Gipfel in Helsinki:Erst hält Trump sich ans Skript, dann wird es bizarr

  • Bei der Abschluss-Pressekonferenz in Helsinki sorgt Trump ein weiteres Mal für große Irritationen.
  • Kein einziges kritisches Wort an seinem Gipfel-Partner Putin geht dem US-Präsidenten über die Lippen.
  • Stattdessen nutzt Trump die mediale Bühne, um sich erneut für seinen Sieg über Clinton zu feiern und Kritik an Sonderermittler Mueller zu üben.
  • Trumps Auftritt wird in den USA großteils mit Entsetzen aufgenommen - bei Demokraten wie Republikanern.

Von Matthias Kolb

Als die ersten Gerüchte über einen Gipfel zwischen Donald Trump und Wladimir Putin aufkamen, tauchte ein Satz immer wieder auf. Ein hochrangiger Berater aus dem Weißen Haus sagte im Schutze der Anonymität: "Er lässt sich nicht aufhalten. Er will ein Treffen mit Putin haben, also bekommt er es." Mit "er" ist natürlich der US-Präsident gemeint, der nichts mehr liebt als im Mittelpunkt zu stehen. Diese Art von Events garantieren die Aufmerksamkeit der Weltpresse und wie sehr Trump diese genießt, war jetzt auch wieder während der Abschlusspressekonferenz in Helsinki zu beobachten.

Unruhig steht er neben dem russischen Präsidenten, der als erster reden darf und die "offene und vertrauensvolle Atmosphäre" beim Treffen lobt. Als Trump zu sprechen beginnt, wird schnell klar, dass er abliest, was ihm Diplomaten aufgeschrieben haben. Atomwaffen, nukleare Abrüstung, Syrien und islamistischer Terrorismus - dies seien die Themen gewesen, über die er und Putin gesprochen haben. Er betont den Wert des "Dialogs" zwischen Moskau und Washington, der hoffentlich gerade erst begonnen habe.

Was bereits in Trumps Eingangsstatement fehlt, ist jegliche Form von Kritik am autokratischen Kreml-Chef. Mit keinem Wort lehnt er die Annexion der Krim ab oder spricht jenes Thema an, das die US-Beobachter am meisten beschäftigt: die nach Ansicht der US-Geheimdienste eindeutige Einmischung Moskaus in die US-Wahl 2016. Nicht mal eine allgemeine Betonung, wie wichtig Wahlen für die USA als älteste Demokratie der Welt sind, kommt Trump über die Lippen - und ins Skript wurde ihm das wohl auch nicht geschrieben.

Später spricht Trump dann frei, und so reihen sich mit Fortdauer der Pressekonferenz die bizarren Momente aneinander. Auch auf Nachfrage betont Trump, dass "beide Länder" durch Dummheit für die Verschlechterung des Verhältnisses gesorgt hätten. Erneut hätte der US-Präsident höflich aber bestimmt den von Russland geführten Krieg in der Ostukraine, den Giftstoff-Einsatz im britischen Salisbury anführen können (als Reaktion hat Washington Diplomaten ausgewiesen). Oder die erst am Freitag bekannt gewordenen Anklagen gegen zwölf russische Agenten - diese sollen sich bemüht haben, die Wahl zugunsten von Trump zu beeinflussen.

Trump tut das nicht, sondern zetert erneut über die "Hexenjagd", als welche er die Arbeit von Sonderermittler Robert Mueller ansieht, den das eigene Justizministerium eingesetzt hat. Dessen Ermittlungen seien "ein Desaster". Dass Trump auf Wahl-Events in Minnesota oder Michigan 20 Monate nach seinem Wahlsieg weiter von seiner "tollen Kampagne" schwärmt, und damit angibt, wie leicht er Hillary Clinton geschlagen habe, ist längst Realität. Dass er dies im finnischen Helsinki an der Seite Putins tut, erfüllt die schlimmsten Befürchtungen der globalen Trump-Kritiker.

Völlig bizarr wird es bei der letzten Frage: Ein US-Reporter fragt ganz direkt, ob Trump seinen eigenen Geheimdiensten mehr glaube als den Beteuerungen des Kremlchefs, wonach Moskau sich nicht in die Wahlen des amerikanischen Erzfeindes eingemischt habe. Und der US-Präsident? Während der weltweit übertragenen Pressekonferenz äußert er Zweifel an den Erkenntnissen seiner Geheimdienste und berichtet, dass Putin ihm auf seine Frage hin versichert habe, dass Moskau unschuldig sei. "Ich sehe keine Grund, warum Russland so etwas tun sollte", sagt Trump also.

Diese unkritische Haltung stieß in den USA auf harsche Kritik. "Der Präsident hat sich auf die Seite von Wladimir Putins Dementi über die einhellige, einhellige Schlussfolgerung der US-Geheimdienstgemeinschaft gestellt", teilte der Oppositionsführer im US-Senat, Chuck Schumer, mit. "Er hat das Wort des KGB über die Männer und Frauen der CIA gestellt.

Irgendwie scheint Trump also beiden zu vertrauen, doch selbst auf die Nachfrage, wem er denn nun glaube, weicht der US-Präsident aus und attackiert lieber die Demokraten sowie einen umstrittenen FBI-Agenten, den die Trump ergebenen Republikaner kürzlich im Senat zu dessen trumpkritischen SMS befragt haben. Selten zuvor wurde so offensichtlich, wie sehr dieser Präsident allen misstraut, die seinen Erfolg schmälern könnten oder Einwände gegenüber seinen Überzeugungen präsentieren.

Noch bevor Donald Trump die Air Force One betreten und den Rückflug nach Washington angetreten hat, bricht ein Sturm der Empörung aus. John Brennan, CIA-Chef unter Barack Obama und mit den Ermittlungen rund um die russische Einmischung bestens vertraut, spricht in einem Tweet von "Landesverrat" und ruft die "patriotischen Republikaner" auf, endlich zu handeln.

Manche Republikaner äußern sich kritisch und traurig, dass Trump jene US-Amerikaner, die für den Präsidenten arbeiten würden, nicht verteidige. Erst vor Kurzem haben die Demokraten und Republikaner im Geheimdienstausschuss einen Bericht veröffentlicht, der Moskau der Einflussnahme beschuldigt.

Am klarsten äußert sich seitens der Republikaner der todkranke Senator John McCain: Er bezeichnet den Helsinki-Gipfel als "einen der infamsten Auftritte, den ein amerikanischer Präsident je hatte" und als "tragischen Fehler" und wirft Trump "Naivität, Egoismus und Sympathien für Autokraten vor".

Was im Vieraugengespräch zwischen Putin und Trump sowie den Beratungen mit den Delegationen beredet wurde, ist nicht bekannt. Nimmt man jedoch nur die Pressekonferenz als Maßstab, dann hat der Kremlchef mehr erreicht als er zu träumen gewagt hatte. In Russland waren die Bilder von zwei Staatschefs auf Augenhöhe überall zu sehen - und dieser Auftritt seines Widersachers Donald Trump hat dafür gesorgt, dass sich die ohnehin schon polarisierte US-Gesellschaft noch mehr streiten wird.

Denn aus der Erfahrung weiß man: Wenn Medien und Demokraten Trump kritisieren, dann verteidigen ihn seine Anhänger und jene Republikaner-Abgeordneten, die noch Karriere machen wollen, umso mehr. Und das Gerede und Getweete über die "Hexenjagd" wird so schnell nicht enden. Aus Moskauer Sicht, so darf vermutet werden, kann es gar nicht genug solcher Gipfel geben.

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