Debatte um Frauenquote:Merkels Problem mit der Demokratie

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Kanzlerin Merkel führt in der Debatte um die Frauenquote die eigene Partei vor. (Foto: dpa)

Weil Kanzlerin Merkel die Quoten-Rebellinnen "ernst" nimmt, hat sie ihnen ein unmoralisches Angebot gemacht. Einen Parteitagsbeschluss fegt sie dafür einfach vom Tisch - und führt die eigenen Kollegen vor.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Es ist wohl die lapidarste Kehrtwende unter den vielen Kehrtwenden, die die CDU unter der Führung von Angela Merkel vollzogen hat. Ein paar Sätze in einem Interview mit der Bild-Zeitung sollen wohl reichen, damit die Parteibasis ihr folgt: "Als Vorsitzende dieser Volkspartei nehme ich es ernst, wenn das quer durch alle Gruppierungen so viele meiner Kollegen bewegt."

Das ist es also. Merkel nimmt es "ernst", wenn die Frauenquote ihre "Kollegen bewegt". Wen meint sie damit eigentlich? Und vor allem: Kann das als Grund reichen, mal eben Parteitagsbeschlüsse über Bord zu werfen, die seit kaum fünf Monaten existieren?

Nein, kann es nicht. Wenn das reicht, um einen radikalen Kurswechsel wie diesen von der mehr oder minder freiwilligen Flexi-Quote zur starren Pflichtquote zu begründen und durchzusetzen, dann hat das mit Demokratie nur noch am Rande zu tun.

Zumal ja niemand weiß, ob die Partei wirklich für eine starre Quote einsteht. Nur Parteivorstand und Präsidium haben den Deal abgesegnet. Das sind nicht einmal 50 Personen, die im Zweifel einen offenen Konflikt mit Merkel eher scheuen. Einen Parteitag wird es dazu vor der Wahl nicht mehr geben. Dennoch soll die neue Quotenlinie im Wahlprogramm verankert werden. Auch das wird nicht von einem Parteitag verabschiedet und debattiert. Was kratzt mich die Partei, mag Merkel denken. Ihr Motto: Solange ich Kanzlerin bin, mache ich, was mir gefällt.

Politik ist nichts für Helden

Natürlich war die Situation brenzlig. Mehr als 20 CDU-Frauen aus der Bundestagsfraktion der Union waren drauf und dran, an diesem Donnerstag die wenn auch schwache Frauenquote für Aufsichtsräte von Aktienunternehmen zu unterstützen. Sie hätten mit der Opposition gegen die Mehrheit der eigenen Fraktion, gegen die Mehrheit der Partei und gegen das Votum des Koalitionspartners FDP gestimmt. Und es hätte wahrscheinlich gereicht, dem Gesetz eine Mehrheit zu geben.

Manche hätten das vielleicht für heldenmütig gehalten, wenn es so weit gekommen wäre. Aber Politik ist nichts für Helden. Politik ist Interessenausgleich. Mehrheiten beschaffen gehört dazu, sicher. Aber dafür gibt es Regeln. Eine lautet: Wechselnde Mehrheiten führen zum Koalitionsbruch.

Diese Regel muss nicht unhinterfragt bleiben. Nichts spricht dagegen, es in einer neuen Regierung anders zu machen. Kaum vorstellbar aber, dass sich auch nur eine im Bundestag vertretene Partei darauf einlassen würde. Verlässlichkeit ist ein hohes Gut in Koalitionen.

Die Kritik der Opposition an den CDU-Frauen, die dem Gesetz jetzt doch nicht zustimmen werden, ist da ziemlich wohlfeil. Ihnen ist nicht vorzuwerfen, dass sie jetzt eingeknickt wären. Sie haben realistisch das Beste für sich herausgeholt. Unanständig gegenüber der Partei, gegenüber der Demokratie ist dagegen das unmoralische Kompromiss-Angebot, mit dem Merkel die Rebellinnen auf Linie gebracht hat. Sie hat dafür einen frischen, nach langen und harten innerparteilichen Auseinandersetzungen gefällten Parteitagsbeschluss weggefegt wie lästige Wollmäuse.

Einer Partei, die sich so von der eigenen Chefin vorführen lässt, können Parteitage in Zukunft auch egal sein.

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