Hamas-Führer getötet:Mabhuhs letzte Reise - mordete der Mossad?

Ein Killerkommando hat in Dubai einen Hamas-Führer kaltblütig ermordet. Experten sehen die Handschrift des israelischen Geheimdiensts.

Nicolas Richter und Katja Riedel

Das Opfer sieht man gegen 20:30 Uhr zum letzten Mal, da schlendert Mahmud al-Mabhuh aus dem Aufzug im Al-Bustan-Rotana-Hotel in Dubai. Er trägt Jackett, kariertes Hemd und eine Plastiktüte in der Hand. Dann verschwindet er in seinem Hotelzimmer.

Hamas-Führer getötet: Die Sicherheitsbehörden in Dubai hatten leichtes Spiel: Täter und Opfer wurden ständig von Überwachungskameras gefilmt.

Die Sicherheitsbehörden in Dubai hatten leichtes Spiel: Täter und Opfer wurden ständig von Überwachungskameras gefilmt.

(Foto: Foto: Reuters)

Dort, so haben es die Ermittler rekonstruiert, wird al-Mabhuh zunächst wohl mit einem Elektroschock-Gerät niedergestreckt und dann mit einem Kissen erstickt. Weil längere Zeit niemand ans Telefon geht, brechen Hotelangestellte schließlich am nächsten Tag seine Zimmertür auf. Die Tür ist innen mit der Kette gesichert.

Al-Mabhuh ist tot. Zunächst vermutet man Bluthochdruck, später stellt sich heraus, dass der 48-Jährige keines natürlichen Todes starb. Ein mindestens elfköpfiges Team hat den hochrangigen Führer der radikalislamischen palästinensischen Hamas ermordet. Es waren Profis am Werk.

Angst um den Ruf der Glitzerwelt

Allem Anschein nach handelt es sich um eine jener Verschwörungen, für die der Nahe Osten schon immer eine besonders geeignete Bühne war. Vieles deutet darauf hin, dass die Täter für den israelischen Geheimdienst Mossad arbeiteten, aber sie könnten auch aus den Reihen der Hamas selbst stammen oder gar aus der palästinensischen Fatah, die mit der Hamas verfeindet ist.

Die Sicherheitsbehörden in Dubai rühmen sich, nur 24 Stunden gebraucht zu haben, um die Tat aufzuklären. Sie möchten vermeiden, dass das glitzernde Emirat am Golf mit seinen Luxusbauten in den Ruch gerät, blutige Abrechnungen auch nur zu dulden.

Leichtes Spiel hatten die Ermittler auch deshalb, weil die Täter vom Flughafen über die Hotelhalle bis zum Aufzug ständig von Videokameras gefilmt wurden, und weil die meisten Verdächtigen in örtlichen Hotels eincheckten, wo sie ihre Papiere vorzeigten.

Demnach handelt es sich bei den Tätern um mehrere Briten, Iren, einen Franzosen und einen Deutschen. Insgesamt werden elf Personen mit Namen und Foto gesucht. Die meisten sehen aus, als seien sie nahöstlicher Herkunft. Wie die Polizei ermittelt hat, trafen die ersten Täter etwa 19 Stunden vor der Tat am Flughafen von Dubai ein. Fünf kamen aus Frankfurt, vier aus Zürich, zwei aus Paris, vier aus Rom.

Als das spätere Opfer al-Mabhuh am Nachmittag des 19. Januar um 15:25 Uhr unter falschem Namen in einem Luxushotel eincheckt, sind ihm die Täter schon auf den Fersen. Al-Mabhuh betritt einen Lift, um in sein Zimmer zu fahren, da drängen sich noch schnell zwei Tennisspieler zu ihm in die Kabine. Die Sportler mit ihren weißen Socken, Schirmmützen und Rucksäcken beobachten anschließend auf dem Flur, in welchem Zimmer der Mann absteigt.

Die Kameras halten auch fest, dass einer der Verfolger anschließend offenbar die Zimmernummer an die übrigen Teammitglieder weitergibt, während sein Komplize in der Empfangshalle steht, mit dem Tennisschläger in der Hand, und Wasser aus einer Plastikflasche trinkt. Der lakonische Kommentar der Polizei: "Das Teammitglied beobachtet die Lage."

Die Auswertung der Telefonate hat ergeben, dass sich die Täter in Dubai nie direkt anriefen. Der Kontakt lief stets über eine österreichische Nummer, von dort erhielten sie ihre Informationen und Kommandos. "Es wird vermutet, dass dies eine Art Kommandozentrum war", bemerkt die Polizei.

Ungewöhnliche Passnummer

Die Verdächtigen wussten offenbar, dass sie ständig gefilmt wurden: Die angebliche irische Staatsbürgerin Gail Folliard trägt lange rote Haare, die sie später unter einer dunklen Perücke verbirgt. Einmal grinst sie im Hotelflur verächtlich in eine Überwachungskamera.

Der Mann mit den deutschen Papieren nennt sich Michael Bodenheimer; er kam aus Frankfurt und reiste drei Stunden nach der Tat nach Hongkong. Man muss bei einem solch professionellen Kommando davon ausgehen, dass alle Beteiligten falsche Papiere und Namen benutzten. Zu Bodenheimer geben die Behörden in Dubai die Passnummer 74812 an, was für deutsche Papiere ungewöhnlich kurz ist.

Der Aufwand der Operation deutet jedenfalls darauf hin, dass ein erprobter Geheimdienst mit erheblichen finanziellen Ressourcen die Täter zumindest unterstützt hat. Sicherheitsexperten sehen in der Aktion deutlich die Handschrift des Mossad und gehen davon aus, dass alle Täter israelische Staatsbürger sind. Ein Bruderkampf unter Palästinensern wäre demnach unwahrscheinlich.

Der Fall erinnert an eine jüngere Aktion des US-Geheimdienstes CIA in Mailand; dort beobachtete ein ganzes Agententeam einen muslimischen Geistlichen und entführte ihn, tötete ihn aber nicht. Die italienische Justiz hat den Fall bis ins Detail aufgeklärt, auch anhand der Telefon- und Kreditkartenspuren der Amerikaner. Allerdings wurden die Täter von den USA nie an Italien ausgeliefert. Auch im Fall Dubai dürften die Beteiligten kaum zu fassen sein.

Der Palästinenser al-Mabhuh, der ein Waffenschmuggler sein soll, ist jedenfalls verloren, als seine Verfolger sein Zimmer ausfindig gemacht haben. Um 15:53 Uhr meldet sich einer von ihnen, der in einem anderen Hotel abgestiegen ist, in dem Luxushotel al-Bustan und mietet das Zimmer 237 - das Zimmer, das dem Zimmer des späteren Opfers genau gegenüberliegt.

"Hinrichtungsteams" im Hotel

Bis zum Abend wird eine Kamera auf dem Flur immer wieder aufzeichnen, wie bei Nummer 237 Leute ein- und ausgehen. Bis zum frühen Abend werden zwei - von der Polizei so genannte - "Hinrichtungsteams" im Hotel eintreffen.

Gegen halb neun kehrt der Palästinenser al-Mabhuh ins Hotel zurück. Unklar ist, wie die Täter in sein Zimmer gelangten, sie können das elektronische Schloss manipuliert oder einfach angeklopft haben. Später filmen Kameras, wie ein "Hinrichtungsteam" das Hotel verlässt - man sieht zwei bullige Typen, lässig gekleidet, einer mit Strandtasche. Die Täter verlassen das Land binnen Stunden, fliegen nach Paris, Zürich, Frankfurt, Südafrika oder Hongkong.

Dubai hat gegen elf der Täter internationale Haftbefehle erlassen, auch das Bundeskriminalamt ist eingeschaltet. Inzwischen sollen zwei Palästinenser von Jordanien an Dubai ausgeliefert worden sein. Der Bruder des Toten bleibt aber dabei: Täter könne nur der Mossad sein.

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