Aussetzung der Wehrpflicht:Guttenberg missioniert die CDU

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Wehrpflicht aussetzen? Vor einigen Jahren noch undenkbar in der Union. Doch Verteidigungsminister Guttenberg wickelt die CDU um den Finger. Zuvor muss er sich aber noch mit einem anderen Adelsmann duellieren.

Thorsten Denkler, Karlsruhe

Als die Delegierten auf dem Karlsruher CDU-Parteitag Karl-Theodor zu Guttenberg ausmachen, hallt rhythmisches Klatschen durch die Reihen. Manche pfeifen, andere johlen vor Verzückung. Da kann Angela Merkel an diesem Montag noch so sehr das konservative Herz mit ihrer Rede erwärmt haben: Der beliebteste Politiker der Republik schafft es auch auf einem CDU-Parteitag, der Kanzlerin die Show zu stehlen.

Auf dem Parteitag in Karlsruhe warb Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg für seine Bundeswehrreform, die der Parteitag der Schwesterpartei CSU bereits vor zwei Wochen abgesegnet hatte. Er räumte ein, dass es zur Zukunft der Bundeswehr einen "sehr heftigen Weckruf" seinerseits gegeben habe. Am Ende stimmte die Mehrheit der Delegierten für die Aussetzung der Wehrpflicht. (Foto: dapd)

Der junge Verteidigungsminister ist da, um den Delegierten seine Wehrreform zu erklären. Kernpunkt: die Aussetzung der Wehrpflicht. Eigentlich undenkbar, dass ausgerechnet die CDU die Wehrpflicht ad acta legen soll. CDU und CSU haben sie über Jahrzehnte geschützt, als würde umgehend ein Weltkrieg ausbrechen oder der böse Russe einfallen, sollte sie fallen.

Doch an diesem Abend in der Karlsruher Messehalle würden die Delegierten dem bayerischen Baron Guttenberg wohl selbst zustimmen, wenn er vorschlagen würde, das C aus dem Parteinamen zu streichen.

Immerhin, die Delegierten erliegen dem Charme des Ministers nicht kollektiv. Als es zur Abstimmung kommt, ist doch eine erkleckliche Anzahl gegen die Aussetzung der Wehrpflicht: Tagungsleiter Peter Hintze sagt, es habe eine "beträchtliche Zahl von Gegenstimmen sowie einige Enthaltungen" gegeben. Doch es reicht nicht, um Guttenbergs Wehrreform aufzuhalten.

Die Argumentation des Verteidigungsministers scheint bestechend. Grob zusammengefasst: 20 Jahre lang haben sich die Wehrdienstverteidiger in die Tasche gelogen. Er hat sich das jetzt mal ganz genau angeschaut und festgestellt: Die Wehrpflicht lässt sich sicherheitspolitisch und aus Gründen der Wehrgerechtigkeit nicht aufrechterhalten. Er verschweigt, dass andere Parteien das schon längst erkannt haben.

Ein anderer Adelsmann ist es, der Guttenbergs Argumentationskette auseinandernimmt. Christian von Boetticher, schleswig-holsteinischer CDU-Fraktionschef, ist als Mitglied der schlagenden Verbindung Landsmannschaft Slesvico-Holsatia scharfe Auseinandersetzungen gewohnt.

Hat sich die Sicherheitslage verändert?

Guttenberg verspricht, es werde keine "Bundeswehr nach Kassenlage geben". Boetticher merkt dazu an, dass genau die Kassenlage es war, die Guttenberg auf die Idee gebracht habe, die Wehrpflicht auszusetzen.

Guttenberg verweist auf die verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn nur noch 16 Prozent eine Jahrgangs zur Bundeswehr gezogen würden. Boetticher hält dagegen: Genau dies sei von höchsten Gerichten bereits als nicht zu beanstanden erklärt worden.

Guttenberg legt eine veränderte Sicherheitslage dar, die eine veränderte Bundeswehr nach sich ziehen müsste. Boetticher stellt heraus, dass sich die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren nicht so dramatisch verändert habe, dass sie jetzt plötzlich zum Ende der Wehrpflicht führen müsse.

Welches Argument Guttenberg auch immer nennt: Boetticher weiß zu parieren.

Und doch ist - wenige Wochen nachdem die CSU die Vorlage geliefert hat - der 15. November 2010 der Tag, an dem die CDU die Wehrpflicht einstampft. Das Guttenberg-Virus hat die Union infiziert. Anders ist kaum zu erklären, dass all die Argumente für den Erhalt der Wehrpflicht, die seit Jahrzehnten zum Katalog der unabänderlichen Dogmen der Union gehörten, kein Gewicht mehr haben.

Karl-Theodor zu Guttenberg war da, und die Leute haben gejohlt.

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