US-Wahl:Der Protzkandidat

In seiner Parteitagsrede verspricht Donald Trump den Republikanern das Blaue vom Himmel und überrascht die Delegierten mit einem - wenn auch sehr kurzen - Anflug von Bescheidenheit.

Von Hubert Wetzel, Cleveland

Vielleicht steckt schon im ersten Satz eine kleine Lüge. Donald Trump betritt die Bühne - kein Nebelgewalle diesmal, kein dramatisches Licht, kein geplärrtes "We are the Champions" wie am Montag, als er zum ersten Mal auf dem Parteitag der Republikaner in Cleveland gesprochen hat. Donald Trump läuft einfach auf die Bühne, geht zum Mikrofon, wartet eine Sekunde und sagt: "Ich nehme eure Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten mit Demut an."

Mit Demut? Donald J. Trump? Schwer zu glauben.

Die Rede, die Trump am Donnerstagabend in Cleveland halten muss, ist für ihn mit Abstand die wichtigste des bisherigen Wahlkampfs. Es ist das erste Mal, dass der Kandidat live vor der ganzen Nation im Fernsehen auftritt, nicht nur vor den Leuten, die ihn sowieso wählen, sondern auch vor Menschen, die von ihm bisher kaum mehr gesehen haben als Schnipsel in den Nachrichten. Gut eine Stunde lang hat Donald Trump jetzt die Gelegenheit, Amerika von sich zu erzählen und zu überzeugen. Die Rede zum Abschluss des Wahlparteitags - das ist ein Auftritt, den ein Kandidat besser nicht verbocken sollte.

Trump jagt seinen Zuhörern erst einmal einen gehörigen Schrecken ein. Er spricht von einer "Nation in der Krise". Von Chaos, Gewalt und Terrorismus daheim und im Rest der Welt. Trumps Amerika ist kein schöner Ort - eine runtergewirtschaftetes, zerrissenes Land, durch das Barbaren ziehen, illegale Einwanderer und "radikale islamische Terroristen", die wahllos Kinder ermorden und Polizisten erschießen. Hätte Trump in den Tagen zuvor in der Halle gesessen, er hätte von einem anderen Amerika gehört. Ein republikanischer Gouverneur nach dem anderen trat da in Cleveland auf - darunter Mike Pence aus Indiana, Trumps Vizekandidat - und schwärmte, wie prima es in seinem Staat zugehe, wie großartig die Wirtschaft laufe, wie wunderbar die Welt daheim sei.

RNC in Cleveland 2016

Trump malt ein düsteres Bild vom Zustand des Landes - um sich als Retter zu präsentieren.

(Foto: Shawn Thew/dpa)

Aber dieses Bild taugt nicht für den Wahlkampf. Trump braucht das düstere Gemälde von einem Land im Niedergang und einer Welt in Aufruhr als Hintergrund, auf den er dann die Schuldige malt: Hillary Clinton. Und den Retter: Donald Trump. "Das ist das Erbe von Hillary Clinton: Tod, Zerstörung, Terrorismus und Schwäche", schreit Trump. "Mein Schwur lautet: Ich bin mit euch - mit dem amerikanischen Volk. Ich verspreche: Ich bin mit euch, ich werde für euch kämpfen, und ich werde für euch gewinnen." Sehr demütig klingt Trump da schon nicht mehr.

Aber Bescheidenheit war noch nie die Sache des Donald John Trump. "Trump" ist eine Protzmarke, die den Leuten vorgaukelt, sie bekämen etwas ganz Besonderes - sie wohnten in einem ganz besonders feinen Hotel oder spielten auf einem ganz besonders schicken Golfplatz, allein weil am Eingang eben "Trump" steht. Der Protzkandidat Trump gaukelt den Leuten vor, er sei ganz besonders geeignet, Amerikas Probleme zu lösen - und zwar nur er, einfach weil er es wirklich wolle, weil er ja schließlich sehr hohe Häuser gebaut und damit sehr viele Millionen verdient habe. Weil er wisse, wie das ganze korrupte System in Washington funktioniere. "Deswegen kann nur ich es reparieren." Gleich am 21. Januar 2017, dem Tag, nachdem er den Amtseid abgelegt habe, gehe es los, sagt Trump, "das könnt ihr mir glauben".

Er sagt das so voller Überzeugung von sich selbst, so ohne jeden Anflug von Zweifel, dass man es tatsächlich fast glaubt. An dem Tag, an dem er Präsident werde, sei die Zeit der Gesetzlosigkeit vorbei, schnarrt Trump, "ich bin der Recht-und-Ordnung-Kandidat", und man weiß nicht genau, ob das nun ein Versprechen oder eine Drohung ist. Dann werde er die unfairen Handelsverträge in "großartige" Handelsverträge verwandeln und die Millionen von Arbeitsplätzen nach Amerika zurückholen, die nach Mexiko oder China verlagert wurden. Und dann werde er seine "großartige" Mauer an der Grenze bauen, um die illegalen Einwanderer, die Drogen und die Gewalt auszusperren, die das friedliche Amerika überfluteten.

The family of Republican presidential candidate Donald Trump watch for the balloon drop at the conclusion of the Republican National Convention in Cleveland

Familie Trump beim Schlussapplaus.

(Foto: Jim Young/Reuters)

Das sind die drei klassischen Trump-Themen, mit denen er vor allem in der prekären weißen Mittelschicht Stimmen sammelt: Sicherheit, Freihandel, Einwanderung. Vielleicht hätte Trump es dabei belassen sollen, auf diesen Themen herumzuhämmern, die ihn dorthin gebracht haben, wo er jetzt steht - auf der Bühne in Cleveland, als Präsidentschaftskandidat, hinter sich US-Flaggen, vor sich ein Meer aus Schildern: "Make Amerika great again".

Zum Schluss ertönt "You Can't Always Get What You Want" von den "Stones". Seltsame Wahl

Aber irgendjemand hat Trump noch ein Dutzend anderer Themen ins Redemanuskript geschrieben. Die ganze republikanische Einkaufsliste, dazu einige Dinge, die Mittewähler interessieren könnten. Alles mögliche Zeug, um dieser oder jener Wählergruppe zu gefallen. Und so muss Trump mühsam das Kürzel L-G-B-T-Q buchstabieren, als er Amerikas Homo-, Bi- und Transsexuellen verspricht, sie vor der "hasserfüllten ausländischen Ideologie" von Islamisten zu schützen. Er verspricht der religiösen Rechten - ein steter einheimischer Quell hasserfüllter Ideologie gegen Schwule und Lesben - ein paar Zuckerstückchen. Er verspricht, das Recht auf Waffenbesitz zu verteidigen, wobei unklar ist, wie das mit seinem Versprechen zusammenpasst, Morde und Gewaltverbrechen einzudämmen. Er verspricht, konservative Richter für das Verfassungsgericht zu nominieren. Er verspricht, die Steuern zu senken und die Umweltauflagen für Energiekonzerne abzuschaffen, Straßen, Brücken und wunderbare Zugstrecken zu bauen, und all das werde Millionen neuer Jobs und Milliarden an neuem Wohlstand bringen. Und die unfähige Behörde TSA, die an Flughäfen die Sicherheitskontrollen betreibt, wo man drei Stunden ansteht, werde er auch auf Zack bringen. All das verspricht Donald Trump - nicht wenn, sondern sobald er Präsident ist.

Wie gesagt: Das mit der Demut klang von Anfang an seltsam.

Dann platzen oben unter dem Hallendach die Netze voller Luftballons, rote, weiße, blaue Bobbel schweben herunter. Vom Band singt Lionel Richie "All Night Long", Trump winkt mit seiner Familie von der Bühne. Als sich die Besucher zu den Ausgängen schieben, ertönt ein Knabenchor - das Intro zu "You Can't Always Get What You Want" von den Rolling Stones. Seltsame Musikauswahl.

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