Maskenaffäre:SPD droht Söder mit Untersuchungsausschuss

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Bisher hätten Söder und seine Minister nichts zu einer echten Aufklärung der Maskenaffäre beigetragen, findet die SPD in Bayern. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Bayerns Regierung soll alle Akten zu den von Andrea Tandler vermittelten Maskendeals vorlegen. Ausgerechnet diese Geschäfte waren besonders teuer für den Staat.

Von Andreas Glas, Lena Kampf, Klaus Ott und Jörg Schmitt, München

Markus Söder war erbost. Auf dem Markt für Corona-Schutzkleidung herrsche eine "Wild-West-Mentalität", schimpfte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Ende März 2020, kurz nach Beginn der Pandemie. Was Söder nicht ahnte: Der Wilde Westen bei der Beschaffung von Schutzmasken gegen das Virus würde sich ein Jahr später mitten in seiner Partei abspielen. Der jüngste Akt in der größten Affäre der CSU seit Jahrzehnten könnte sogar zu einem Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag führen.

Die Münchner Unternehmerin Andrea Tandler, Tochter des CSU-Granden Gerold Tandler, hat üppige Provisionen bei Maskendeals der Schweizer Firma Emix mit dem Freistaat Bayern, dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen kassiert. Es geht um Ansprüche in Höhe von 34 bis 51 Millionen Euro für die Firma Little Penguin. Ein großer Teil des Geldes soll auch geflossen sein. Die nach dem Zwergpinguin benannte Firma gehört Andrea Tandler und einem Partner von ihr.

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Der SPD-Landesvorsitzende und Landtagsabgeordnete Florian von Brunn spricht von einer "unvorstellbaren Abzocke in der Krise auf Kosten der Steuerzahler". Die SPD verlange von Söders Regierung die "sofortige Offenlegung aller Akten" zum Geschäft des Freistaats mit Emix. Bisher hätten Söder und seine Minister nichts zu einer echten Aufklärung beigetragen, "sondern nur versucht, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen". Sollte die Regierung weiter mauern, "könnten wir im Landtag auch bald über einen Untersuchungsausschuss diskutieren", droht Brunn. Er hat bereits Klage auf Auskunft beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht.

Auch die Linken attackieren Söder und die CSU. Der Parteichef solle von Andrea Tandler verlangen, die Provisionen aus den Maskendeals vollständig an den Bund zu überweisen, sagt der Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi. "Es darf nicht sein, dass sich das politische Umfeld der Union die Taschen vollmacht, während unser Kleingewerbe absäuft", so der Linken-Abgeordnete.

FFP-2-Masken kosteten den Bund im Schnitt mehr als doppelt so viel wie Masken von anderen Lieferanten

Andrea Tandler hatte vor allem an das Bundesgesundheitsministerium Masken und andere Schutzkleidung vermittelt. Lieferant war die Handelsgesellschaft Emix, von der Tandlers Little Pinguin GmbH dann die Provisionen in Millionenhöhe bekommen hatte. Die von Tandler vermittelten Geschäfte mit Emix gehörten zu den teuersten Maskenkäufen von Bund und Ländern. Das Bundesgesundheitsministerium hat nach eigenen Angaben für 670 Millionen Euro Schutzkleidung bei Emix gekauft.

Darunter waren 150 Millionen FFP-2-Masken für durchschnittlich 5,58 Euro das Stück. Das war im Schnitt mehr als doppelt so teuer wie bei anderen Lieferanten. Das ergab eine Anfrage von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR beim Bundesgesundheitsministerium. "Über alle Beschaffungskanäle betrachtet", so das Ministerium, habe man für Masken des Standards FFP2/KN 95 netto 2,31 Euro pro Stück bezahlt.

In Bayern klafften die Preise ebenfalls weit auseinander. Gesundheitsminister Klaus Holetschek teilte diese Woche dem Landtag mit, man habe haben zwischen Februar und Juni 2020 in 59 Fällen FFP2- beziehungsweise KN95-Masken gekauft. "Davon lagen 58 Verträge zwischen weniger als 3 und 5,99 Euro je Maske." Lediglich bei einem Vertrag habe der Preis zwischen 8 und 8,99 Euro je Maske gelegen, so Holetschek. Das war der von Andrea Tandler vermittelte Vertrag mit Emix gewesen. Das Ministerium hatte Anfang März 2020 eine Million dieser Masken für 8,9 Millionen Euro bei Emix gekauft. Also für im Schnitt 8,90 Euro pro Maske.

Das bayerische Gesundheitsministerium hat auf Anfrage diese Liste übermittelt. Mit deutlichem Abstand vorne: der Emix-Kauf. SZ, NDR und WDR hatten um eine aus Datenschutzgründen anonymisierte Liste gebeten.

Noch teurer kaufte das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen bei Emix ein. Dort wurden etwas mehr als 500 000 Masken für 9,90 Euro das Stück abgenommen. Das war der teuerste Stückpreis, den NRW bezahlte. In allen Fällen verweisen die Ministerien auf die Notlage, die zu Beginn der Pandemie geherrscht hatte. Der Weltmarkt sei zusammengebrochen, es sei kein günstigerer Preis zu erzielen gewesen, und Emix habe geliefert. Aber stimmt das? Konnte Emix wirklich nur zu diesem Preis liefern?

Insgesamt hat die Schweizer Handelsgesellschaft für 683 Millionen Euro Waren an den Bund, an Bayern und an NRW verkauft. Die beiden Emix-Inhaber, zwei Jungunternehmer als Zürich, könnten nach Angaben aus Unternehmenskreisen im besten Falle etwas über 200 Millionen Euro Gewinn gemacht haben. Sofern es nicht noch mehr war; genaue Zahlen sind nicht bekannt. Die Dienste von Tandlers Little Penguin für Vermittlung und Organisation in Deutschland sollen bis zu 51 Millionen Euro teuer gewesen sein. Abzüglich der Kosten dürfte auch da ein riesiger Profit angefallen sein.

Insgesamt könnten also bis zu 250 Millionen Gewinn oder vielleicht sogar auch mehr angefallen sein; bei einem Handel in Höhe von 683 Millionen Euro. Eine Gewinnspanne von offenbar deutlich über 30 Prozent, oder vielleicht sogar noch mehr: Normal ist das nicht. Genau ermitteln ließe sich das nur, wenn Emix und Little Penguin ihre Geschäftsbücher veröffentlichen würden. Was beide Unternehmen nicht machen.

Aufschlussreich wäre auch, wie die Verhandlungen zwischen Emix/Tandler und den drei Ministerien genau gelaufen sind. Die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier hatte Andrea Tandler Kontakte zur damaligen bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml und zu Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vermittelt. Huml wiederum vermittelte für Tandler den Kontakt nach NRW.

Bislang machen die Gesundheitsministerien in Bayern und im Bund aber keine Anstalten, die Korrespondenz mit Tandler und Hohlmeier sowie weitere Unterlagen zu den Deals vorzulegen. Unklar ist auch, wie mit anderen Anbietern und Lieferanten von Corona-Schutzkleidung verhandelt wurde. Die von Tandler vermittelten Emix-Masken seien überteuert gekauft worden, behauptet der Linken-Abgeordnete De Masi. "Alles muss geprüft werden." Bayerns SPD-Landeschef Brunn sieht das genauso.

Mit einer Stellungnahme zu Andrea Tandlers Millionen-Provisionen tut sich Bayerns Gesundheitsministerium schwer. SZ, NDR und WDR hatten gefragt: Findet Minister Holetschek es angemessen, dass Frau Tandler in einem solchen Umfang an Handelsgeschäften verdient hat, bei denen es damals um "Leben und Tod" (Zitat Minister Holetschek) ging? Die Antwort des Ministeriums: Weder "dieser Sachverhalt, noch etwaige Hintergründe oder Zusammenhänge" seien dem Ministerium bekannt und könnten daher "nicht bewertet werden".

SZ, NDR und WDR hatten auch das NRW-Gesundheitsministerium gefragt, ob der dortige Minister Karl-Josef Laumann die Tandler-Provisionen angemessen finde. Die Antwort: nein.

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