Lisa Miková kam 1922 in Prag zur Welt. In ihrer weitgehend säkularen jüdischen Familie wurde Deutsch und Tschechisch gesprochen. 1942 wurde sie ins KZ Theresienstadt deportiert. Von dort wurden zunächst ihre Eltern, dann, im Herbst 1944, ihr Ehemann František ins Vernichtungslager Auschwitz geschafft. Lisa Miková meldete sich kurz später freiwillig für einen Frauentransport.
Lisa Miková im Jahre 1939. Damals erlebte sie, wie die Wehrmacht in Prag einmarschierte. Die Deutschen enteigneten sofort das Geschäft ihres Vaters.
(Foto: oh)Welche Qualen Lisa Miková durchlebte und wie sie überlebte, schildert sie immer wieder tschechischen und deutschen Schülern. Die agile Seniorin engagiert sich unter anderem in der Stiftung Brücke/Most, die sich für die deutsch-tschechische Verständigung einsetzt.
Frau Miková lebt bis heute in ihrer Wohnung in der Prager Altstadt. Dort wurde der folgende Bericht aufgezeichnet. Ihre Schilderungen beginnen mit dem Transport vom Konzentrationslager Theresienstadt nach Auschwitz.
"Am 28. September 1944 verließ der Transport, in dem sich mein Mann befand, das Lager Theresienstadt. 5000 Männer wurden damals weggebracht. Zwei Tage später ließ die SS verlauten, dass sich zu diesen 5000 Männern 1000 Frauen melden könnten - Mütter und Gattinnen samt Kindern. Damals ließ ich natürlich sämtliche Versprechen außer Acht, die ich meinen Eltern gegeben hatte, wonach ich unbedingt in Theresienstadt hätte bleiben sollen.
Aber ich wollte zu meinem Mann. Also habe ich mich freiwillig gemeldet.
Am 2. Oktober fuhren wir los - nicht in Güterwaggons, sondern in einem normalen Personenzug. Wir waren in Hochstimmung. Wohin wir gebracht werden, wussten wir nicht.
Nach etwa einem Tag Fahrzeit kamen wir an, es war etwa neun oder zehn Uhr abends. Da war kein Bahnhof, sondern nur viele Gleise auf einem großen Platz, der von Scheinwerfern erhellt war. Eine Menge SS-Leute stand herum. Und Männer, deren Kleidung und Kappen seltsam gestreift waren.
Mütter, Kinder, Ältere - sofort ins Gas
Diese Männer - es waren Polen - sind in den Zug hereingekommen. Sie schrien: 'Alles raus, alles aussteigen, Gepäck bleibt im Zug!'
Und danach: 'Ihr könnt arbeiten, Kinder könnt ihr sowieso nicht retten'. Wir wunderten uns. Diese Männer sprachen Polnisch - wir konnten sie verstehen. Aber wir wussten nicht, was sie meinten - und dachten, wir hätten uns verhört.
Wir stiegen aus und stellten uns in einer Fünferreihe auf. Da kamen die SS-Leute an. Einer hatte eine Reitpeitsche dabei, er ging auf und ab. Das war Doktor Mengele, aber das erfuhr ich erst später.
Dann wurde sortiert: Die eine nach links, die andere rechts. Ich stand ziemlich weit hinten und konnte sehen, wer zur einen und wer zur anderen Seite ging.
Nach links gingen die jungen Frauen, die gutaussehenden. Rechts gingen ältere Frauen und Mütter mit Kindern. Frau mit Brille? Rechts. Ins Gas!
"Wo sind wir eigentlich?"
Ein Hin- und Herlaufen war unmöglich, es wurde gleich geschossen.
Es wurde erklärt, diejenigen, die nach rechts gingen, kommen in ein besonderes Lager, wo sie nicht arbeiten müssten. Dort bekämen die Kinder auch Milch.
Mindestens ein Viertel der Frauen ging nach rechts. Sie mussten in Lastwagen steigen und wurden weggefahren. Sie kamen sofort ins Gas.
Die Selektion an der Rampe ging recht schnell, 1000 Frauen wurden schnell verteilt. Ich musste nach links gehen.
Wir wurden stark bewacht abgeführt auf einem Weg, der von Draht gesäumt war - ein Zaun, der unter Hochspannung stand.
'Wo sind wir eigentlich?', haben wir die Polen gefragt. Dann hörte ich zum ersten Mal den Namen des Ortes: Auschwitz.