Luftangriff in Afghanistan:Nato räumt Tod von Zivilisten ein

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Die Nato hat zugegeben, dass bei dem Luftangriff bei Kundus auch Zivilisten verletzt und getötet wurden. Auch Verteidigungsminister Jung räumte das zumindest indirekt ein.

Die Nato hat eingestanden, dass bei dem Luftangriff am Freitag im Norden Afghanistans Zivilisten verletzt und getötet wurden. In einer in Kabul veröffentlichten Erklärung der Nato-Truppe Isaf heißt es, erste Untersuchungen ließen die Isaf davon ausgehen, "dass Aufständische, aber auch Zivilisten durch den Luftangriff getötet und verletzt wurden". Die Nato untersuche den Vorfall derzeit gründlich, um die genaue Zahl der zivilen Opfer feststellen zu können.

Die Internationale Schutztruppe Isaf rechnet mit einem endgültigen Ergebnis der Untersuchung des Luftangriffs erst in "mehreren Wochen". Der Kommission gehöre ein deutscher Offizier, ein Offizier der US-Luftwaffe und ein Rechtsberater an. Der kanadische Generalmajor C.S. Sullivan werde die Kommission leiten, die sich mit dem afghanischen Untersuchungsteam koordinieren soll.

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) räumte indirekt zivile Opfer bei dem von Deutschland angeordneten Luftangriff auf zwei Tanklastwagen nahe Kundus ein. In der Debatte nach einer Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Afghanistan-Politik sagte Jung im Bundestag: "Wenn es zivile Opfer gegeben hat, dann erfordert das unsere Teilnahme und unser Mitgefühl."

Jung wandte sich wie die Kanzlerin und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) aber gegen Vorverurteilungen. Der deutsche Kommandeur in Kundus habe eindeutige Hinweise gehabt, dass es sich bei den Entführern der Tanklastwagen um Taliban und andere regierungsfeindliche Gruppen gehandelt habe. Dieser deutsche Oberst dürfe jetzt nicht alleine stehengelassen werden.

Struck warnt vor Wahlkampf auf dem Rücken der Soldaten

Indessen warnte SPD-Fraktionschef Peter Struck davor, den Afghanistan-Einsatz zum Hauptthema im Wahlkampf zu machen. "Die Taliban-Angriffe haben auch etwas mit der Bundestagswahl am 27. September zu tun", sagte Struck vor einer Fraktionssitzung am Dienstag. Auf dem Rücken der Soldaten solle kein Wahlkampf ausgetragen werden.

Über die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums zeigte sich Struck, der von 2002 bis 2005 selbst Verteidigungsminister war, "beunruhigt". Er forderte umfangreiche Sachaufklärung, "Konsequenzen" seien zu ziehen.

Derweil gab die Staatsanwaltschaft in Potsdam Vorermittlungen zu dem von der Bundeswehr angeforderten Nato-Luftangriff an die Staatsanwaltschaft in Leipzig ab. Die dortige Behörde prüfe nun, ob gegen den verantwortlichen Oberst, der seinen Dienstsitz in Leipzig hat, ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet werden muss, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Potsdam. Der Überprüfungsvorgang sei wegen des "sehr komplexen Sachverhalts" bereits in diesem frühen Stadium an die Kollegen abgegeben worden.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam ist zunächst für alle Vorermittlungen zuständig, weil dort auch das für alle Auslandseinsätze der Bundeswehr zuständige Einsatzführungskommando angesiedelt ist. Bestätigt sich der Verdacht auf eine Straftat, leitet die Potsdamer Behörde den Fall an die Staatsanwaltschaft am Dienstsitz des betroffenen Soldaten weiter.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/AP/woja/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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