Gleichstellung:Union stemmt sich gegen Ehe für alle

  • Zwei Tage nach der überraschenden Öffnung durch Merkel hin zu einer freien Abstimmung über die Ehe für alle wächst in den Reihen der Union der Widerstand.
  • Merkel sagte der Wirtschaftswoche, es sei "traurig und unnötig", dass das Thema in eine parteipolitische Auseinandersetzung gezogen wurde.
  • CSU-Chef Seehofer nannte das Verhalten der SPD unwürdig.

Von Stefan Braun, Berlin

Eine Entscheidung über die Ehe für alle rückt immer näher. Gleichwohl ist es noch nicht ausgemacht, dass sich Grüne, Linke und SPD mit ihrem Plan durchsetzen, die Abstimmung tatsächlich schon am Freitag durchzuführen. Zwei Tage nach der überraschenden Öffnung durch Kanzlerin Angela Merkel hin zu einer freien Abstimmung über das Thema wächst in den Reihen der Union der Widerstand, sich im Verfahren von den anderen Parteien im Parlament derart überfahren zu lassen.

Scharfe Kritik kam von Merkel selbst. Sie sagte der Wirtschaftswoche: "Mir ist es fremd, wie eine solche Entscheidung genau in dem Moment, als sich die realistische Aussicht auf ein fraktionsübergreifendes Vorgehen ergab, in eine parteipolitische Auseinandersetzung gezogen wurde." Dies sei "traurig und vor allem auch völlig unnötig".

"Normalerweise ist das ein Koalitionsbruch", sagte CSU-Chef Horst Seehofer der Augsburger Allgemeinen. Er nannte das Verhalten der SPD "unwürdig". "Alle rechtlichen Bedenken werden ausgeblendet. Man hätte das auch in aller Ruhe im Herbst machen können."

Hochgradig verärgert sind auch andere Unionspolitiker, darunter Fraktionschef Kauder. Als sicher gilt deshalb, dass die Unionsfraktion am Freitag alle Abgeordneten mobilisieren wird, um das Thema auf der Tagesordnung des letzten Sitzungstages vor der Sommerpause zu verhindern.

FDP-Chef Christian Lindner hält die Hast für unangemessen. "Das ist insgesamt sehr unschön, wie das alles läuft", kritisierte er. "Das Thema wird sozusagen von der Couch anmoderiert und dann hopplahopp im Konflikt durchs Parlament gebracht", sagte er in Anspielung auf die überraschende Neupositionierung von Merkel bei einer Veranstaltung der Zeitschrift Brigitte. Dieses Vorgehen werde dem Anliegen nicht gerecht. "Das hätte man sich anders gewünscht", sagte Lindner.

Bei der ersten Abstimmung vom Freitag steht Grünen, Linken und Sozialdemokraten ein knapper Ausgang bevor. Sollten ihnen zu viele ihrer zusammen 320 Abgeordneten fehlen, um die 309 Unionsabgeordneten zu überstimmen, wäre eine Entscheidung auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben.

Katholische Kirche spricht sich gegen Ehe für alle aus

Wie geschlossen die Reihen der Union sind, zeigte sich am Mittwoch im Rechts- und im Innenausschuss des Bundestages. In beiden Gremien stimmten alle Unionsabgeordneten dagegen, einen vorhandenen Gesetzentwurf am Freitag dem Plenum zur Schlussabstimmung vorlegen. Im Rechtsausschuss lagen Linke, Grüne und SPD mit 20 zu 19, im Innenausschuss mit 19 zu 18 Stimmen vorne. Erst wenn das Thema auf die Tagesordnung kommt, darf abschließend darüber entschieden werden.

Offen ist auch, wie viele Unionsabgeordnete tatsächlich für die Ehe für alle stimmen werden. Von einer "beachtlichen Minderheit" spricht man in der Unionsfraktion; Zahlen aber kann und will niemand nennen. Zumal viele Unionsabgeordnete verärgert sind über die anderen Parteien, aber auch leise Frust schieben über die Panne der Kanzlerin. Als solche wird Merkels Auftritt vom Montag inzwischen gewertet, bei dem sie erstmals davon sprach, die Sache zu einer Gewissensentscheidung zu machen. Nach dem Urteil führender Christdemokraten hatte sie "nicht auf dem Schirm", dass im Parlament fertige Gesetzentwürfe schlummerten.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ließ verlauten, es sei "bedauerlich, dass diese Frage jetzt unter dem Zeitdruck einer zu Ende gehenden Legislaturperiode entschieden werden soll". Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, betonte, er bedaure es, "wenn der Ehebegriff aufgelöst werden soll und damit die christliche Auffassung von Ehe und das staatliche Konzept weiter auseinandergehen". Deshalb sei das überstürzte Verfahren völlig unangemessen.

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