Israel:Muskelspiel mit klarer Botschaft

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Zehn Tage lang probten Zehntausende Soldaten und Reservisten an Israels Nordgrenze den Ernstfall, zu Wasser, in der Luft und zu Lande. (Foto: Jalaa Marey/AFP)
  • Im Norden des Landes führte die israelische Armee eine Militärübung durch - so groß wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr.
  • Israel fürchtet, dass die schiitische Hisbollah und Iran im syrischen Machtvakuum ihre Stellung weiter ausbauen können.
  • Das Land will damit militärische Stärke gegenüber der Hisbollah demonstrieren. Und Russland und den USA signalisieren: Ihr müsst euch mehr engagieren.

Von Moritz Baumstieger, München

Die Piloten von Israels Luftwaffe ließen es sich nicht nehmen, dem Feind eine Extra-Warnung frei Haus zu liefern: Am Sonntagmorgen donnerten Jets im Tiefflug über den Süden Libanons, über der Küstenstadt Sidon durchbrachen sie die Schallmauer. Die Druckwelle ließ einige Scheiben in der Altstadt zerspringen und wies die Südlibanon dominierende Hisbollah so noch einmal auf die große Leistungsschau hin, die Israels Armee gerade keine 50 Kilometer entfernt abhält.

Diese Erinnerung hätte die Schiitenmiliz kaum gebraucht, die in Libanon mit in der Regierung sitzt und im Nachbarland Syrien für Diktator Baschar al-Assad den Sieg erkämpft hat: Das zehn Tage andauernde Manöver an Israels Nordgrenze war so gewaltig, dass es von libanesischer Seite nicht zu übersehen war.

Eine vergleichbar große Übung hat es in Israel seit zwei Dekaden nicht mehr gegeben

Zehntausende Soldaten und Reservisten probten den Ernstfall, zu Wasser, zu Lande und eben auch in der Luft. Sie evakuierten ganze Dörfer, übten den Schutz von Städten, simulierten Gegenschläge nach Angriffen genauso wie Offensivoperationen. Eine vergleichbar große Übung hat es in Israel seit zwei Dekaden nicht mehr gegeben. Wenn das Manöver an diesem Freitag zu Ende geht, sollen nach Willen der Israelis zwei Nachrichten bei ihren Empfängern angekommen sein: eine bei der Hisbollah - und eine in den Hauptstädten der Großmächte, also in Moskau und in Washington.

Die Botschaft an den Nachbarn im Norden, mit dem Israel zuletzt 2006 Krieg ausfocht, ist denkbar einfach: "Ihr mögt eure Kräfte in den vergangenen elf Jahren ausgebaut haben - unsere sind noch ungleich viel stärker gewachsen", so formuliert es ein hochrangiger israelischer Offizier. Weil die Hisbollah ihre Stellung in Syrien immer weiter festigt, dort laut Geheimdienstberichten Spähtechnik installiert, mit iranischer Hilfe Raketenfabriken baut und Israel so von einer weiteren Front aus bedrohen könnte, will Jerusalem seine Muskeln zeigen: Der nächste Krieg, der nun aufwendig geübt wurde, soll nicht mehr bloß den Feind schwächen. Die Hisbollah soll endgültig besiegt und so hart getroffen werden, dass sie "entweder nicht mehr die Fähigkeit oder nicht mehr den Wunsch hat, anzugreifen", so der Offizier. "Was wir 2006 in 34 Tagen geschafft haben, erreichen wir heute in 48 bis 60 Stunden."

Russland und den USA hingegen möchte Israel zeigen, dass es die in Syrien entstandene Situation nicht hinnehmen wird, wenn die Großmächte seine Sorgen weiter missachten. Ende August hatte die Regierung von Benjamin Netanjahu eine diplomatische Initiative gestartet, um in Washington und Moskau auf die dramatisch verschlechterte Lage durch den Bürgerkrieg hinzuweisen: Neben der Hisbollah, die mit 5000 Mann in Syrien präsent ist, baut auch der zweite große Erzfeind der Israelis dort seine Macht aus. "Überall, wo der IS verschwindet, erscheint Iran", sagte Netanjahu bei einem Treffen mit Wladimir Putin in Sotschi. Der russische Präsident reagierte nicht so, wie Israel erhofft hatte: "Während Netanjahu im kalten Schweiß Putin fiebrig die schrecklichsten Szenarien beschrieb, schien Letzterer nur einfühlsam zu seufzen: Leider können wir nicht helfen", schrieb etwa die Prawda - Israels Feinde Iran und Hisbollah sind genau wie Russland enge Verbündete Assads.

Trumps Nationaler Sicherheitsberater soll die Israelis angeschrien haben

In den USA lief es fast noch schlechter: Fotos belegen zwar, dass sich die israelische Delegation unter dem Vorsitz von Mossad-Chef Yossi Cohen privat gut mit den US-Kollegen verstand - ein Aufnahme zeigt die Männer ohne Krawatten auf der Terrasse des Hauses von H. R. McMaster, dem Nationalen Sicherheitsberater Donald Trumps. Inhaltlich aber seien die Differenzen so groß gewesen, dass McMaster seine Gäste laut Berichten teils angeschrien haben soll. Die USA legen ihren Fokus in Syrien nun ausschließlich auf den Kampf gegen den IS - was nach der Terrormiliz kommt, kümmert sie im Gegensatz zu Netanjahu bisher wenig.

Der Luftangriff auf ein Militärforschungszentrum in Zentralsyrien vergangene Woche, in dem mutmaßlich auch Chemiewaffen hergestellt wurden, war deshalb eine erste Warnung, dass Israel zur Not in Alleingängen für seine Sicherheit sorgen wird. Die zweite erfolgte nun mit dem Manöver. Offizielle Reaktionen aus den USA und Russland blieben bisher aus, doch zumindest in der Nachbarschaft scheint die Botschaft angekommen zu sein: Der israelische Luftschlag in Syrien und die Großübung seien kein Anlass für Krieg, sagte nun Scheich Naim Kassim im libanesischen TV. Für den Vizechef der Hisbollah sind das recht kleinlaute Töne.

© SZ vom 15.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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