EU-Austritt:London will beim Brexit Trennung auf Raten

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London hat für die Zeit nach dem Brexit eine zeitlich begrenzte Zollunion vorgeschlagen. (Foto: dpa)
  • Großbritannien hat für die Zeit nach dem Brexit eine zeitlich begrenzte Zollunion vorgeschlagen.
  • Die EU-Kommission reagierte zurückhaltend auf die Vorschläge aus London. Gerechnet wird mit schwierigen Verhandlungen über die Modalitäten.
  • Die Unterhändler beider Seiten kommen am 28. August zu ihrer zweiten Verhandlungsrunde zusammen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Nach dem Brexit Ende März 2019 will Großbritannien für eine Übergangszeit in einer Zollunion mit der Europäischen Union verbunden bleiben. Das geht aus einem Strategiepapier der Regierung hervor, das in Auszügen am Dienstag in London veröffentlicht wurde. Eine solche Übergangsperiode könne der Wirtschaft im Vereinigten Königreich und in der EU mehr Sicherheit geben, teilte das Brexit-Ministerium mit. Der zuständige Minister David Davis sprach von einer "ziemlich kurzen" Übergangszeit von zwei Jahren oder weniger.

Die EU-Kommission reagierte zurückhaltend auf die Vorschläge aus London. "Wir nehmen die Bitte des Vereinigten Königreichs nach einer Übergangsperiode und seine Präferenzen hinsichtlich der künftigen Beziehung zur Kenntnis, aber wir werden dazu erst Stellung nehmen, wenn wir ausreichend Fortschritte bezüglich eines geordneten Austritts gemacht haben", sagte ein Sprecher. Die Unterhändler beider Seiten kommen am 28. August zu ihrer zweiten Verhandlungsrunde zusammen. Die EU will aber erst dann über Arrangements für die Zeit nach dem Brexit reden, wenn "ausreichender Fortschritt" in den finanziellen und rechtlichen Scheidungsfragen erzielt wurde.

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Strategiepapier entwirft nach der Übergangsphase zwei Möglichkeiten

Die britische Seite versucht hingegen, so früh wie möglich in Diskussionen über das künftige Verhältnis einzutreten. Darauf zielt auch das jüngste Strategiepapier ab. Es entwirft als dauerhaftes Arrangement nach der Übergangsphase zwei Möglichkeiten. Entweder soll eine neue "Zollpartnerschaft" die Errichtung von Zollgrenzen unnötig machen oder aber ein zumindest stark vereinfachtes Zollarrangement Behinderungen im Warenverkehr minimieren. "Der gemeinsame Wunsch, eine unnötige Störung oder einen ungeordneten Rückzug des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu verhindern, ist ein starkes Fundament für die Verhandlungen", sagte Davis. Ein Abkommen über die zukünftige Beziehung zwischen der EU und Großbritannien könne erst dann fertiggestellt werden, wenn Großbritannien "ein Drittstaat" geworden sei, betonte indes die EU-Kommission.

Prinzipiell wird auch in Brüssel von der Notwendigkeit einer Übergangsphase ausgegangen, um einen harten Schnitt mit volkswirtschaftlich unkalkulierbaren Folgen zu verhindern. Gerechnet wird aber mit schwierigen Verhandlungen über die Modalitäten. So ließ Davis am Dienstag offen, ob Großbritannien bereit sein wird, sich zumindest in der Übergangszeit weiter der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu unterwerfen. Streit dürfte es außerdem über die Absicht Großbritanniens geben, bereits in der Übergangszeit Freihandelsabkommen mit anderen Handelspartnern zu vereinbaren.

SPD-Europaabgeordnete Leinen: "Typisches Rosinenpicken"

"Es ist das typische Rosinenpicken. Man möchte alle Vorteile, aber keine Verpflichtungen", kritisierte der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen den Vorstoß aus London. "Da sind in London noch einige Illusionen und Blütenträume, die so nicht aufgehen werden", sagte er dem Deutschlandfunk. Zwar sei es möglich, die Zollunion nach dem EU-Austritt einige Jahre fortzuführen, dann müsse Großbritannien aber auch Verpflichtungen übernehmen wie die Freizügigkeit für Personen. Der jüngste Vorstoß zeige immerhin, "dass man sich in London endlich Gedanken macht, was denn Brexit heißt und was der Schaden sein kann für die eigene Wirtschaft", räume Leinen ein. "Die britische Regierung will damit nur Zeit kaufen. Dies muss die EU nutzen", forderte der Linken-Europaabgeordnete Fabio De Masi. Einer Zollunion für eine Übergangszeit dürfe nur dann zugestimmt werden, "wenn die Briten im Rat mit sofortiger Wirkung auf ihre Veto-Optionen, etwa im Bereich der Steuerpolitik, verzichten", sagte de Masi.

In ihren im April beschlossenen Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen sehen die Staats- und Regierungschefs der EU die Möglichkeit einer Übergangsregelung als "Brücke" durchaus vor. Diese müsse aber befreistet und eindeutig formuliert sein sowie "wirksamen Durchsetzungsmechanismen unterliegen".

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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