Labour Party:Ein Altlinker kämpft um den Vorsitz

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Die Parteikollegen drängen Labour-Chef Jeremy Corbyn zusehends an den Rand. (Foto: REUTERS)
  • Seit dem Eu-Austrittsreferendum probt die Parlamentsfraktion der Labour Party den Aufstand gegen ihren Chef: Jeremy Corbyn soll zu wenig Engagement gezeigt haben.
  • Der Altlinke ist bei vielen Parteikollegen unbeliebt. Ohnehin hatte kaum jemand mit seiner Wahl zum Vorsitzenden gerechnet: In letzter Minute hatte er die nötigen Nominierungen zusammengebracht.
  • Basis und Gewerkschaften stehen hinter Corbyn. Doch bei der nächsten Abstimmung zum Vorsitz fehlen ihm einflussreiche Verbündete.

Von Christian Zaschke, London

Während die britischen Konservativen sich gesammelt in die Sommerfrische verfügt haben, erfreut darüber, dass sie den Schock des Brexit-Referendums so schnell verarbeitet haben, herrscht in der Labour-Partei Aufruhr wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Kein Tag vergeht ohne interne Auseinandersetzungen, bisweilen gewinnt man den Eindruck, es handele sich um den letzten großen Kampf aller gegen alle, an dessen Ende die Auflösung der 116 Jahre alten Partei steht.

So weit wird es vermutlich nicht kommen, doch es ist bemerkenswert, wie zerstritten Labour ist. Das liegt vor allem daran, dass die Mehrheit der Fraktion den Vorsitzenden Jeremy Corbyn unbedingt loswerden will. Im Juni stimmten in einem Misstrauensvotum 172 Abgeordnete gegen den Chef und lediglich 40 für ihn.

Daraufhin forderten mehrere Parlamentarier Corbyn zum Rücktritt auf. Er trat jedoch nicht zurück, sondern verwies darauf, dass er bei der Basis eminent beliebt sei, weshalb er an der Spitze bleibe. Seither kracht es in der Partei, und nicht wenige Abgeordnete dürfte in diesen Tagen die Erinnerung daran quälen, wie Corbyn überhaupt zum Vorsitzenden wurde.

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In letzter Minute brachte Corbyn 35 Nominierungen zusammen

Im vergangenen Herbst war er überraschend mit knapp 60 Prozent der Stimmen der Mitglieder gewählt worden. Dass er überhaupt auf dem Wahlzettel stand, verdankte sich der Tatsache, dass manche Abgeordnete sich eine weitreichende Debatte wünschten und deshalb den Altlinken nominierten, ohne ihn wirklich zu wollen. Er sollte einfach die Diskussion bereichern.

35 Nominierungen von Parlamentariern brauchten Kandidaten, um an der Wahl teilnehmen zu können. Corbyn brachte sie in letzter Minute zusammen. Es wirkte wie eine hübsche Randnotiz, dass der damals 66-jährige Corbyn sich um den Vorsitz der Partei bewarb, gegen die er in seinen mehr als 30 Jahren im Parlament gut 500 Mal gestimmt hatte. Niemand gab ihm eine Chance.

Doch Corbyn mobilisierte die alten Labour-Mitglieder, die sich in den Jahren von Tony Blair und Gordon Brown und deren Projekt einer wirtschaftsfreundlichen Neuausrichtung von der Partei abgewandt hatten, und er begeisterte junge Wähler. Damals konnte man für drei Pfund das Recht erwerben, über die neue Führung abzustimmen, wovon Zehntausende Corbyn-Anhänger Gebrauch machten. Bevor das Establishment der Partei verstand, was da passierte, war es zu spät.

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Nach dem EU-Referendum in diesem Juni probte die parlamentarische Fraktion den Aufstand. Sie warf Corbyn vor, sich nicht ausreichend für den Verbleib in der EU eingesetzt zu haben und daher Mitschuld am Votum für den Brexit zu tragen. Fast das gesamte Schattenkabinett trat zurück.

Die Abgeordneten einigten sich darauf, eine neue Abstimmung über den Parteivorsitz anzuberaumen und den vormaligen Schatten-Arbeitsminister Owen Smith als Gegenkandidaten zu nominieren. Seither läuft der Wahlkampf.

Am Donnerstagabend traten Corbyn und Smith in Gateshead im Norden Englands in einer Debatte gegeneinander an. Während Corbyn bejubelt wurde, sah sich Smith bisweilen Buhrufen ausgesetzt. Die Parteibasis, so scheint es, ist weiter davon überzeugt, dass Corbyn der richtige Chef ist, um Labour in den nächsten Wahlkampf zu führen. In den vergangenen Monaten sind mehr als 100 000 Menschen in die Partei eingetreten, von denen die meisten offenbar Anhänger Corbyns sind.

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So groß der Rückhalt für Corbyn bei den Mitgliedern ist, so gering ist er in der Fraktion. In dieser Woche hat sich auch sein Stellvertreter Tom Watson gegen ihn gewandt. Er warf Corbyn vor, dieser erlaube, dass Trotzkisten die Partei infiltrierten.

In einem Brief an den Vorsitzenden schrieb er: "Dass diese Menschen sich Labour anschließen, ist keine Verschwörungstheorie. Das ist ein Fakt." In einem vierseitigen Dokument listete er Hinweise darauf auf, dass Mitglieder von Gruppierungen am sehr linken Rand des politischen Spektrums gesammelt in die Partei einträten.

Da Corbyn nicht nur die Unterstützung der Mehrzahl der Mitglieder hat, sondern auch die der meisten Gewerkschaften, gilt es als höchst wahrscheinlich, dass er auch die neuerliche Abstimmung über den Parteivorsitz gewinnt. Die große Frage ist in diesem Fall, ob es ihm gelingen kann, die zerstrittene Fraktion zu einen.

Am Donnerstag sagte Corbyn, die Möglichkeiten der Partei seien immens, wenn alle zusammenarbeiteten. Owen Smith hat allerdings bereits angekündigt, im Falle von Corbyns Sieg nicht in dessen Schattenkabinett zu dienen. Das wäre "zwecklos", sagte er. Am 22. August werden die Wahlunterlagen verschickt, bis zum 21. September muss abgestimmt werden. Das Ergebnis wird am 24. September in Liverpool verkündet.

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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