Clinton und Kaine:"Wollt ihr einen Präsidenten, der sagt 'you're fired' oder 'you're hired'?"

Clinton präsentiert ihren Vize, den lachenden Senator Tim Kaine. Die beiden wollen dem düsteren Trump Optimismus entgegensetzen.

Von Matthias Kolb, Washington

Genau eine Woche nach dem Republikaner Donald Trump hat Hillary Clinton mit Tim Kaine ihren Kandidaten für das Vizepräsidentenamt vorgestellt. Das Muster war ähnlich: Am Freitag wurde der Name bekannt (bei Trump per Tweet, Clinton verschickte eine SMS), am Tag darauf folgte die offizielle Präsentation.

Die running mates stammen beide aus dem Mittleren Westen, wo Freundlichkeit und gute Manieren viel zählen. Der Konservative Mike Pence ist Gouverneur in Indiana, der Demokrat Tim Kaine wuchs in Kansas City auf.

Damit enden die Gemeinsamkeiten. Während es Trump nicht für nötig hielt, seinem auserwählten Stellvertreter das Rampenlicht zu überlassen und zunächst eine knappe halbe Stunde allein am Rednerpult stand, präsentieren sich Clinton und Tim Kaine, der momentan Virginia im US-Senat vertritt, als Team.

Clinton, die kommende Woche in Philadelphia zur Kandidatin der Demokraten gewählt werden wird, spricht 15 Minuten - anders als Trump weniger über sich als über die Bedeutung des Wahlkampfs. Trump liege "gefährlich falsch", wenn er denke, dass nur er allein Amerikas Probleme lösen könne. Diese Kernbotschaft hatte der Milliardär beim Parteitag der Republikaner in Cleveland ausgegeben und ein düsteres Bild Amerikas gezeichnet.

Die US-Gesellschaft sei stärker, wenn alle zusammen arbeiten würden, ruft die Demokratin und erinnert an den Aufstand gegen den britischen König vor 240 Jahren: "Wir haben eine Revolution gestartet, damit nicht mehr ein einziger Mann die Entscheidungen trifft."

Für Clinton sind Latinos "Amerikas Zukunft"

Den Besuch an der Florida International University, deren Studenten mehrheitlich hispanics sind, nennt Clinton erfrischend: "Ich sehe hier Amerikas Zukunft." Anders als beim Parteitag der Republikaner gebe es hier weder Angst noch Hass, ruft die 68-Jährige: "Ich spüre Zuversicht und Optimismus. Unsere besten Tage liegen vor uns, es stimmt nicht, dass Amerika im Niedergang ist."

Ihr Vize sitzt strahlend und winkend hinter Clinton, als sie ruft: "Tim Kaine ist alles, was Trump und Pence nicht sind." Er habe sich sein Leben lang um progressive Werte bemüht, sagt Clinton. So habe er nach der Harvard Law School nicht in einer Großkanzlei angeheuert, sondern sei Bürgerrechtsanwalt geworden (ähnliches tat die Ex-Außenministerin selbst). "Einer seiner Jobs war es, einer schwarzen Frau zu helfen, die wegen ihrer Hautfarbe keine Wohnung bekam. Donald Trump hat dagegen als Vermieter genau das getan."

Bevor sie das Mikro abgibt (anders als Trump bleibt sie auf der Bühne), sagt Clinton: "Täuscht euch nicht, hinter diesem Lächeln steckt ein Rückgrat aus Stahl, fragt die NRA." Damit nennt sie zwei wichtige Punkte: Der Senator aus Virginia, der vorab oft als langweilig beschrieben wurde, lacht ständig und viel - auch wenn er Trump attackiert. Und er verspricht, alles zu geben, um gegen den Willen der Waffenlobbyisten strengere Gesetze durchzusetzen, damit weniger Unschuldige sterben.

Kaine war Gouverneur, als 2007 an der Virginia Tech University in Blacksburg 32 Menschen umgebracht wurden. Er spricht mitfühlend darüber, dass der Schmerz der Menschen nicht nachlasse, die Kinder und Geschwister verloren haben. Er erinnert an einen litauisch-stämmigen Professor, der den Holocaust und die Sowjetzeit überlebt hatte und in Blacksburg erschossen wurde, als er seine Studenten beschützte. "Er hat den Holocaust überlebt und dann stirbt er wegen der Waffengewalt in unserem Land." Diese Passage wird Republikaner wütend machen, doch sie könnte die Parteilinke überzeugen, dass Kaine progressiv ist: Die NRA-Waffenlobby gibt ihm eine glatte 6.

Kaine referiert seine Biografie (mehr in dieser SZ-Übersicht) und nutzt sie, um den Republikaner-Kandidaten zu kritisieren. Sein Sohn diene als Marine und werde bald nach Europa versetzt, um "unsere Verpflichtungen gegenüber den Nato-Partnern" zu erfüllen. Dies ist ein klarer Seitenhieb auf Trump, der die Beistandspflicht in einem Interview mit der New York Times mal eben in Frage stellte. "Das ist eine offene Einladung an Putin und brandgefährlich", ruft Kaine und erinnert daran, wie Trump das US-Militär beschreibt: "als Desaster".

Vielseitig einsetzbar: Kaine wird nicht Latinos umwerben

Der Auftritt des 58-Jährigen ist eine gute Übung für den Parteitag, bei dem er sich in der Nacht auf Donnerstag Millionen Amerikanern präsentiert. Der Katholik wechselt ständig zwischen English und Spanisch hin und her, berichtet von seiner Zeit als freiwilliger Helfer in Honduras, wo er neben der Sprache auch die wichtigsten Werte lernte: "Fe, familia, y trabajo". Glaube, Familie und Arbeit - dies sei ihm am wichtigsten. Er dankt jenen Neubürgern, die sich für die USA entschieden hätten und umwirbt sie mit den Worten "Somos americanos todos" ("wir sind alle Amerikaner").

Weil er fließend spanisch spricht (eine Tatsache, von der zumindest bei CNN alle besessen sind), dürfte Kaine neben seinem Heimatstaat Nevada viel in Florida, Nevada oder North Carolina unterwegs sein - also in jenen swing states, in denen viele Latinos wohnen. Doch dieser Auftritt macht deutlich, dass er mit seiner positiven Art und seinem Hintergrund auch in industriell geprägten Bundesstaaten wie Ohio, Michigan, Wisconsin oder Pennsylvania gut ankommen könnte.

Kaine stellt Politik-Ideen von Clinton und Trump gegenüber

Kaine, in dessen Gegenwart sich Clinton augenscheinlich wohl fühlt, erfüllt noch eine andere Pflicht: Er wirbt enthusiastisch für die Ex-Außenministerin. Drei Fragen stellt er dem Publikum: "Wollt ihr einen Präsidenten, der sagt 'you're fired' oder 'you're hired'?" Er sei sicher, dass die Wähler Trump im November seinen Reality-TV-Spruch entgegen schleudern würden: "Du bist gefeuert!"

Amerika habe die Wahl zwischen einer Kandidatin, die Brücken bauen wolle und einem Kandidaten, der Mauern bauen wolle - und zwischen einem "Me first president" oder einer Präsidentin, für die Kinder und Familien am wichtigsten seien. Kaine erinnert mit Freude daran, dass Donald Trump bis heute seine Steuererklärungen geheim hält und wegen seiner Trump University unter Anklage steht.

Ganz zum Schluss zitiert er noch den ehemaligen Präsidenten Harry Truman, den er als Kind bewundert habe: Amerika sei nicht auf Angst gebaut, sondern auf Mut, Vorstellungskraft und die nicht zu zerstörende Entschlossenheit, die Arbeit zu erledigen, stütze: "America was not built on fear. It was built on courage and imagination and an unbeatable determination to do the job at hand."

Diese Art von Optimismus und Zuversicht können die USA in diesem Sommer 2016 gebrauchen.

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