Kim Jong-un im Süden:Ein großer Schritt für die beiden Koreas

  • Als erster nordkoreanischer Machthaber seit Kriegsende vor 65 Jahren hat Kim Jong-un südkoreanischen Boden betreten.
  • Im Mittelpunkt des mit Spannung erwarteten innerkoreanischen Gipfels stehen die atomare Abrüstung und eine langfristige Friedenslösung für das geteilte Korea.
  • Das Treffen der beiden Staatschefs könnte die Diskussionsgrundlage liefern für ein Treffen von Kim und US-Präsident Trump.

Von Christoph Neidhart, Panmunjom

Fast eine halbe Minute lang dauerte der Handschlag über die innerkoreanische Grenze, mit dem der südkoreanische Präsident Moon Jae-in Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un zum Gipfel im Waffenstillstandsdorf Panmunjom begrüßte. Moon hatte bereits an der Granitplatte gewartet, die die Grenze markiert, als Kim zuerst nervös, dann lachend auf ihn zukam. Schließlich machte Kim den kleinen Schritt über die Grenze, der die Geschichte der beiden Koreas verändern soll.

Er sprach als erster und ziemlich lange, Moon lächelte und sagte, er sei von weit her gekommen, er frage sich, wann er Nordkorea besuchen könne. Kim antwortete: "Warum nicht jetzt gleich?" Und die beiden machten Hände haltend den kleinen Schritt über die Grenzlinie nach Nordkorea. Das war von den Choreografen des Gipfels nicht vorgesehen. Schließlich posierten sie zuerst nach Norden und dann nach Süden für die Fotografen.

Andrei Lankow von der Kookmin-Universität in Seoul, einer der führenden Nordkorea-Experten, kommentierte: "Ich hätte eine Umarmung erwartet, aber vielleicht zählen zwei Handschläge als Umarmung."

Nachdem die beiden Staatschefs eine Ehrenformation abgeschritten hatten, gab es ein Gruppenfoto, für das sich die Delegationen bereits mischten. Anschließend trug Kim sich ins Gästebuch des "Friedenshauses" ein. Als er sich setzte, sprang seine Schwester Kim Yo-jong herbei, um ihm seinen eigenen Füller zu erreichen. Er schrieb ins Buch, dies sei der Beginn einer neuen Geschichte, einer Ära des Friedens und der Anfang zur Wiedervereinigung. Die Schwester nahm ihm auch den Blumenstrauß ab, den er von einem kleinen südkoreanischen Mädchen erhalten hatte. Sie ist nie weit weg von Kim.

Bei der ersten Gesprächsrunde, zu der die Staatschefs nur von je zwei Helfern begleitet wurden, saß die 30-Jährige neben ihrem Bruder. Sie machte eifrig Notizen, als Kim seine sicherlich vorbereiteten Eingangsbemerkungen machte. Er sagte, die beiden Koreas hätten seit ihrem letzten Gipfel elf Jahre verloren, von diesem Treffen dürfe es nicht wieder einen Rückfall auf Feld eins geben. Er wies auf Moons Herkunft hin, seine Eltern waren während des Koreakriegs aus dem Norden nach Süden geflohen, und erwähnte Naengmyeon, die kalten Buchweizennudeln, eine nordkoreanische Spezialität, die zum Bankett am Abend gereicht würden.

Als Moon Kim zur Antwort für seinen Mut dankte, die Einladung nach Panmunjom anzunehmen, schrieb die Schwester nicht mit, sie lächelte nur warm und verschmitzt. Sie hatte Moon am Eröffnungswochenende der Olympischen Winterspiele bereits mehrfach getroffen. Moon sagte, mit dem heutigen Tag sei die Demarkationslinie kein Symbol der Trennung der beiden Koreas mehr, sondern eines des Friedens zwischen den beiden Koreas.

Kims zweiter Begleiter während der ersten Gesprächsrunde war Kim Yong-chol, der frühere Geheimdienstchef, der bereits zur Schlussfeier der Spiele nach Südkorea gekommen war. Moon hatte seinen persönlichen Sekretär Lim Jong-seok und Geheimdienstchef Seo Hoon zur Seite.

Nordkorea erhofft sich Wirtschaftshilfe und Investitionen

Zu den Delegationen der beiden Koreas gehören auch die Außenminister beider Länder und hohe Militärs, jedoch niemand, der für die Wirtschaft zuständig wäre. Nordkorea erhofft sich von einem neuen Tauwetter Wirtschaftshilfe und Investitionen. In Südkorea warten Unternehmer und auch Regionen nur darauf, nach Norden expandieren zu können. Zumal Nordkorea billige Arbeitskräfte bieten wird und seine komplette Infrastruktur saniert werden muss. Aber der Süden würde, wenn er Kim in diesen Fragen derzeit entgegenkäme, gegen die UN-Sanktionen verstoßen. Und Moon gibt sich große Mühe, Nordkorea nichts zu versprechen, das Washington ihm vorwerfen könnte.

Enttäuscht zeigten sich manche Südkoreaner, dass die Delegationen ihren Lunch getrennt einnahmen. Aber wahrscheinlich wollte Kim den bisherigen Verlauf des Gipfels mit seinen Helfern ungestört besprechen und allfällige Entscheidungen treffen.

Die wichtigste Frage, die am Freitagmorgen am Rande des Gipfels, den 3000 Journalisten begleiten, diskutiert wird: Wie wird die Erklärung über die atomare Abrüstung formuliert werden? Wozu ist Kim bereit, wozu wird er sich verpflichten? Allerdings ist die Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel, die Südkoreas Vereinigungsminister Cho Myung-gyun zum wichtigsten Punkt der Tagesordnung des Gipfels erklärte, keine Frage, die Südkorea mit dem Norden aushandeln kann. Kim muss sie beim geplanten Treffen mit US-Präsident Donald Trump aushandeln. Der innerkoreanische Gipfel kann dazu bloß den Weg ebnen: mit positiven Signalen, guter Stimmung und viel Symbolik.

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