Chefermittler:Nazi-Jäger Rommel: "Wir machen die Akten nicht zu"

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Sein neuer Job fordert allen voran eines: Schnelligkeit. Dass er in diesem Amt häufig als "oberster Nazijäger" bezeichnet wird, mag Jens Rommel nicht. (Foto: Felix Kästle/dpa)

An seinem letzten Arbeitstag als Oberstaatsanwalt gewann Jens Rommel einen Prozess gegen einen Mann, der den Hitler-Gruß zeigte. Nun ist er neuer Chefermittler für Untaten des Nazi-Regimes.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Im Nachhinein wirkt es wie ein Wink des Schicksals. An seinem letzten Arbeitstag als Oberstaatsanwalt in Ravensburg klagte Jens Rommel einen Mann an, der am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Friedrichshafen den Hitler-Gruß gezeigt hatte. Rommel gewann den Prozess.

Vier Tage später, am 26. Oktober, trat er seine neue Stelle in Ludwigsburg an: als Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung Nationalsozialistischer Verbrechen. Seine Arbeit dort ist auch eine Botschaft an jene Männer, die den Hitler-Gruß für originell halten: "Wir machen die Akten nicht zu."

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An diesem Mittwoch wird Jens Rommel in sein Amt eingeführt, als Nachfolger des in Pension gegangenen Kurt Schrimm. Die Personalie ist symbolisch. Man hat sich nicht für einen Historiker entschieden, sondern für einen Staatsanwalt - zudem für einen jungen, Rommel ist erst 43. Dass er schon Ende Oktober seine Arbeit aufnahm, war ausdrücklicher Wunsch von Justizminister Rainer Stickelberger (SPD).

Niemand soll den Eindruck haben, die Zentrale Stelle werde abgewickelt. "Das Ende der Ermittlungstätigkeit ist noch nicht absehbar", verlautbarten die Justizminister der Länder zuletzt. Absehbar ist, dass Rommel das Ende der Ermittlungen einleiten wird, 70 Jahre nach Kriegsende.

Spuren im Ausland, Revision des Gröning-Falls

Jens Rommel: nicht verwandt und nicht verschwägert mit Generalfeldmarschall Erwin Rommel, das muss er immer wieder klarstellen. Der Schwabe ist ein Pendler zwischen Justiz und Politik. In Stuttgart arbeitete er als Referent für Justizminister Ulrich Goll, einen Parteifreund von der FDP.

Danach wechselte er zur Generalbundesanwaltschaft nach Karlsruhe, Abteilung Terrorismus, und von dort nach Brüssel, als Referent in der baden-württembergischen Landesvertretung. Da fiel er Stickelberger auf, auch wegen seiner Sprachkenntnisse und seines diplomatischen Geschicks. Deshalb rief der, als Schrimms Stelle neu zu besetzen war, in Ravensburg an, wo Rommel mittlerweile gelandet war.

Was er sich vorgenommen hat? Als Chef des siebenköpfigen Ermittlerteams will er "auf den Weg bringen, was redlicherweise noch möglich ist". Er arbeitet sich zunächst in historische und militärische Fachbegriffe ein, um die Akten, die in Ludwigsburg lagern, bewerten zu können. Auch in Osteuropa und Südamerika wird er weiter Spuren verfolgen. Wesentlich für Rommels Arbeit wird die Revision im Fall Oskar Gröning sein.

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Der 94-Jährige, bekannt als "Buchhalter von Auschwitz", wurde im Juli in Lüneberg wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt. "Ich hoffe, wir bekommen vom BGH Leitlinien, wie weit man die Beihilfestrafbarkeit heranziehen kann", sagt Rommel.

Kurt Schrimm, Rommels Vorgänger, hatte 2009 mit dem Fall John Demjanjuk neue Dynamik in die Ermittlungen gebracht; Beihilfe zum Mord wird seit dem Urteil des Landgerichts München 2011 auch ohne den Nachweis individueller Verbrechen verfolgt, obwohl es dazu bislang keine abschließende Einschätzung vom BGH gibt. "Hartnäckig, ausdauernd und kreativ" müsse er vorgehen, riet Schrimm seinem Nachfolger.

Rommel will das beherzigen. "Wir wollen zeigen, dass wir nicht aufgeben", sagt er. "Das sind wir den Opfern schuldig, und das wird auch im Ausland sehr genau registriert." Aber natürlich lässt sich die Zeit, die Deutschland bei der Verfolgung der Verbrecher verloren hat, angesichts des Alters möglicher Täter und Zeugen nicht aufholen. Irgendwann wird die Zentrale Stelle in Ludwigsburg zur Erinnerungs- und Gedenkstätte umgewandelt werden.

Rommel sagt: "Ich gehe davon aus, dass ich nicht auf dieser Stelle in Pension gehe."

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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