhaft Richter, Staatsanwälte, Journalisten, Professoren und Lehrer entlassen oder gleich verhaftet.

Auch rechte und linke Gruppen wollen am Sonntag in Köln demonstrieren. "Keine Huldigungen für Erdogan in Deutschland": Unter diesem Motto hat unter anderem die rechte Partei Pro NRW eine Demonstration mit etwa 350 Teilnehmern angekündigt. Die Polizei hatte versucht, den Protestzug rechter Kräfte zu verbieten, da sie mit der Teilnahme von Hooligans rechnet, scheiterte aber vor Gericht.

Gegen die Rechten und die Anhänger des türkischen Präsidenten demonstriert das Bündnis "Köln gegen Rechts" mit voraussichtlich 500 Teilnehmern. "Weder Putsch noch Diktatur unterstützen wir. Für Demokratie, Gleichheit, Freiheit und Solidarität hier und in der Türkei!", schreibt das Bündnis auf seiner Webseite. Und: "Dass bei den deutschen Rechten die obligatorische Hetze gegen den Islam nicht fehlen darf, versteht sich von selbst. Aber das Problem ist nicht der Islam, sondern der diktatorische Wille eines Partners von BRD und EU."

Eine Demonstration linker Türken, der "Internationalen Krefelder", namens "Erdogans langer Arm in Deutschland" erwartet hingegen nur 20 Teilnehmer. Bewusst auf eine Demonstration verzichtet haben kurdische Interessenvertretungen und Organisationen. Man wolle die ohnehin schon emotionale Stimmung nicht weiter aufheizen und die Anhänger des türkischen Präsidenten nicht aufwerten.

Wie der Konflikt nach Deutschland kam

Längst ist klar: Der Konflikt, der zu der Demonstration geführt hat, ist kein innertürkischer mehr, sondern beschäftigt auch die deutsche Politik. In mehreren Bundesländern kam es in dieser Woche zu Attacken auf Schulen, Horte und andere Einrichtungen, die der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen nahestehen. Ihn beschuldigt die Regierung in Ankara, Drahtzieher des Putsches zu sein.

In einem Schreiben hat das türkische Generalkonsulat in Stuttgart die baden-württembergische Landesregierung aufgefordert, Gülen-nahe Einrichtungen zu überprüfen. Außerdem solle die Bundesregierung türkische Richter und Staatsanwälte ausliefern, die sich angeblich in Deutschland aufhalten.

Deutsche Politiker warnen Demonstranten

Deutsche Politiker kritisieren dieses Vorgehen der Regierung unter Erdoğan. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betont, er habe bisher keine Belege dafür gesehen, dass die Gülen-Bewegung für den Putsch in der Türkei verantwortlich sei. Folglich gebe es auch keinen Grund, ihre Vertreter in Deutschland zu überprüfen.

Der türkischstämmige Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir zum Beispiel verurteilt Einschüchterungsversuche gegenüber Erdoğan-Kritikern in Deutschland. "Wir erleben, dass hierzulande Jagd gemacht wird auf türkische Oppositionelle", sagte er der Funke-Mediengruppe. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, es gehe nicht, "innenpolitische Spannungen aus der Türkei zu uns nach Deutschland zu tragen und Menschen mit anderen politischen Überzeugungen einzuschüchtern". Er warnte die Demonstranten in Köln vor Gewalt.

Politiker von CDU und CSU hatten sich sogar für ein Verbot der Demonstration in Köln ausgesprochen. Der nordrhein-westfälische CDU-Sicherheitspolitiker Gregor Golland nannte es "unerträglich, dass innertürkische Konflikte in Deutschland auf offener Straße ausgetragen werden". CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte dem Spiegel: "Wer sich in der türkischen Innenpolitik engagieren will, kann gerne unser Land verlassen und zurück in die Türkei gehen." CDU-Sicherheitspolitiker Wolfgang Bosbach hingegen verwies auf die hohen Hürden für ein Verbot - forderte jedoch eines, sofern es Hinweise auf gewalttätige Auseinandersetzungen gebe.

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