Debatte um Frauenquote:Merkel zeigt Schwäche

Ursula von der Leyen, Angela Merkel, CDU, Frauenquote

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (li.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag: Leidenschaft gegen Langeweile

(Foto: REUTERS)

Von der Leyen gegen Merkel, Leidenschaft gegen Langeweile: In dieser Woche ist es zum Showdown der beiden mächtigsten Frauen Deutschlands gekommen. Der Rauch hat sich noch nicht ganz verzogen, aber eines steht schon jetzt fest: Die Kanzlerin hat den Streit verloren. Sie ist erpressbar.

Ein Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Wer Ursula von der Leyen fragt, warum sie Deutschland so polarisiert, bekommt eine interessante Antwort. Sie sei durchsetzungsstark - und das strahle sie auch aus, sagt die Ministerin. Denn sie beziehe ihre Positionen mit Leidenschaft, manchmal renne sie dabei sogar "gegen die Wand". Mit so einem Politikstil polarisiere sie natürlich "mehr als jemand, der sein Amt ausübt ohne anzuecken". Womit Ursula von der Leyen schon den entscheidenden Unterschied zwischen ihr und der Kanzlerin beschrieben hat.

Die Ministerin hat mit vollem Risiko gekämpft

In dieser Woche ist es zum Showdown der beiden mächtigsten Frauen Deutschlands gekommen. Es war auch ein Aufeinandertreffen zweier Politikstile: Leidenschaft gegen Langeweile. Der Rauch hat sich noch nicht ganz verzogen, aber eines steht schon jetzt fest: Merkel hat den Streit verloren. Von der Leyen hat der scheinbar unschlagbaren Überkanzlerin Grenzen aufgezeigt. Die Ministerin hat mit Härte, Finesse und vollem Risiko gekämpft. Noch nie in dieser Legislaturperiode hat sich ein Kabinettsmitglied derart dreist gegen die Kanzlerin gestellt - und sich dann auch noch durchgesetzt.

Deutschlands Frauen haben davon zwar nichts. Die CDU will die Quote nur ins Wahlprogramm schreiben. Aber für die Union ist der Kurswechsel eine gewaltige Zäsur. Bis zu dieser Woche hat die CDU feste Quoten als Teufelszeug verdammt. Jetzt sollen sie auf einmal heilbringendes Mittel auf dem Weg zur Gleichberechtigung in den Unternehmen sein.

In der Auseinandersetzung der beiden Frauen ist die größte Stärke Merkels zu ihrer größten Schwäche mutiert. Die Kanzlerin ist eine Technikerin der Macht. Ihre Überzeugungen sind, vorsichtig gesagt, flexibel. Und sie zögert und zaudert, bis klar ist, wohin die Reise geht. Zumindest in der Innenpolitik ist ihr Risiko so fremd wie Uli Hoeneß veganes Essen.

Das macht Merkel aber auch erpressbar. Wer selbst das kleinste Risiko scheut, macht vorschnell Konzessionen. Von der Leyen hat das erkannt und ausgenutzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass im Bundestag tatsächlich eine Mehrheit für die Quote zustande kommt, war gering. Von der Leyen hätte wohl nicht mit Ja gestimmt. Selbst dann wären - angesichts der Folgen für die Koalition - vermutlich nicht genügend Unionsfrauen bereit gewesen, ihr zu folgen. Merkel wollte aber auch das kleinste Risiko vermeiden und ist eingeknickt. Gerhard Schröder hätte in solchen Konflikten anders agiert.

Dass es sich um eine strukturelle Schwäche Merkels handelt, zeigen auch die Fälle Betreuungsgeld und Bundespräsident. Joachim Gauck sitzt im Schloss Bellevue, weil Merkel der Erpressung der FDP stattgegeben hat. Beim Betreuungsgeld drohte Horst Seehofer mit Koalitionsbruch, und schon gab die Kanzlerin klein bei. Was das alles bedeutet? Zum einen, dass Merkel gar nicht so stark ist, wie viele glauben. Zum anderen, dass es in der Vergangenheit offenbar zu wenige Gegner gab, die den Schneid hatten, sie herauszufordern. Das gilt auch für die Opposition.

Und von der Leyen? Sie hat bewiesen, dass sie die nötige Nervenstärke für eine Kanzlerschaft besitzt. Es fehlt ihr allerdings noch eine Partei, die sie im Kanzleramt haben will. Die Ministerin war in der CDU noch nie beliebt. Von der Leyen ist eine Quereinsteigerin. Sie kam erst mit 32 in die CDU. In dem Alter war Philipp Mißfelder schon gefühlte 32 Jahre lang JU-Chef. Von der Leyen fehlen der Stallgeruch und die Ochsentour.

Die Einzelgänge der Ministerin beim Krippenausbau oder der Zuschussrente haben ihr Übriges getan. Auf dem Parteitag im Dezember wurde sie bereits abgestraft. Mit dem Quotenvorstoß hat von der Leyen auch noch ihre letzten Freunde verprellt. Stünde ihre Wiederwahl als Parteivize jetzt an, würde sie kaum die nötige Mehrheit schaffen. Daran wird sich so schnell auch nichts mehr ändern. Parteien haben ein Gedächtnis.

Die Ministerin schielt auf die Zeit nach der Zeit nach Merkel

Hat sich von der Leyen jetzt also um ihre Zukunft gebracht? Mitnichten. Unter Merkel kann sie ohnehin nicht weiter aufsteigen. Das Präsidialamt hat sie nicht bekommen, das Kanzleramt ist besetzt. Und nach dem Ende der Ära Merkel wird die CDU erst einmal einen ihrer grauen Männer vom Schlage de Maizière an die Spitze heben. Daran könnte von der Leyen selbst bei willfährigstem Verhalten im Diesseits der Kanzlerin nichts ändern.

Aber die Ministerin schielt ja bereits auf die Zeit danach. Nicht ohne Anlass zur Hoffnung, wie der Blick auf die CSU zeigt. Galt der ebenfalls eigensinnige und fast-sozialdemokratische Seehofer nicht auch lange als unmöglicher Kandidat? Kamen nach dem Ende der Ära Stoiber nicht auch zuerst die grauen Herren Beckstein&Huber ans Ruder? Und flehte die CSU dann nicht doch den verhassten Seehofer an, sie vor dem Untergang zu retten? Von der Leyen könnte auf demselben Weg an die Macht kommen.

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