Arabische Liga erwägt Syrien-Mission mit UN:"Je mehr Öffentlichkeit, desto besser"

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Als Farce haben Beobachter der Arabischen Liga ihren Einsatz in Syrien beschrieben, wegen der anhaltenden Gewalt wurde er unterbrochen. Jetzt möchte die Arabische Liga ihre Leute wieder ins Land zurückschicken - in Begleitung der Vereinten Nationen. Kann so der jüngste Gewaltausbruch eingedämmt werden? Und wie lang kann sich Assad noch halten?

Hannah Beitzer und Lilith Volkert

Erst Ende Januar hat die Arabische Liga ihre Beobachtermission in Syrien wegen der eskalierenden Gewalt unterbrochen. Nun will sie den Einsatz wieder aufzunehmen - gemeinsam mit den Vereinten Nationen. Liga-Generalsekretär Al-Arabi habe die Organisation "um Hilfe" gebeten, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

Fotograf bereist Syrien
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Die Gewalt in Syrien hält unvermindert an: Präsident Assad versucht mit allen Mitteln, den Aufstand in seinem Land niederzuschlagen, ausländische Journalisten sind nicht erwünscht. Ein Fotograf hat dennoch Kämpfer des Widerstands besucht und Szenen der Zerstörung, Angst und Hoffnung festgehalten.

von Marc Hofer

Außerdem könnte ein UN-Sondergesandter in das arabische Land geschickt werden, in dem seit März bereits etwa 6000 Menschen ums Leben gekommen sein sollen. In den kommenden Tagen soll darüber beraten werden. Am Samstag war eine Resolution im Weltsicherheitsrat am Veto Russlands und Chinas gescheitert. Seitdem waren Regierungstruppen in der Stadt Homs verstärkt gegen Oppositionelle vorgegangen. Hunderte Menschen wurden nach Angaben von Aktivisten getötet.

Hätte ein gemeinsamer Beobachtereinsatz von Arabischer Liga und Vereinten Nationen Erfolgschancen?

Eine gemeinsame Mission von Arabischer Liga und UN hätte zumindest den Vorteil, dass sie mehr neutrale Staaten einbinden würde. "Hinter der Arabischen Liga stehen für viele Syrer vor allem die Golfanrainerstaaten - und das sind für viele bezahlte Handlanger der USA", sagt Heiko Wimmen von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Würden stattdessen die Vereinten Nationen über Gewalttaten von Assads Soldaten berichten, werde das in Syrien ganz anders wahrgenommen.

Außerdem hat die UN viel Erfahrung mit ähnlichen Einsätzen, während die Arabische Liga vergangenen Dezember zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Beobachtergruppe entsandt hat. Welche Aussicht auf Erfolg ein solcher Einsatz letztlich hat, ist jedoch schwer zu sagen. "Doch je mehr Öffentlichkeit, desto besser", ist sich Heiko Wimmen sicher. "Denn die Berichte aus Syrien wirken auch in das Land zurück. Ein Teil der syrischen Bevölkerung, etwa in Damaskus und Aleppo, lebt in einer Parallelwelt und bekommt bisher nichts von den Unruhen mit - und reagiert folglich auch nicht darauf."

Warum wurde die erste Beobachtermission unterbrochen?

"Der Einsatz war eine Farce, und die Beobachter sind an der Nase herumgeführt worden", sagte der aus Algerien stammende Beobachter der Arabischen Liga Anwar Malek im Januar dem Fernsehsender Al-Dschasira. Er sei Zeuge fürchterlicher Szenen geworden und habe diese nicht verhindern können. Im Gegenteil: Durch seine Tätigkeit habe er es Assads Regime sogar erleichtert, das Töten fortzusetzen.

Die Arabische Liga hatte im Dezember 165 Beobachter ins Land geschickt, um den Abzug der Armee aus den Städten und die Freilassung aller politischen Gefangenen zu überwachen. Weil sie bei ihrer Arbeit behindert wurde und die Gewalt gegen Bevölkerung und Opposition nicht nachließ, wurde der Einsatz Ende Januar unterbrochen. Mehrere arabische Länder hatten schon vorher aus Protest ihre Missionsteilnehmer abgezogen.

In der Kritik steht auch der Leiter der Mission, der sudanesische General Mohammed al-Dabi. Er gilt als Vertrauter des sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir, der wegen Völkermords in Darfur vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht wird. In Syrien warfen ihm viele vor, eine unklare Linie zu fahren, um weder Assads Regime noch die Arabische Liga zu verprellen.

Wie wirkt sich das russisch-chinesische Veto im Weltsicherheitsrat auf die Lage in Syrien aus?

Die Enttäuschung über die Blockadehaltung von Russland und China war unter den anderen UN-Mitgliedern groß - Experten befürchten verheerende Auswirkungen auf die Lage in Syrien. "Die Resolution hätte der syrischen Führung klar vor Augen geführt, dass sie auf internationaler Bühne weitgehend isoliert ist. Dies ist nun nicht geschehen", sagt zum Beispiel Muriel Asseburg, Leiterin der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Das Regime habe nach wie vor den Rückhalt wichtiger internationaler Akteure - dies schränke auch die Wirkungen der von den USA, der EU, der Türkei und der Arabischen Liga verhängten Sanktionen ein.

Auch die New York Times schreibt: "Das Veto wird mit ziemlicher Sicherheit Präsident Baschar al-Assad stärken." Bereits kurz nach dem Scheitern der Resolution habe die syrische Regierung ihre Angriffe auf die Rebellenhochburg Homs verstärkt. "Das ist eine Lizenz, noch mehr dergleichen zu tun - und Schlimmeres", urteilt Peter Harling von der International Crisis Group (ICG). Das Regime werde so in dem Glauben gelassen, dass es immer härter zuschlagen könne. Harling befürchtet deswegen Schlimmes für die Region: "Wir treten jetzt in eine neue Phase ein, die noch viel gewalttätiger sein wird als alles, was wir bisher gesehen haben."

Wird Assad seine Position halten können?

Wohl eher nicht, glauben die Experten. "Es sieht immer stärker so aus, als ob Assad sich nicht auf Dauer halten können wird", sagt Muriel Asseburg. Allerdings könne es bis zum Ende des Regimes noch dauern und die Gewalt enorm eskalieren. Dies berge auch die Gefahr eines Bürgerkriegs - also nicht nur eines bewaffneten Machtkampfes, wie er bereits begonnen habe, sondern auch von Gewalt zwischen den einzelnen ethnischen und konfessionellen Gruppen.

Auch der Guardian schreibt, dass Russlands Premierminister Wladimir Putin die Stabilität des Regimes Assad nicht richtig beurteile: "Putin schätzt den Aufstand in Syrien ebenso falsch ein, wie er auch die Proteste bei sich zu Hause falsch einschätzt." Assad werde fallen - und Putins "tödlichster Feind" sei die Isolation, in die er sich selbst begeben habe.

Sogar Deutschlands sonst so nüchterne Kanzlerin fand harte Worte: "Präsident Assad hat an der Spitze seines Landes nichts mehr verloren", teilte Angela Merkel über einen Sprecher mit.

Wie wird Russland weiter vorgehen?

Russlands Außenminister Sergej Lawrow war am Dienstag nach Syrien gereist, um sich, wie er sagte, selbst ein Bild von der Lage zu machen und bei Präsdient Baschar al-Assad auf demokratische Reformen zu drängen. Auch nach dem umstrittenen Besuch setzt das Land auf einen Dialog zwischen dem Stellvertreter des Präsidenten, Faruk al Scharaa, und der Opposition. Für das Blutvergießen im Land seien sowohl das Regime als auch dessen Gegner verantwortlich, sagte Lawrow.

Es ist nicht weiter überraschend, dass Russland Interesse daran hat, einen Umsturz in Syrien zu vermeiden: Moskau ist Syriens wichtigster Waffenlieferant, der einzige Flottenstützpunkt Russlands im Mittelmeer liegt im syrischen Tartus - und außerdem sind sonst die meisten arabischen Staaten Verbündete der USA, was Washington einen geopolitischen Vorteil in der Region verschafft, der mit dem Sturz Assads noch verstärkt würde.

Außerdem erhofft sich Premierminister Wladimir Putin Aufwind im Wahlkampf - er will bei der Präsidentschaftswahl am 4. März nach einer Legislaturperiode Pause wieder russischer Präsident werden. "Deswegen dürfte Putin versuchen, seine Außenpolitik mit anti-westlicher Rhetorik zu spicken, um beim Wahlvolk zu punkten", sagte die Politikwissenschaftlerin Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Was können die anderen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen tun?

Verschiedene Staaten wollen nun unabhängig von der UN den Druck auf Assad erhöhen - zum Beispiel die USA. Außenministerin Hillary Clinton kündigte an, die Sanktionen gegen Syrien zu verschärfen. Die USA stecken laut New York Times in einem besonderen Dilemma: Sie wollen auf keinen Fall den Eindruck erwecken, den Aufstand gegen Assad zu steuern - dies würde, so schreibt die Zeitung, schließlich der Opposition in Syrien mehr schaden als nützen. Nach den erneuten Angriffen auf die Rebellenhochburg Homs sei diese Strategie jedoch hinfällig geworden.

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Die Sanktionen verschärfen will auch die EU. Bundesaußenminister Guido Westerwelle schlug außerdem eine internationale Kontaktgruppe vor, in der die Türkei und die Arabische Liga eine besondere Rolle einnehmen sollen. Heiko Wimmen von der SWP sieht die Chance, auf diesem Weg Russland zu dem Entschluss zu bewegen, in Syrien auf Reformen zu drängen.

Wer hat außer Russland und China Interesse daran, Assad zu halten?

Syrien ist der einzige arabische Verbündete von Iran. Sollten die westlichen Staaten allzu offensichtlich in Syrien intervenieren, könnte dies deswegen die gesamte Region destabilisieren - gerade zu einer Zeit, wo der Streit um das iranische Atomprogramm zu eskalieren droht.

Was unterscheidet Syrien von den anderen Ländern des Arabischen Frühlings?

"Syrien ist ein Vielvölkerstaat, in dem bislang ein autoritäres Regime herrscht, das sich auf eine Minderheit, die Alawiten, stützt", sagt Muriel Asseburg von der SWP, "auch andere Minderheiten - insbesondere die Christen, die Drusen, die Kurden - sind bislang zögerlich, sich dem Aufstand anzuschließen." Dabei spiele die Angst vor einem Bürgerkrieg und den Folgen insbesondere für die Minderheiten eine große Rolle. Die Syrer haben in zwei Nachbarstaaten, nämlich im Libanon und im Irak, gesehen, welches Leid das mit sich bringe.

Außerdem sei Syrien ein Schlüsselstaat in der Region - als "Frontstaat" zu Israel und als einziger staatlicher arabischer Verbündeter Irans. Eine Eskalation der Konfrontation könnte deshalb auch zu einem Stellvertreterkrieg in Syrien führen, in dem andere Staaten in der Region einzelne Kräfte unterstützen und ausrüsten.

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