Schuldenkrise in Griechenland:Auszeit für die Aufgeregten

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Wiederkehrendes Muster in der Krise: Die Probleme landen an höchster Stelle, dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras und seiner deutschen Kollegin Angela Merkel. (Foto: Bloomberg)

Die griechische Regierung bekommt doch mehr Zeit. Die neue Frist für Reformen ist der 30. Juni. Das ist politisch klug, denn der Aufschub schafft Spielräume.

Kommentar von Stefan Kornelius

Fristen sind im griechischen Schuldendrama nicht willkürlich gewählt, sondern der kalendarische Spiegel von Abmachungen und Verträgen. Einerseits. Andererseits hat die Politik immer die Möglichkeit, Fristen zu dehnen und Kriterien neu zu interpretieren. Verträge sind biegsam - wenn es die politische Vernunft verlangt und alle Seiten am Ende davon profitieren. In diesem Sinne gibt es nun die Übereinkunft, dass für Griechenland nur eine Frist zählt: der 30. Juni, wenn das zweite Rettungsprogramm ausläuft.

Diese Nachricht lässt Rückschlüsse zu. Die wichtigste Botschaft: Alle Seiten, auch die griechische Regierung, haben die Dramatik des Augenblicks erkannt und suchen nun ernsthaft nach einer Lösung. Das war in den jüngsten Wochen nicht immer der Fall, vor allem weil die Regierung von Alexis Tsipras viel Zeit für ihre Selbstfindung brauchte (und noch braucht). Wäre die Situation nicht so dramatisch, würde das nicht schmerzen - auch deutsche Regierungen ließen sich Monate für einen Koalitionsvertrag und stolperten durch weit unbedeutendere Entscheidungen.

Der Ton ist wieder freundlicher - ein Indiz, dass es vorangeht

Für die Regierung Tsipras sind die ersten Entscheidung die schwierigsten. Es geht um den Bestand des Landes, der Koalition, des eigenen Jobs. Natürlich will Tsipras Ministerpräsident bleiben. Natürlich kann er nach acht Wochen seine Koalition nicht preisgeben. Natürlich sind seine innenpolitischen Zwänge nicht weniger hart als die in der Euro-Zone. Und doch muss er sich bewegen, muss seine Reformbereitschaft beweisen, seine Regierungskraft.

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Von Cerstin Gammelin

Wenn von den sogenannten Institutionen nun "Fortschritte" gemeldet werden, dann heißt das vor allem: Griechenland und die Euro-Länder - vor allem die Deutschen - reden nicht mehr aneinander vorbei. Sie reden miteinander. Auch dafür gibt es mehr Indizien als Beweise, aber auch die lassen Hoffnung zu: Deutschland ist komplett aus dem Fokus des griechischen Regierungszorns verschwunden. Die Reparationsdebatte - verpufft. Die Ausfälle des Finanzministers - vorbei. Überhaupt Varoufakis: Er wird nicht wirklich zu einer konstruktiven Lösung beitragen.

Acht Wochen Ruhe nach aufgeheizter Stimmung

Wie so häufig in den sechs europäischen Krisenjahren landet das Problem bei den höchsten Entscheidungsträgern. In diesem Fall sind das Angela Merkel und Alexis Tsipras. Wenn Merkels Logik weiter gilt, dann ist ein guter Kompromiss dann erreicht, wenn sich das Pendel leicht in ihre Richtung neigt. In der Causa Athen heißt das: Die Auszahlung weiterer Rettungsgelder muss plausibel begründbar sein, Tsipras muss Reformen vorlegen. Welche? Das wird er am besten wissen. Eine Rentenreform wird er seiner Klientel nicht zumuten können, eine Steuererhöhung für Reiche schon. Wenn es in der Koalition hakt, kann er immer noch das Volk befragen.

Tsipras wird in den nächsten Wochen Risiken eingehen müssen. Nach der aufgeheizten Fristendebatte um Listen, Pläne und Zahlen ist es gut, dass sich die Gemüter nun acht Wochen lang beruhigen können. Ob die Zeit genutzt wurde, weiß man Ende Juni, nach dem EU-Gipfel.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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