Krise in Nahost:Saudi-Arabien ruft Botschafter aus Berlin zurück

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  • Saudi-Arabien hat seinen Botschafter aus Berlin zurück beordert. Anlass ist eine kritische Aussage von Außenminister Sigmar Gabriel.
  • Der Minister hatte sich in die aktuelle Krise um den Rücktritt des libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri eingeschaltet und behauptet, er werde in Saudi-Arabien festgehalten.
  • Hariri widersprach Gabriel und landete wenig später in Paris. Am Mittwoch wird er im Libanon zurückerwartet.

Nach kritischen Aussagen von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) ruft Saudi-Arabien seinen Botschafter aus Berlin zurück. Wie die staatliche Nachrichtenagentur SPA mitteilte, beorderte das Königreich seinen diplomatischen Vertreter für "Konsultationen" nach Riad. Auch werde dem deutschen Botschafter in Saudi-Arabien eine Protestnote überreicht.

Unterdessen wurde der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri in Paris vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Élyséepalast empfangen. Er wolle seine politische Zukunft in den kommenden Tagen persönlich in seiner Heimat mit Staatschef Michel Aoun besprechen, sagte er in einem ersten Statement nach seiner Ankunft in Paris: "Sie wissen, dass ich meinen Rücktritt erklärt habe und im Libanon werden wir über diese Sache reden." Er plane, in den nächsten Tagen nach Beirut zu reisen und dort am Mittwoch an den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag teilzunehmen.

Angesichts der Spekulationen um das Schicksal von Hariri hatte Gabriel am Donnerstag gesagt, "dass gemeinsam aus Europa das Signal kommen muss, dass wir das Abenteurertum, was sich in den letzten Monaten dort breit gemacht hat, nicht mehr bereit sind, einfach sprachlos hinzunehmen". Das Statement fiel am Rande des Besuch von Gabriels libanesischem Amtskollegen Dschibran Bassil in Berlin. Weiter sprach Gabriel von einer "brandgefährlichen Entwicklung im Libanon" und warnte vor "blutigen Auseinandersetzungen" in dem Land sowie mit Nachbarländern. Nach der humanitären Krise durch den Krieg im Jemen und dem Konflikt mit dem Golfemirat Katar sei mit der Art und Weise, "wie mit dem Libanon umgegangen wird", nun die Spitze erreicht.

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Der möglicherweise erzwungene Rücktritt des libanesischen Premierministers könnte den Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran eskalieren lassen. Und die gesamte Region ins Wanken bringen.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

Hariri hatte am 4. November in Riad überraschend seinen Rücktritt erklärt, wobei er schwere Vorwürfe gegen die Hisbollah-Bewegung erhob, mit der er eine Koalitionsregierung gebildet hatte. Die Umstände seines Rücktritts führten zu Spekulationen, dass Saudi-Arabien ihn zum Rücktritt gezwungen habe. Libanons Präsident Michel Aoun erhob den Vorwurf, dass Hariri in Riad festgehalten werde. Gerüchte machten die Runde, der Regierungschef werde praktisch als Geisel gehalten, um im Libanon Spannungen mit der einflussreichen Schiitenmiliz Hisbollah zu erzeugen. Schutzmacht der Hisbollah ist Iran, das Land ringt mit Saudi-Arabien um Einfluss in der Region.

"Zu sagen, dass ich in Saudi-Arabien festgehalten werde, ist eine Lüge"

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In einem Tweet wandte sich Hariri direkt an den deutschen Außenminister und dementierte, festgehalten zu werden. "Zu sagen, dass ich in Saudi-Arabien festgehalten werde und es mir nicht erlaubt sei, das Land zu verlassen, ist eine Lüge. Ich bin auf dem Weg zum Flughafen, Herr Sigmar Gabriel", schrieb er.

Das Auswärtige Amt in Berlin gab nach dem Abzug des saudischen Botschafters eine Mitteilung heraus, in der weder das Königreich noch der Botschafter namentlich erwähnt wurden. Allgemein gehalten hieß es: "Wir haben angesichts der aktuellen Lage große Sorge über die Stabilität in der Region und rufen alle Seiten zum Abbau der Spannungen auf." Weiter hieß es: "Dies offen anzusprechen, ist unter engen internationalen Partnern möglich und selbstverständlich." Hariris Ausreise nach Paris und seine angekündigte Rückreise in den Libanon begrüße man "ausdrücklich".

Hariris Rücktritt droht das fragile Gleichgewicht im Libanon zu zerstören und die seit dem Ende des blutigen Bürgerkriegs 1990 ohnehin nie gelösten Konflikte zwischen den Volksgruppen erneut zu verschärfen. Es wird von vielen befürchtet, dass der Staat zum Schauplatz eines neuen Stellvertreterkrieges zwischen den rivalisierenden Regionalmächten Iran und Saudi-Arabien werden könnte.

Frankreich versucht sich als Vermittler

Paris hatte sich in den vergangenen Tagen mit zahlreichen diplomatischen Kontakten in die Krise eingeschaltet, unter anderem war Macron selbst vergangene Woche nach Riad gereist. Er hatte Hariri schließlich "für einige Tage" nach Frankreich eingeladen. Frankreich hat als frühere Mandatsmacht traditionell enge Kontakte zum Libanon. Auch die Familie Hariri hat enge Beziehungen zu den Machtzirkeln in Paris.

Hariri ist trotz seiner Rücktrittserklärung rechtlich noch immer der Regierungschef des Libanons, weil er seinen Rücktritt bislang nicht offiziell in Beirut eingereicht und auch Präsident Michel Aoun den Schritt nicht akzeptiert hat. eine erwartete Rückkehr nach Beirut wird als Voraussetzung für die Lösung der politischen Krise gesehen.

© SZ.de/dpa/AFP/jobr/tba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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