CDU:Mit Leitkultur und Grenzabwehr

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Der CDU-Vorstand verschärft in seinem Leitantrag den Ton in der Flüchtlingspolitik. Der Inhalt kann Kanzlerin Merkel an einigen Stellen nicht gefallen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Für Angela Merkel sind die Auftritte bei Anne Will langsam Routine, die Talkshow scheint die Lieblingssendung der Kanzlerin zu sein. Am Sonntag nutzte Merkel die Talkshow jedenfalls bereits zum dritten Mal, um sich den Deutschen zu erklären. Entsprechend reibungslos verlief das Gespräch. Nur einmal stockte die Kanzlerin - als Will sie auf die "Modernisierungsverlierer" ansprach, um die sich die CDU jetzt kümmern wolle. Der Kampf um die zur AfD abgewanderten "Modernisierungsverlierer" war tatsächlich ein wichtiger Punkt im Entwurf für den Leitantrag des CDU-Vorstands, der den Rahmen für das Wahlprogramm festlegen soll. Doch was Anne Will nicht wusste: Genau dieses Wort hatten die CDU-Granden gerade aus dem Entwurf gestrichen. Sie hatten die Sorge, es könnte stigmatisierend wirken und die abgewanderten Wähler noch weiter von der CDU wegtreiben. Entsprechend unangenehm war Merkel die Frage. Und so konnten die fast 3,5 Millionen Zuschauer die Kanzlerin ausnahmsweise für einen Moment unsicher erleben.

Am Montag beendete der CDU-Vorstand seine Beratungen über den Leitantrag. Das Ergebnis kann Merkel an einigen Stellen nicht gefallen. Dabei ist der Ausgang des Streits um die "Modernisierungsverlierer" noch ihr kleinstes Problem. In dem Antrag heißt es jetzt neutraler, die CDU wolle "verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen". Die Debatten im Vorstand zeigten aber, wie groß inzwischen auch dort das Bedürfnis ist, mit deutlicheren Positionen als Merkel sie üblicherweise einnimmt in den Wahlkampf zu ziehen. Der Ursprungsentwurf wurde deshalb an einigen Stellen geändert. In dem Leitantrag taucht jetzt etwa das Wort "Leitkultur" auf. Auch die Passagen zur Flüchtlingspolitik wurden verschärft. Wie schon vor dem letzten Parteitag waren dabei die Vertreter des Wirtschaftsflügels und der Jungen Union, aber auch Finanzstaatssekretär Jens Spahn unter den Wortführern.

In dem Leitantrag heißt es: "Die Ereignisse des vergangenen Jahres dürfen sich nicht wiederholen." Die Schließung der Balkanroute im März, die Merkel damals verurteilt hatte, wird als Erfolg aufgeführt. Neu aufgenommen wurde in den Antrag die Möglichkeit von Transitzonen an der Grenze, wie sie die CSU verlangt - also Bereiche, aus denen abgelehnte Asylbewerber nach einem Schnellverfahren wieder des Landes verwiesen werden sollen. Die CDU werde "falls erforderlich weitere Maßnahmen, wie etwa Transitzonen, beschließen", heißt es nun. Verschärft wurde auch der Abschnitt zum Umgang mit Flüchtlingen im Mittelmeer. Sie sollen nach einer Rettung nicht mehr nach Italien gebracht werden. Stattdessen will die CDU "Fluchtalternativen und Auffangmöglichkeiten ,vor Ort'" schaffen. Dies könne "bedeuten, Menschen, die aus den Booten der Schlepper vor dem Ertrinken gerettet werden, zurück an die nordafrikanische Küste zu bringen und sie dort in Absprache mit den betreffenden Ländern zu versorgen".

Außerdem will der CDU-Vorstand jetzt "unter Ausschöpfung des rechtlich Möglichen" die Vollverschleierung und Ehen mit Minderjährigen verbieten. Die CDU müsse "wieder klar sagen, wofür wir stehen und wofür nicht", sagt Carsten Linnemann, der Chef des Wirtschaftsflügels. Die Bürger wollten "klare Kante statt monotonen Einheitsbrei". Mit den Verschärfungen habe der Leitantrag "deutlich an Kontur gewonnen".

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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