Neue Sicherheitsstrategie der USA:Die Obama-Doktrin

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Abkehr von Alleingängen, Präventivschlägen und dem "Krieg gegen den Terror": Die Sicherheitsstrategie von Präsident Barack Obama bricht mit den Maximen seines Vorgängers George W. Bush.

Barbara Vorsamer

"Ihr seid entweder mit uns oder gegen uns in unserem Krieg gegen den Terror." Mit dieser martialischen und undiplomatischen Feststellung vergrätzte der damalige US-Präsident George W. Bush nicht nur Deutschland. Zahlreiche Verbündete der USA fühlten sich vor den Kopf gestoßen, da er ihnen im gleichen Atemzug vorwarf, untätig der Verbreitung des internationalen Terrorismus zuzuschauen.

Präsident Barack Obama bei seiner Rede an der Militärakademie in West Point. (Foto: afp)

Damals, in den Wochen und Monaten nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001, reagierten die USA hysterisch auf tatsächliche und vermeintliche Bedrohungen. In der sogenannten Bush-Doktrin rechtfertigte der Slogan "Krieg gegen den Terror" fast alles: Präventivschläge ohne Zustimmung von internationalen Organisationen, die massive Einschränkung von Bürgerrechten im Inland, die Kriege gegen den Irak und Afghanistan.

Nun hat Präsident Barack Obama seine Nationale Sicherheitsstrategie vogestellt. Darin bricht er mit der Politik seines Vorgängers. "Es ist eine ziemlich dramatische Abweichung von den bislang geltenden Maximen", sagt Susan Rice, die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen.

Eine sorgfältig orchestrierte Abfolge von Reden und TV-Auftritten brachte die Inhalte der Obama-Doktrin diese Woche unters Volk. Der Präsident selbst hielt eine Rede an der Militärakademie der USA (nicht zufällig derselbe Ort, an dem Bush vor acht Jahren seine Nationale Sicherheitsstrategie vorstellte), Außenministerin Hillary Clinton sprach bei dem renommierten außenpolitischen Think Tank Brookings Institute und Obamas Terrorismusberater Joe Brennan gab mehrere Interviews.

Die wichtigsten Änderungen

1. Abkehr vom Krieg gegen den Terror

Obamas Strategie, so heißt es in dem Dokument wörtlich, beinhaltet "keinen weltweiten Krieg gegen eine Taktik wie den Terrorismus und keinen Krieg gegen eine Religion wie den Islam." Sicherheitsberater Brennan verdeutlicht das im Gespräch mit der Washington Post: "Wir beschreiben unsere Feinde nicht als Islamisten oder Jihaddisten." Man wolle Terroristen nicht den Nimbus von religiösen Führern geben, sondern sie als das kennzeichnen, was sie seien: Mörder.

2. Betonung von Diplomatie und Zusammenarbeit

Der wohl deutlichste Bruch mit der Bush-Doktrin ist die Aussage, Amerika wolle "internationale Institutionen stärken und kollektives Handeln fördern." Auf dem Recht, einen Militärschlag im Alleingang durchzuführen, bestehen die USA zwar weiterhin, doch in seiner Rede erklärt der Präsident: "Amerika hatte keinen Erfolg damit, sich aus der internationalen Kooperation zurückzuziehen." Vor einem militärischen Alleingang sollen alle anderen Optionen ausgeschöpft werden.

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3. Fokus auf Bedrohung im Inland

Sogenannte Homegrown Terrorists sind nach der Meinung der US-Regierung derzeit die größte Bedrohung für Amerika. Damit gemeint ist die "Gefahr durch Menschen, die sich innerhalb der USA radikalisiert haben, sich im Ausland terroristisch ausbilden lassen, und dann mit tödlichen Plänen zurückkehren", erklärt Brennan. Beispiele gibt es aus der jüngeren Vergangenheit reichlich: So ist Faisal Shazad, der versucht hatte, am Times Square eine Autobombe zu zünden, ein US-Bürger pakistanischer Abstammung. Auch Nidal Hassan, der 2009 am Militärstützpunkt Fort Hood 13 Menschen getötet hatte, wurde in den USA geboren.

4. Wirtschaftliche Stärke

Für Präsident Obama ist Sicherheit ein wesentlich breiterer Begriff als für seinen Vorgänger. Eine florierende Wirtschaft ist nach Obamas Ansicht der Quell amerikanischer Stärke, weswegen er sie als sicherheitsrelevant einstuft.

5. Eine G-20-Welt

Wegkommen möchte der US-Präsident von der Konzentration auf die G 8 und Westeuropa. Stattdessen hält Obama die G 20 für das relevante Forum, um globale Probleme zu lösen. Seine Nationale Sicherheitsstrategie betont den Wunsch nach mehr Zusammenarbeit mit neuen Mächten und nennt an dieser Stelle neben China und Indien auch Indonesien, Südafrika und Brasilien. Auch feindliche Länder wie Iran und Nordkorea will der Friedensnobelpreisträger einbinden.

Was sich nicht ändert

1. Krieg gegen al-Qaida

Den Krieg gegen das Terrornetzwerk al-Qaida und dessen Partner wollen die USA mit unverminderter Härte fortführen, was auch militärische Operationen in Afghanistan, Pakistan und anderen Ländern beinhaltet. "Die Vernichtung von al-Qaida ist Priorität Nummer 1", sagt Obama.

2. Militärische Überlegenheit

"Die USA werden weiterhin die einzige Nation sein, die groß angelegte militärische Operationen ausführen kann", heißt es in dem Dokument. Das bedeutet, das Ziel, allen anderen Armeen überlegen zu sein, behalten die USA bei. Obama merkt jedoch an, wenn diplomatische Lösungen versäumt oder ohne Partner agiert werde, "überfordern wir unser Militär."

Die Kritik der Opposition ließ nicht lange auf sich warten. Obama würde sich zu eifrig für die USA entschuldigen, heißt es in rechten und neokonservativen Kreisen. Darüber hinaussei er zu schnell bereit, auf die Rolle der USA als globale Supermacht zu verzichten.

International wird man Obamas Rede mit Erleichterung gehört haben. Jene Länder, die sich von Bushs "Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns" vor den Kopf gestoßen fühlten, können sich mit Obamas Amerika nun wieder anfreunden.

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