Koalition im Umfragetief:Das schwarz-gelbe Gruselkabinett

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Die schlechten Umfragewerte der Regierung sind keine vorübergehende Laune: Schwarz-Gelb hat versagt. Merkel und Westerwelle versuchen, das Tief einfach auszusitzen - doch diese Taktik wird keinen Erfolg haben.

Kurt Kister

Gewiss doch, Umfragen sind Momentaufnahmen. Wenn aber viele Momentaufnahmen über längere Zeit die gleichen Ergebnisse ausweisen, dann sind das keine zu vernachlässigenden Augenblicksstimmungen, sondern Beschreibungen der vorherrschenden Wahrnehmung in Deutschland. Die Meinungsumfragen so gut wie aller relevanten Institute ergeben seit Monaten ein eindeutiges Bild.

Die gute Stimmung ist dahin: Angela Merkel und ihr Vizekanzler Guido Westerwelle hätten heute keine Mehrheit mehr. (Foto: Reuters)

Erstens hat die schwarz-gelbe Regierung ihre Wähler massiv enttäuscht; gleichzeitig werden die Gegner dieser Koalition stärker als früher motiviert, sich wieder zu SPD und Grünen zu bekennen. Rot-Grün hat gegenwärtig sogar ganz ohne die Linke die Mehrheit im Bund. Zweitens verliert jede einzelne Regierungspartei an Zustimmung. Bei der FDP ist dies so deutlich, dass sie zum ersten Mal seit langem wieder an der Fünf-Prozent-Marke herumkrebst. Auch die CSU ist unter der Führung von Horst Seehofer weiter abgestürzt; eine klare Mehrheit der Bayern lehnt die CSU mittlerweile ab. Geringfügig besser, aber immer noch schlecht geht es der CDU. Gemeinsam kämen die drei, wären morgen Bundestagswahlen, in die Gegend von 35 Prozent.

Selbst Erfolge schreibt der Bürger nicht mehr der Regierung zu

Wer nach nicht einmal einem Jahr Amtszeit in der Wahrnehmung der Leute so schlecht dasteht, hat als Regierung versagt. Das beginnt bei der Kanzlerin, deren Wertschätzung bei den Wählern stark bröckelt. Es setzt sich fort über die kleinen Partner CSU und FDP, die nicht in der Lage sind, wirklich gemeinsam zu regieren, weil sie ihre je eigenen Positionen penetrant und manchmal pöbelnd gegeneinander verteidigen. Und es endet nicht dabei, dass selbst unbestreitbare Erfolge - die allmähliche Bewältigung der Wirtschaftskrise, die relativ niedrige Arbeitslosigkeit - nicht einmal auch dem Wirken der Regierung zugeschrieben werden, sondern der Konjunktur oder der allgemeinen Lage. Schwarz-Gelb wird nicht mehr als eine funktionierende, wenn auch schwierige Regierung gesehen, sondern als ein zerstrittener Machtverwaltungsverein von Leuten, die nicht miteinander können und die auch das Regieren miteinander nicht können.

Noch dazu wollen sich die Verantwortlichen dem Schlamassel nicht stellen. Die Kanzlerin hat vor ihrem Urlaub eine Weglächel-Pressekonferenz veranstaltet, ihr Vizekanzler schwadroniert von der "sehr erfolgreichen Politik" und der fast wunderlich gewordene CSU-Chef sieht sich, seine Partei und die Regierung auf bestem Wege. Weil Merkel, Westerwelle und Seehofer durchaus intelligent sind, können sie nicht glauben, was sie da sagen. Trotzdem halten sie an ihrer kontrafaktischen Schönrednerei fest, wohl weil sie annehmen, es werde schon irgendwie besser werden, demnächst.

Rot-Grün konnte sich bei Kohl bedanken

Nein, es wird nicht besser werden, im Gegenteil: Wenn die Spitzen dieser Regierung der Enttäuschung weiter behaupten, im Prinzip sei alles in Ordnung, werden noch mehr Menschen der Politik im Allgemeinen und Schwarz-Gelb im Besonderen den Rücken kehren. Viele Bürger, auch wenn sie sich nicht für politische Details interessieren, wollen trotzdem nicht, man entschuldige den drastischen Ausdruck, verarscht werden.

Auch Rot und Grün ging es 1999, im ersten Jahr ihrer Regierung, schlecht, man blickte in den Abgrund. Die Rettung kam, als Ende 1999 die Spendenaffäre der CDU ruchbar wurde. Helmut Kohl zog Rot-Grün aus dem Sumpf, und von da an lief es besser, weil man sich zusammenraufte. Dieses Wunder wird sich für Schwarz-Gelb nicht wiederholen.

© SZ vom 07.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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