Deutlicher kann man die Machtverhältnisse nicht zurechtrücken. Volle drei Monate hat sich Angela Merkel Zeit gelassen, um den Drohbrief von Horst Seehofer zu beantworten. Der Inhalt ist trotzdem dürftig. Die Kanzlerin geht auf die Argumente des bayerischen Ministerpräsidenten nur ziemlich allgemein ein. Merkel lässt Seehofer kühl abblitzen. Sie zeigt ihm, wer in diesem Land der Ober und wer der Unter ist.
Einen Kurswechsel der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik hatte niemand erwartet, aber die Nonchalance im Umgang mit Seehofer ist doch erstaunlich. Beschweren darf sich der Bayer darüber nicht. Seine Drohung mit einer Verfassungsklage gegen die eigene Bundesregierung ist auch nicht stilbildend.
Am Dienstag bemühten sich zwar beide Seiten, den Konflikt nicht noch weiter zu befeuern. Angesichts der aktuell niedrigen Flüchtlingszahlen glaubt auch die CSU nicht, dass mit Attacken auf die Kanzlerin derzeit etwas zu gewinnen ist. Doch befriedet wird der Konflikt noch lange nicht sein.
Exklusiv Flüchtlingspolitik:Merkel lässt Seehofer abblitzen
Die Kanzlerin erklärt in ihrer Antwort auf den Drohbrief des Ministerpräsidenten, warum sie die Vorwürfe des CSU-Chefs in der Flüchtlingspolitik für unbegründet hält.
Seehofer sieht sich durch die guten Umfragewerte für die CSU bestätigt. Er muss sich anders als die Bundeskanzlerin nicht um den Zusammenhalt Europas und eine nachhaltige Lösung des Flüchtlingszuzugs kümmern. Ihm reicht es, wenn die CSU ihre Mehrheit in Bayern behält. Schon wegen dieser unterschiedlichen Ziele wird der Streit weitergehen.