CSU und Hartz IV:"Gutscheine für arme Kinder wirken diskriminierend"

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Bayerns Sozialministerin Haderthauer stellt sich gegen die Hartz-IV-Pläne von Arbeitsministerin von der Leyen. Die Regierung des Freistaats erwartet eine Klagewelle.

Stefan Braun und Thomas Öchsner

Die CSU äußert massive Kritik an den Hartz-IV-Reformplänen von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. So lehnt Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer die laut Gesetzentwurf geplanten Gutscheine für Kinder aus Hartz-IV-Familien ab. "Gutscheine wirken diskriminierend", sagte Haderthauer der Süddeutschen Zeitung.

Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer hält teile des Hartz-IV-Reformentwurfs von Bundesministerin Ursula von der Leyen für problematisch. Zu Förderung der Teilnahme von armen Kindern an Kulturangeboten sagt sie: "Das ist mit Sicherheit eine Einfallstür für eine Klagewelle." (Foto: picture alliance / dpa)

Die CSU-Politikerin hält die Idee, bei der es um die Teilnahme der Kinder an Sport-, Kultur- und Musikangeboten geht, auch mit Verweis auf gewaltige Umsetzungsprobleme für falsch. "Die Erfüllung der Rechtsansprüche durch Gutscheine bis zum 1. Januar 2011 würde ins Leere laufen", sagte Haderthauer. Die Jobcenter müssten mit Tausenden Anbietern von Sport-, Spiel-, Kultur-, Musik- und anderen Freizeitangeboten Leistungsvereinbarungen abschließen. Das sei "völlig illusorisch".

Von der Leyen hatte ihre Pläne am Montag vorgestellt. Das Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung zuvor auferlegt, bis Ende des Jahres die Hartz-IV-Sätze neu zu berechnen und Bildungsausgaben für Kinder stärker zu berücksichtigen. Nach den Plänen von der Leyens sollen dabei insbesondere Bildungsgutscheine helfen. Große Bedenken hat Haderthauer nun auch, weil nach dem jetzigen Reformentwurf die staatliche Förderung der Teilnahme an Vereins- und Kulturangeboten faktisch vom Wohnort des Kindes abhänge. "Das halte ich für juristisch höchst problematisch. Denn das ist mit Sicherheit eine Einfallstür für eine Klagewelle."

Kinder hätten einen Rechtsanspruch auf Bildung und Teilhabe, es handele sich nicht um freiwillige Leistungen wie bei der Stuttgarter Chipkarte. Werden die Kinder auf Gutscheine verwiesen, beschränkten sich ihre Möglichkeiten auf die Anbieterlandschaft in der jeweiligen Kommune. "Das kann keine verfassungsfeste Lösung sein", warnte die CSU-Politikerin. Wenn auf ein durch Gutscheine begrenztes Angebot verwiesen werde, müsse klar sein, was darin enthalten sein solle. "Hier zeigt sich: Nur bei Barzahlung können Familien individuell und verfassungsfest die Teilhabe organisieren", sagte die bayerische Sozialministerin. Von der Leyen pocht in ihrem Gesetzentwurf darauf, bei der sozialen Teilhabe bedürftiger Kinder auf Gutscheine statt auf Geldleistungen zu setzen.

Kritik an von der Leyens Plänen kam am Dienstag auch von den Gewerkschaften und den Oppositionsparteien. Annelie Buntenbach, Mitglied im DGB-Vorstand, warnte vor einer "politischen Mauschelei bei den Hartz-IV-Sätzen" und kritisierte, dass die Entscheidung über die Höhe der Sätze erneut vertagt worden sei. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig kritisierte, die Höhe der Regelsätze an die Lohnentwicklung zu koppeln. Sie habe Sorge, dass der Gesetzentwurf so nicht den Anforderungen des Urteils gerecht werde.

In der Unionsfraktion gab es keine Äußerungen zu den Reformplänen. Solange die Höhe der Sätze offenbleibt, mochte niemand von der Leyens Pläne bewerten. In den Reihen der Union schauen insbesondere die Haushälter darauf, ob die Pläne am Ende zusätzliche Kosten verursachen. Sollten sie die veranschlagten 480 Millionen Euro übersteigen, wollen sie verlangen, dass die Ministerin das durch Einsparungen an anderer Stelle im eigenen Etat finanziert.

© SZ vom 22.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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